Strafrecht
BT 5: Verkehrsdelikte
Verbotene Kraftfahrzeugrennen, § 315d StGB
§ 315d StGB: Erfolgsqualifizierter Versuch?
§ 315d StGB: Erfolgsqualifizierter Versuch?
16. Februar 2025
6 Kommentare
4,8 ★ (7.247 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Motorradfahrer T fährt auf einer Landstraße mit 250 km/h auf A zu und will kurz vorher ausweichen. Er geht davon aus, dass A in konkrete Gefahr geraten wird. Bevor T den A erreicht, überfährt er aber versehentlich den P, der unbemerkt von T die Straße überqueren wollte. P stirbt.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den objektiven Tatbestand des § 315d Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 StGB in Bezug auf P verwirklicht.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es liegt ein sog. „error in persona vel objecto“ vor, weil T den P statt A konkret gefährdet hat.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Rspr. und h.L. halten § 16 Abs. 1 StGB für einschlägig (sog. Konkretisierungstheorie).
Ja, in der Tat!
4. Da T das Grunddelikt des § 315d Abs. 2 StGB versucht hat und die schwere Folge des § 315d Abs. 5 StGB eingetreten ist, liegt nach h.M. ein strafbarer erfolgsqualifizierter Versuch vor.
Nein!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
agi
16.10.2024, 00:00:33
finde es schön, dass hier nochmal die Abgrenzung zwischen
error in personas und
aberratio ictuswiederholt
wird, sowie die unterschiedlichen Lösungsansätze

Linne_Karlotta_
17.10.2024, 16:33:48
Hallo agi, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team
Niro95
8.11.2024, 00:01:58
Ich denke nicht, dass hier ein
aberratio ictusvorliegt, weil das versehentliche Überfahren des P hier dem Gefährdungs
vorsatzfür das eigentliche Ziel nach SV zeitlich vorgelagert ist. Der
aberratio ictusist aber nur anwendbar, wenn tatsächlich ein verfehlen in dem Sinne vorliegt, dass das eigentlich mit
Vorsatzanvisierte Objekt (unter welchen Umständen auch immer) verfehlt und stattdessen ein anderes Gleichwertiges getroffen wird. Kein Fall des
Aberratio ictus(hier müsste man den Versuchsbeginn problematisieren) ist es, wenn vor der eigentlichen Tat ein zufälliges Opfer mit einer dem geplanten Taterfolg gleichartigen Handlung getroffen wird, wie hier.

pio1sn
16.1.2025, 13:07:06
Ich habe es mir so hergeleitet, indem ich es aus der Sicht des
error in personamal vorgestellt habe. Theoretisch müsste sich der
Vorsatzdann auf das konkret überfahrene Opfer richten. Hier war der P aber nicht in seinem „Blickfeld“ bzw. der konkrete
Vorsatzrichtete sich nicht auf den P, weil dieser nicht wahrnehmbar für den T war. Dementsprechend „verfehlte“ der T seinen „Überfahrvorgang“. Man sollte dabei den SV auch genau nehmen bei Jurafuchs, weil hier nicht umsonst „versehentlich“ und „un
bemerkt“ im SV steht. Ich hoffe, ich konnte dir helfen :0
Vincent
16.1.2025, 13:53:46
Wie wird die Anwendung des o.g. Paragraphen weiter begründet ? 16 Abs.1 spricht doch vom "nicht kennen eines Umstandes der zum
Tatbestandgehört. Legt man genau nach dem Wortlaut aus, ist dies hier nicht einschlägig.
Leo Lee
17.1.2025, 10:40:08
Hallo Vincent, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Du hast Recht damit, dass streng nach dem Wortlaut in der Tat ein Nichtwissen erforderlich ist. Allerdings ist es in der Rspr., Literatur und vor allem Klausurpraxis so, dass unter 16 I auch das fehlende
Vorsatzerfasst wird, solange Wissen und/oder Wollen bzgl. eines obj. TBMs fehlt. Deshalb kannst du mir merken, dass 16 I StGB allgemein angewendet wird, wenn der
Vorsatzfehlt und nicht nur dann, wenn das Wissen nicht vorliegt. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 5. Auflage, Kulhanek § 16 Rn. 7 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo