Auktion – "Huhu, Walther!"
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B nimmt zum ersten Mal an einer Weinauktion in Trier teil. Während der Versteigerung eines 1961er Château Haut Brion betritt sein Arbeitskollege W den Saal. B winkt ihm zu und ruft zur Begrüßung: “Huhu, Walther!“
Einordnung des Falls
Auktion – "Huhu, Walther!"
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Verhalten des B lässt auf das Vorliegen eines Handlungswillens schließen.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Ja!
2. Bs Verhalten lässt auf das Vorliegen eines Erklärungsbewusstseins schließen. B hatte Rechtsbindungswillen.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurafuchs kostenlos testen

Ana-Lena S.
22.10.2019, 22:35:58
Nach Treu und Glauben kann in diesem Fall doch ein Dritter von einem Rechtsbindungswillen ausgehen. B muss doch wissen, dass nach objektiver Sicht sein Handeln, dem Arbeitskollegen W zuwinken, während einer Auktion, bei der es nunmal üblich ist, den Arm zu heben, wenn man den Zuschlag wünscht, als Rechtsbindungswillen gesehen werden könnte... Wieso wird der Fall anderes beschrieben?
AnAh
24.10.2019, 15:18:55
Hätte er einfach nur die Hand gehoben, aber nichts gesagt, wäre Rechtbindungswille gegeben. Hier begrüßt er ja aber seinen Freund, sodass andere ihn hören können und man davon ausgehen kann, das Heben der Hand zu der Begrüßung selbst gehört und damit nur soziale Interaktion ist.

Isabell
1.1.2020, 18:23:30
Das fußt ja auf der Trierer Weinversteigerung. Das entsprechende Urteil ist schon etwas älter. Von wann genau weiß ich gerade nicht. Man muss bei solchen Entscheidungen aber die damaligen Gepflogenheiten mitberücksichtigen. Evtl. war das Konzept der Versteigerung damals unter der Normalbevölkerung noch nicht so bekannt wie heutzutage.
J
13.1.2020, 15:24:32
Es wird objektiv erwartet, dass auch ein Mensch der nicht
J
13.1.2020, 15:30:05
*vom Ort ist, dennoch die Sorgfalt an den Tag legt, um such verkehrsgerecht zu verhalten. Nach der Willenstheorie liegt beim Fall des felenden Erklärungsbewusstseins keine wirksame WE vor. Die Verkehrsschutztheorie aber nimmt eine WE an, die aber dann gem. 119 I anfechtbar ist. Der Empfänger kann dann gem. 122 Ersatz des sog. Vertrauensschadens/ negativen Interesses verlangen. Im Übrigen ist der Fall erfunden, also den Trierer Weinversteigerungsfall gab es nicht.

Agit
31.3.2020, 16:58:58
Eine Willenserklärung hat einen Äußeren und Inneren Tatbestand der im Idealfall kongruent zueinander ist. Ausnahmen bzw. Abweichungen sind in begrenzten Fällen zulässig, oder werden über die Anfechtung korrigiert. Problematisch ist das Erklärungsbewusstsein hier. Es ist ein Teil des inneren Tatbestand. Dieser beschreibt das Wissen und Wollen um der Rechtserheblichkeit der Erklärung. Fehlt dieser Erklärungsbewusstsein, so wäre die Konsequenz, das keine Erklärung vorliegt. Daran ändert auch der äußere Rechtsbindungswille zunächst nichts. Es ist umstritten ob dies in jedem Fall erforderlich ist. In einem solchen Fall redet man von Potenzielles Erklärungsbewusstsein, dass heißt über Fahrlässigkeitmaßstabe wird das fehlende Erklärungsbewusstsein fingiert. Nach a.A. reicht der Handlungswille aus

Great success
28.2.2021, 07:14:11
Vielleicht solltet ihr in euerer Erklärung auf den Unterschied mit und ohne der Bemerkung„Huhu Walther“ hinweisen. Der Lehrbuchfall hat die Begrüßung nicht dabei und dann liegt Rechtsbindungswille vor, in der Diskussion mitgeteilt.

Marilena
28.2.2021, 11:59:18
Hallo Great Success, danke für den Hinweis. Wir denken darüber nach. Übrigens: Den Lehrbuchfall haben wir in der Session Äußerer Tatbestand 1 an vierter Stelle UND als Klassiker des Zivilrechts in der Rechtsprechungskategorie.
Reus04
28.6.2022, 16:14:49
Liegt jetzt ein Gebot vor oder nicht?
ehemalige:r Nutzer:in
28.6.2022, 18:59:51
B handelte weder mit Rechtsbindungswillen (für Dritte erkennbar, dass er nur Grüßen wollte) noch mit Erklärungsbewusstsein (B nimmt zum ersten Mal an einer Auktion teil). Während umstritten ist, ob es sich bei dem Erklärungsbewusstsein um ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis der Willenserklärung handelt, ist dies beim Fehlen vom Rechtsbindungswillen nicht der Fall. Vielmehr ist dieser unumstritten zwingende Voraussetzung. Demnach liegt kein Gebot vor.
Reus04
29.6.2022, 21:56:06
Danke für die Antwort! Eine Frage noch. Was ist denn mit der Sicht eines objektiven Verkehrsteilnehmers in der Situation des Erklärungsempfängers (hier der Auktionator)? Wenn er beispielsweise nur den Arm des B sieht, ihn aber akustisch nicht gehört hat.
ehemalige:r Nutzer:in
30.6.2022, 00:19:11
Meiner Ansicht nach sind 2 Konstellationen denkbar; insofern hier die Lösungsvorschläge: 1. Hört der Auktionator die Begrüßung nicht (weil er z.B. schwerhörig ist), ein objektiver Dritter hätte B aber gehört, dann liegt kein Rechtsbindungswille und demnach auch kein Gebot vor. 2. Wenn allerdings auch ein objektiver Dritter Bs Begrüßung nicht gehört hätte (es ist sehr laut; B murmelt zu sich selbst), dann liegt Rechtsbindungswille - aber kein Erklärungsbewusstsein (s.o.) vor. Ob ein wirksames Gebot trotzdem bejaht werden kann, ist wie gesagt umstritten. Folgt man hier der h.M. stellt sich nun noch die Frage, ob das Gebot zugegangen ist. Bei dem Gebot i.F.d. Armhebens handelt es sich um eine nichtverkörperte empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Zugang richtet sich demnach nach 130 I 1 BGB analog. Nach der strengen Vernehmungstheorie geht das Gebot mit dem gem. 133, 157 BGB ermittelten Inhalt zu, wenn der Empfänger es richtig verstanden hat. Der Auktionator hat die Erklärung in der 2. Konstellation verstanden wie es ein objektiver Empfänger getan hätte. Demnach ist der Zugang hiernach zu bejahen. Nach der eingeschränkten Vernehmungstheorie kann eine Willenserklärung u.U. sogar vorliegen, wenn der Empfänger die Erklärung nicht einmal richtig vernommen hat. Hier hat der Auktionator die Erklärung allerdings wie nach 133, 157 BGB ermittelt richtig vernommen, wovon B bei Einhaltung pflichtgemäßer Sorgfalt auch hätte ausgehen müssen. Demnach kann ein Streitentscheid dahin stehen. -> B kann aber ggf. gem. 119 I BGB analog anfechten, wobei er sich gem. 122 I BGB analog schadensersatzpflichtig macht