Ergebnis bei Überschreitung der Befugnis durch Verfügenden


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Elektrikerin E bittet Os Haushälter H, ihr Os Standmixer auszuhändigen, da sie ihn - was nicht stimmt - reparieren solle. O hat H untersagt, jedwede Gegenstände an Dritte herauszugeben. H glaubt an den Auftrag und weil er von O genervt ist, gibt er den Standmixer gleichwohl an E.

Einordnung des Falls

Ergebnis bei Überschreitung der Befugnis durch Verfügenden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat H getäuscht, woraufhin H sich geirrt hat (§ 263 Abs. 1 StGB).

Diese Rechtsfrage lösen 0,0 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

Ja!

Täuschung ist das Einwirken auf einen anderen mit dem Ziel der Erregung eines Irrtums. Irrtum ist das Auseinanderfallen von subjektiver Vorstellung und objektiver Realität.E hat behauptet, Os Standmixer abholen zu dürfen. Über diese Ermächtigung hat H geirrt.

2. Nach der Befugnistheorie hat H über Os Vermögen verfügt.

Diese Rechtsfrage lösen 0,0 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Bei einem Dreiecksbetrug ist dafür erforderlich, dass das Verhalten dem geschädigten Dritten zugerechnet werden kann. Nach der „Befugnistheorie“ muss der Getäuschte zivilrechtlich zur Verfügung (Besitzübertragung) über das Vermögen des Dritten berechtigt sein.O hat es H gerade untersagt, Gegenstände an Dritte herauszugeben. H ist nicht zu Verfügungen ermächtigt.

3. Hat H nach der Lagertheorie über Os Vermögen verfügt?

Diese Rechtsfrage lösen 0,0 % der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der Lagertheorie genügt es, dass der Getäuschte im “Lager” des Dritten steht, also in einem faktischen Näheverhältnis zum Vermögenskreis des Geschädigten und deshalb rein tatsächlich in der Lage ist, über dessen Vermögen zu verfügen. Dies gilt allerdings nur, solange der Verfügende sich nicht bewusst über die ihm gesetzten Grenzen hinwegsetzt (subjektiv legitimiert).H hat als Haushälter grundsätzlich eine Gewahrsamshüterposition über die Haushaltsgegenstände inne. O hat H jedoch gänzlich untersagt, in seiner Abwesenheit Gegenstände herauszugeben. H hat sich über diese Grenze in seinem Aufgabenbereich bewusst hinweggesetzt. Sein Handeln ist dem O damit auch nach der Lagertheorie nicht zurechenbar. Es liegt keine Vermögensverfügung vor.

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HannaHaas

HannaHaas

7.10.2023, 16:15:53

Was liegt dann hier für eine Strafbarkeit vor? Diebstahl der E gem.§ 242 I StG und Beihilfe zum Diebstahl des H gem.§§ 242 I, 27 StGB?

LELEE

Leo Lee

15.10.2023, 12:51:37

Hallo Rébecca Haas, hier würde in der Tat – da wir den Dreiecksbetrug ablehnen – noch der Diebstahl in mittelbarer Täterschaft zu prüfen. Hierzu kann ich die folgende Aufgabe empfehlen: https://applink.jurafuchs.de/YXhxTB2qTDb :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Skywalker

Skywalker

27.10.2023, 13:53:33

Ich würde sagen eine Strafbarkeit des H wegen Beihilfe zum Diebstahl scheitert am Vorsatz der H. Der ja aufgrund des durch E hervorgerufenen Irrtums nicht von einer rechtswidrigen Haupttat ausgeht, sonder die Jacke nur herausgibt, um den Hauseigentümer zu ärgern. Aber eine mittelbare Täterschaft des E, denke ich, liegt vor.

HannaHaas

HannaHaas

27.10.2023, 19:05:00

Stimmt! H hat keinen Vorsatz, ich habe mich davon beirren lassen, dass H sich nicht an die Abmachung mit O hält, aber letztendlichglaubt er an den Auftrag. Eine Strafbarkeit der E in mittelbarer Täterschaft sehe ich jetzt auch als gegeben.


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