+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ignoriert weiterhin die inzwischen bestandskräftige Verfügung, einen illegal errichteten Bauzaun abzubauen. S lässt den Bauzaun daher im Rahmen einer rechtmäßigen Ersatzvornahme im gestreckten Verfahren entfernen. Später stellt sich raus, dass die Rückbau-Verfügung rechtswidrig war.
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Einordnung des Falls
(Kein) Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen der Primärmaßnahme und der Vollstreckungsmaßnahme
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Voraussetzung der Vollstreckung im gestreckten Verfahren ist zunächst ein bestandskräftiger Verwaltungsakt.
Ja, in der Tat!
Verwaltungszwang erfolgt im Regelfall im „gestreckten Verfahren“ (§ 6 Abs. 1 VwVG). Dies setzt zunächst voraus, dass ein erlassener Verwaltungsakt bestandskräftig oder sofort vollziehbar ist. Ist dies der Fall, muss das konkrete Zwangsmittel unter Setzung einer bestimmten Frist schriftlich angedroht werden (§ 13 VwVG). Befolgt der Pflichtige den zu vollstreckenden Verwaltungsakt (= Grundverwaltungsakt) daraufhin immer noch nicht, so wird das Zwangsmittel festgesetzt (§ 14 VwVG), dieses kann sodann angewendet werden (§ 15 VwVG). S hat die Ersatzvornahme (§ 10 VwVG) rechtmäßig durchgeführt, also insbesondere die Vorschriften der §§ 13ff. VwVG eingehalten. Verwaltungsvollstreckung ist in Klausuren sehr beliebt. Arbeite aufgrund des Klausursachverhalts die Voraussetzungen der Vollstreckung sauber ab.
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2. Dass die Rückbau-Verfügung sich später als rechtswidrig herausstellt, führt dazu, dass auch die Ersatzvornahme rückwirkend rechtswidrig wird.
Nein!
Der zu vollstreckende Verwaltungsakt (= Grundverwaltungsakt) muss nur bestandskräftig oder sofort vollziehbar, aber keinesfalls rechtmäßig sein! Der Sinn, dass Verwaltungsakte unanfechtbar werden, liegt gerade darin, dass Rechtssicherheit eintreten soll. Der Gedanke ist: Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, soll man auf die dauerhafte Wirksamkeit dieses Verwaltungsakts vertrauen dürfen. Hält der Adressat einen Verwaltungsakt für rechtswidrig, so kann er vor Bestandskraft rechtlich dagegen vorgehen (insbesondere mit Widerspruch und Anfechtungsklage). Tut er dies nicht rechtzeitig (§§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO) oder erfolglos, kann er sich später nicht mehr auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts berufen. Dieser Gedanke gilt auch im Rahmen des Verwaltungszwangs. Die Rechtswidrigkeit der Rückbau-Verfügung wirkt sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme aus. 3. Auch nichtige Verwaltungsakte können rechtmäßig im Rahmen des gestreckten Verfahrens vollstreckt werden.
Nein, das ist nicht der Fall!
Während es für eine rechtmäßige Vollstreckung nicht auf die Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts ankommt, gilt bei Nichtigkeit etwas anderes. Denn nichtige Verwaltungsakte können schon gar nicht bestandskräftig werden. Sie sind unwirksam (§ 43 Abs. 3 VwVfG). Ist ein Verwaltungsakt schon nicht gar nicht wirksam, so kann er auch nicht dauerhaft wirksam werden. Wäre die Rückbau-Verfügung nichtig, so würde es an einem bestandskräftigen Verwaltungsakt gem. § 6 Abs. 1 VwVG fehlen.
4. Der Grundverwaltungsakt war „nur“ rechtswidrig. Bleibt die von S veranlasste Ersatzvornahme im gestreckten Verfahren rechtmäßig?
Ja, in der Tat!
Im Rahmen des gestreckten Verfahrens (§ 6 Abs. 1 VwVG) kommt es nicht darauf an, ob der zu vollstreckende Grundverwaltungsakt rechtswidrig ist. Entscheidend ist lediglich, dass dieser unanfechtbar geworden oder sofort vollziehbar ist. Unanfechtbar bedeutet, dass der Verwaltungsakt dauerhaft rechtswirksam ist. Dies ist der Fall, wenn der Adressat den Verwaltungsakt nicht fristgemäß (§§ 70 Abs. 1 , 74 Abs. 1 VwGO) oder erfolglos angefochten hat. Ist ein Verwaltungsakt dagegen nichtig, war er nie wirksam und kann somit auch nicht dauerhaft wirksam werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Rückbau-Verfügung nicht „nur“ rechtswidrig, sondern auch nichtig ist. Daher ist von der dauerhaften Wirksamkeit – also der Bestandskraft – der Verfügung auszugehen. Du prüfst im gestreckten Verfahren niemals die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts, sondern lediglich die Unanfechtbarkeit!