Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Nichtigkeit von Verwaltungsakten
Vertiefungsfall: Nichtigkeit gem. § 44 Abs. 1 VwVfG
Vertiefungsfall: Nichtigkeit gem. § 44 Abs. 1 VwVfG
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die baden-württembergische Gemeinde G erteilt S eine Erlaubnis zum Betrieb einer Spielbank. Zuständig ist nach § 47 Abs. 4 S. 1 LGlüG das baden-württembergische Innenministerium. S fragt sich, ob die Erlaubnis dennoch wirksam ist und sie die Spielbank betreiben kann.
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Einordnung des Falls
Vertiefungsfall: Nichtigkeit gem. § 44 Abs. 1 VwVfG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. G war nicht zuständig für den Erlass der Erlaubnis. Die Erlaubnis ist formell rechtswidrig.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Auch rechtswidrige Verwaltungsakte sind grundsätzlich wirksam.
Ja, in der Tat!
3. Die fehlende Verbandskompetenz der G führt zur Nichtigkeit der Erlaubnis gemäß § 44 Abs. 2 VwVfG.
Nein!
4. § 44 Abs. 3 VwVfG regelt die relative Nichtigkeit.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Ausreichend für eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist bereits, dass der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegendem Fehler leidet.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Vorliegend mangelt es bereits an einem besonders schwerwiegendem Fehler.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Weronika
24.1.2023, 09:08:52
Vielleicht stehe ich gerade völlig auf dem Schlauch. Dadurch dass die Aussage nicht stimmt, liegt ja kein besonders schwerwiegender Fehler vor, weswegen der VA nicht nichtig ist. So hab ich das zumindest verstanden, aber das passt dann nicht mit der Lösung zusammen. Kann mir das eventuell jemand erklären? 😅
cann1311
24.1.2023, 09:14:46
Da steht "vorliegend mangeld es bereits an einem schwerwiegendem Fehler", und das ist falsch. Quasi doppelt-verneint :D
IsiRider
4.4.2023, 11:02:21
Ich verstehe es auch nicht. Die Offensichtlichkeit muss doch dazu kommen. Sprich es muss schon ein besonders schwerwiegender Fehler vorliegen.
asanzseg
5.4.2023, 18:01:49
Ich frage mich hier wieso es hier überhaupt auf die Nichtigkeit nach §44 I VwVfG ankommt weil wir zwei Kapitel vorher bei den mehrstufigen Verwaltungsakten und dem Erlass des VA durch die sachlich unzuständige
Behörde) es bereits an der der Bekanntgabe gefehlt hat weil nicht die
Behördeden VA bekanntgegeben hat die den VA hätte bekanntgeben müssen. Wenn der VA mangels Bekanntgabe gar nicht „geboren“ ist dann kann das doch gar nicht erst Nichtig sein nach
§44 VwVfG….
Patrick4219
2.2.2024, 11:15:28
Also ich kann das Ergebnis hier auch nicht ganz nachvollziehen. Das ein schwerwiegender Fehler vorliegt leuchtet mir vor Art. 28 GG ein aber weshalb sollte dieser für den verständigen Bürger offensichtlich sein? Wenn ich als Laie an Glücksspiel denke, dann fällt mir als erstes das örtliche Gewerbeamt ein und nicht das Ministerium des Innern. Wäre hier dir Verneinung eines offensichtlichen Fehlers wirklich so abwegig wie die Antwort suggeriert?
Simon
3.4.2024, 23:45:10
Nach § 43 I 1 VwVfG wir ein VA erst mit Bekanntgabe möglich. Darunter versteht man typischerweise die Eröffnung des Inhalts des VA gegenüber dem Betroffenen durch die
Behördein amtlicher Eigenschaft. Die hL verlangt meist noch eine Bekanntgabe durch die zuständige
Behörde, wohingegen die Rspr. dieses Kriterium eher unter den Tisch fallen lässt. Als Umkehrschluss zu
§ 44 VwVfG, der (nur) bestimmte Fälle der Unzuständigkeit normiert, sprechen mE die besseren Gründe für die Ansicht der Rspr. Für die Nichtigkeit nach § 44 I VwVfG bedarf es (1) eines besonders schwerwiegenden Fehlers, der (2) offensichtlich ist. Über das letzte Kriterium kann man durchaus streiten, jedoch dürfte sich wohl auch juristischen Laien aufdrängen, das die großen Glücksspielanbieter (bwin, tipico, etc.) wohl kaum von jeder Gemeinde einer Genehmigung bedürfen, sondern dies eher auf Landesebene geregelt ist. Zumal bei der Offensichtlichkeit auf den jeweils Betroffenen (hier also den Anbieter selbst) abzustellen ist, s. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 44 Rn. 126.
Flohm
24.8.2023, 10:23:54
Wieso liegt §44 II Nr. 3 hier nicht vor?
Flohm
25.8.2023, 16:46:59
Hat sich erledigt. Kann man eigentlich die eigenen Kommentare wieder löschen? (Falls sich das doch auch jemand fragt: §44 II Nr. 3 verweist auf den §3 I Nr. 1 und der regelt nur die örtliche Zuständigkeit :D
Isabelle.Sophie
22.12.2023, 10:24:06
Zum Verständnis: Die Verbandskompetenz läge in diesem Fall beim Land und die
Organkompetenzbeim Innenministerium?
Leo Lee
25.12.2023, 12:02:01
Hallo Isabelle.Sophie, genauso ist es! Die Verbandskompetenz meint die vertikale Gewalt (Bund, Land, Kommune) und die
Organkompetenzdie horizontale Gewalt (innerhalb der jeweiligen Ebene – welches Organ? Parlament, Verwaltung oder Rechtsprechung) :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!
Busches Bester
11.1.2024, 14:13:14
Ist der Verwaltungsakt hier nicht schon deswegen unwirksam, weil er nicht von der sachlich zuständigen
Behördebekanntgegeben wurde? dann kann es auf § 44 doch gar nicht mehr ankommen.
Leonie
9.4.2024, 12:39:42
Habe ich mich auch gefragt aber leider keine Antwort drauf gefunden :/
Paul
4.10.2024, 15:22:25
Hallo. Literatur konnte ich zwar hierzu auch nicht finden, jedoch liegt meines Erachtens das Problem hier in der etwas ungünstigen Dopplung der „sachlich zuständigen
Behörde“. Im vorherigen Fall geht es um die sachliche Zuständigkeit für die Bekanntgabe, welche wie in der vorherigen Aufgabe grds. bei der
Behördeliegt, welche auch die Verfügung erlässt. Gibt in diesem Fall eine andere
Behördeden Verwaltungsakt weiter, so fehlt die sachliche Zuständigkeit für die Bekanntgabe. In der Folge stellt sich mE. ein Zurechnungsproblem, da die Erklärung nicht der eigentlich erlassenden
Behördezugerechnet werden kann. Anders liegt der Fall, wenn wie hier nach der sachlichen Zuständigkeit für den konkreten Verwaltungsakt gefragt wird. Hier geht es darum, ob die
Behördegrds innerhalb ihrer sachlichen Zuständigkeit einen Verwaltungsakt mit diesem Inhalt erlassen darf. Diese werden der jeweiligen
Behördegrds. gesetzlich zugewiesen. Ich hoffe, ich konnte euch weiterhelfen.
FalkTG
3.7.2024, 13:19:46
Gude, da die Frage bis dato unbeantwortet blieb: Bei der Definition der Bekanntgabe hieß es notwendig sei die Verlautbarung durch die "sachlich zuständige
Behördein amtlicher Eigenschaft". Damit wäre der VA bereits nach § 43 VwVfG unwirksam. Hier nun hei´ßt es der Verwaltungsakt sei nichtig nach § 44 I VwVfG. Dies erscheint in sofern relevant, wenn die Verbandszuständigkeit nicht nach Außen ersichtlich ist. Bitte Klarheit schaffen!