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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B nimmt zum ersten Mal an einer Weinauktion in Trier teil. Während der Versteigerung eines 1961er Château Haut Brion betritt sein Arbeitskollege W den Saal. B winkt ihm zu und ruft zur Begrüßung: „Huhu, Walther!“

Einordnung des Falls

Auktion – „Huhu, Walther!“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Verhalten des B lässt auf das Vorliegen eines Handlungswillens schließen.

Ja!

Ein Handlungswille im Rahmen des objektiven Tatbestands liegt vor, sofern das Verhalten aus Sicht eines Dritten als willensgesteuerte Handlung erscheint. Er fehlt, wenn der Erklärende erkennbar im Schlaf oder in Hypnose spricht oder bei bloßen Reflexbewegungen.Hier spricht das Verhalten des B (die Handbewegung) dafür, dass er bewusst und gewollt gehandelt (gewinkt) hat.

2. Bs Verhalten lässt auf das Vorliegen eines Erklärungsbewusstseins schließen. B hatte Rechtsbindungswillen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Rechtsbindungswille im Rahmen des objektiven Tatbestands liegt vor, wenn der Erklärende sich aus Sicht eines Dritten in irgendeiner Weise rechtlich erheblich erklären will. Der Dritte orientiert sich bei seiner Bewertung an der üblichen Bedeutung des Verhaltens (z.B. des gesprochenen Wortes).Hier hat B – während er winkte – den eintretenden W laut begrüßt. Damit ist sein Verhalten aus Sicht eines objektiven Betrachters nur als soziale Interaktion auszulegen.

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Ana-Lena S.

Ana-Lena S.

22.10.2019, 22:35:58

Nach Treu und Glauben kann in diesem Fall doch ein Dritter von einem Rechtsbindungswillen ausgehen. B muss doch wissen, dass nach objektiver Sicht sein Handeln, dem Arbeitskollegen W zuwinken, während einer Auktion, bei der es nunmal üblich ist, den Arm zu heben, wenn man den Zuschlag wünscht, als Rechtsbindungswillen gesehen werden könnte... Wieso wird der Fall anderes beschrieben?

ANA

AnAh

24.10.2019, 15:18:55

Hätte er einfach nur die Hand gehoben, aber nichts gesagt, wäre Rechtbindungswille gegeben. Hier begrüßt er ja aber seinen Freund, sodass andere ihn hören können und man davon ausgehen kann, das Heben der Hand zu der Begrüßung selbst gehört und damit nur soziale Interaktion ist.

Isabell

Isabell

1.1.2020, 18:23:30

Das fußt ja auf der

Trierer Weinversteigerung

. Das entsprechende Urteil ist schon etwas älter. Von wann genau weiß ich gerade nicht. Man muss bei solchen Entscheidungen aber die damaligen Gepflogenheiten mitberücksichtigen. Evtl. war das Konzept der Versteigerung damals unter der Normalbevölkerung noch nicht so bekannt wie heutzutage.

J

J

13.1.2020, 15:24:32

Es wird objektiv erwartet, dass auch ein Mensch der nicht

J

J

13.1.2020, 15:30:05

*vom Ort ist, dennoch die Sorgfalt an den Tag legt, um such verkehrsgerecht zu verhalten. Nach der Willenstheorie liegt beim Fall des felenden Erklärungsbewusstseins keine wirksame WE vor. Die Verkehrsschutztheorie aber nimmt eine WE an, die aber dann gem. 119 I anfechtbar ist. Der Empfänger kann dann gem. 122 Ersatz des sog. Vertrauensschadens/ negativen Interesses verlangen. Im Übrigen ist der Fall erfunden, also den

Trierer Weinversteigerungsfall

gab es nicht.

Agit

Agit

31.3.2020, 16:58:58

Eine Willenserklärung hat einen Äußeren und Inneren Tatbestand der im Idealfall kongruent zueinander ist. Ausnahmen bzw. Abweichungen sind in begrenzten Fällen zulässig, oder werden über die Anfechtung korrigiert. Problematisch ist das Erklärungsbewusstsein hier. Es ist ein Teil des inneren Tatbestand. Dieser beschreibt das Wissen und Wollen um der Rechtserheblichkeit der Erklärung. Fehlt dieser Erklärungsbewusstsein, so wäre die Konsequenz, das keine Erklärung vorliegt. Daran ändert auch der äußere Rechtsbindungswille zunächst nichts. Es ist umstritten ob dies in jedem Fall erforderlich ist. In einem solchen Fall redet man von Potenzielles Erklärungsbewusstsein, dass heißt über Fahrlässigkeitmaßstabe wird das fehlende Erklärungsbewusstsein fingiert. Nach a.A. reicht der

Handlungswille

aus

BL

Blotgrim

4.4.2024, 15:49:23

Das potentielle Erklärungsbewusstsein ist hier der Schlüsselbegriff. Es liegt aber nur vor wenn das Handeln auf ein Erklärungsbewusstsein schließen lässt und dies für den Erklärenden erkennbar und vermeidbar. Das heben der Hand in Verbindung mit einem Gruß ist meiner Meinung nach auch bei einer Auktion nicht als Erklärungsbewusstsein zu verstehen, da es trotz der Umstände zu erkennen ist, dass man jemanden grüßen und kein bindendes Gebot abgeben will. Anders wäre es vielleicht wenn der Auktionator den verbalen Gruß nicht hört, davon ist im Fall aber nicht die Rede. Und selbst wenn man das Erklärungsbewusstsein bejaht fehlt es am Rechtsbindungswillen.

Great success

Great success

28.2.2021, 07:14:11

Vielleicht solltet ihr in euerer Erklärung auf den Unterschied mit und ohne der Bemerkung„Huhu Walther“ hinweisen. Der Lehrbuchfall hat die Begrüßung nicht dabei und dann liegt Rechtsbindungswille vor, in der Diskussion mitgeteilt.

Marilena

Marilena

28.2.2021, 11:59:18

Hallo Great Success, danke für den Hinweis. Wir denken darüber nach. Übrigens: Den Lehrbuchfall haben wir in der Session Äußerer Tatbestand 1 an vierter Stelle UND als Klassiker des Zivilrechts in der Rechtsprechungskategorie.

REUS04

Reus04

28.6.2022, 16:14:49

Liegt jetzt ein Gebot vor oder nicht?

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

28.6.2022, 18:59:51

B handelte weder mit Rechtsbindungswillen (für Dritte erkennbar, dass er nur Grüßen wollte) noch mit Erklärungsbewusstsein (B nimmt zum ersten Mal an einer Auktion teil). Während umstritten ist, ob es sich bei dem Erklärungsbewusstsein um ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis der Willenserklärung handelt, ist dies beim Fehlen vom Rechtsbindungswillen nicht der Fall. Vielmehr ist dieser unumstritten zwingende Voraussetzung. Demnach liegt kein Gebot vor.

REUS04

Reus04

29.6.2022, 21:56:06

Danke für die Antwort! Eine Frage noch. Was ist denn mit der Sicht eines objektiven Verkehrsteilnehmers in der Situation des Erklärungsempfängers (hier der Auktionator)? Wenn er beispielsweise nur den Arm des B sieht, ihn aber akustisch nicht gehört hat.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

30.6.2022, 00:19:11

Meiner Ansicht nach sind 2 Konstellationen denkbar; insofern hier die Lösungsvorschläge: 1. Hört der Auktionator die Begrüßung nicht (weil er z.B. schwerhörig ist), ein objektiver Dritter hätte B aber gehört, dann liegt kein Rechtsbindungswille und demnach auch kein Gebot vor. 2. Wenn allerdings auch ein objektiver Dritter Bs Begrüßung nicht gehört hätte (es ist sehr laut; B murmelt zu sich selbst), dann liegt Rechtsbindungswille - aber kein Erklärungsbewusstsein (s.o.) vor. Ob ein wirksames Gebot trotzdem bejaht werden kann, ist wie gesagt umstritten. Folgt man hier der h.M. stellt sich nun noch die Frage, ob das Gebot zugegangen ist. Bei dem Gebot i.F.d. Armhebens handelt es sich um eine nichtverkörperte empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Zugang richtet sich demnach nach 130 I 1 BGB analog. Nach der strengen Vernehmungstheorie geht das Gebot mit dem gem. 133, 157 BGB ermittelten Inhalt zu, wenn der Empfänger es richtig verstanden hat. Der Auktionator hat die Erklärung in der 2. Konstellation verstanden wie es ein objektiver Empfänger getan hätte. Demnach ist der Zugang hiernach zu bejahen. Nach der eingeschränkten Vernehmungstheorie kann eine Willenserklärung u.U. sogar vorliegen, wenn der Empfänger die Erklärung nicht einmal richtig vernommen hat. Hier hat der Auktionator die Erklärung allerdings wie nach 133, 157 BGB ermittelt richtig vernommen, wovon B bei Einhaltung pflichtgemäßer Sorgfalt auch hätte ausgehen müssen. Demnach kann ein Streitentscheid dahin stehen. -> B kann aber ggf. gem. 119 I BGB analog anfechten, wobei er sich gem. 122 I BGB analog schadensersatzpflichtig macht

HGWrepresent

HGWrepresent

12.1.2024, 14:18:53

Ihr sprecht in der Frage einerseits von Erklärungsbewusstsein und andererseits von Rechtsbindungswille. Das sind aber Merkmale von zwei unterschiedlichen Tatbeständen der WE. Warum würfelt ihr das durcheinander?

LELEE

Leo Lee

14.1.2024, 15:39:38

Hallo HGWRepresent, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat könnte der Text er zweiten Frage etwas komisch klingen auf den ersten Blick. Beachte allerdings, Rechtsbindungswille bedeutet, dass aus Sicht des Adressaten der Erklärende den Willen zur rechtlichen Bindung erkennen lässt. Dieser Wille bzw. das Bewusstsein des Erklärenden, eine Erklärung mit rechtlich bindendem bzw. relevantem Inhalt abzugeben, ist allerdings auch die Definition des Erklärungsbewusstseins. D.h. also im Ergebnis, dass Rechtsbindungswille bedeutet, dass der Adressat aus dem Verhalten des Erklärenden darauf schließen durfte, dass der Erklärende eben was rechtlich erhebliches erkären wollte und damit mit Erklärungsbewusstsein gehandelt hat. Deshalb haben den Text zur zweiten Frage entsprechend formuliert (B hatte RBW, weil er eben davon ausgehen durfte, dass der Erklärende mit Erklärungsbewusstsein gehandelt hat). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 145 Rn. 7 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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