Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Verwaltungsvollstreckung

(Kein) Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen der Primärmaßnahme und der Vollstreckungsmaßnahme

(Kein) Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen der Primärmaßnahme und der Vollstreckungsmaßnahme

3. Dezember 2024

4,9(9.145 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ignoriert weiterhin die inzwischen bestandskräftige Verfügung, einen illegal errichteten Bauzaun abzubauen. S lässt den Bauzaun daher im Rahmen einer rechtmäßigen Ersatzvornahme im gestreckten Verfahren entfernen. Später stellt sich raus, dass die Rückbau-Verfügung rechtswidrig war.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

(Kein) Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen der Primärmaßnahme und der Vollstreckungsmaßnahme

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Voraussetzung der Vollstreckung im gestreckten Verfahren ist zunächst ein bestandskräftiger Verwaltungsakt.

Ja, in der Tat!

Verwaltungszwang erfolgt im Regelfall im „gestreckten Verfahren“ (§ 6 Abs. 1 VwVG). Dies setzt zunächst voraus, dass ein erlassener Verwaltungsakt bestandskräftig oder sofort vollziehbar ist. Ist dies der Fall, muss das konkrete Zwangsmittel unter Setzung einer bestimmten Frist schriftlich angedroht werden (§ 13 VwVG). Befolgt der Pflichtige den zu vollstreckenden Verwaltungsakt (= Grundverwaltungsakt) daraufhin immer noch nicht, so wird das Zwangsmittel festgesetzt (§ 14 VwVG), dieses kann sodann angewendet werden (§ 15 VwVG). S hat die Ersatzvornahme (§ 10 VwVG) rechtmäßig durchgeführt, also insbesondere die Vorschriften der §§ 13ff. VwVG eingehalten. Verwaltungsvollstreckung ist in Klausuren sehr beliebt. Arbeite aufgrund des Klausursachverhalts die Voraussetzungen der Vollstreckung sauber ab.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Dass die Rückbau-Verfügung sich später als rechtswidrig herausstellt, führt dazu, dass auch die Ersatzvornahme rückwirkend rechtswidrig wird.

Nein!

Der zu vollstreckende Verwaltungsakt (= Grundverwaltungsakt) muss nur bestandskräftig oder sofort vollziehbar, aber keinesfalls rechtmäßig sein! Der Sinn, dass Verwaltungsakte unanfechtbar werden, liegt gerade darin, dass Rechtssicherheit eintreten soll. Der Gedanke ist: Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, soll man auf die dauerhafte Wirksamkeit dieses Verwaltungsakts vertrauen dürfen. Hält der Adressat einen Verwaltungsakt für rechtswidrig, so kann er vor Bestandskraft rechtlich dagegen vorgehen (insbesondere mit Widerspruch und Anfechtungsklage). Tut er dies nicht rechtzeitig (§§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO) oder erfolglos, kann er sich später nicht mehr auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts berufen. Dieser Gedanke gilt auch im Rahmen des Verwaltungszwangs. Die Rechtswidrigkeit der Rückbau-Verfügung wirkt sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme aus.

3. Auch nichtige Verwaltungsakte können rechtmäßig im Rahmen des gestreckten Verfahrens vollstreckt werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Während es für eine rechtmäßige Vollstreckung nicht auf die Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts ankommt, gilt bei Nichtigkeit etwas anderes. Denn nichtige Verwaltungsakte können schon gar nicht bestandskräftig werden. Sie sind unwirksam (§ 43 Abs. 3 VwVfG). Ist ein Verwaltungsakt schon nicht gar nicht wirksam, so kann er auch nicht dauerhaft wirksam werden. Wäre die Rückbau-Verfügung nichtig, so würde es an einem bestandskräftigen Verwaltungsakt gem. § 6 Abs. 1 VwVG fehlen.

4. Der Grundverwaltungsakt war „nur“ rechtswidrig. Bleibt die von S veranlasste Ersatzvornahme im gestreckten Verfahren rechtmäßig?

Ja, in der Tat!

Im Rahmen des gestreckten Verfahrens (§ 6 Abs. 1 VwVG) kommt es nicht darauf an, ob der zu vollstreckende Grundverwaltungsakt rechtswidrig ist. Entscheidend ist lediglich, dass dieser unanfechtbar geworden oder sofort vollziehbar ist. Unanfechtbar bedeutet, dass der Verwaltungsakt dauerhaft rechtswirksam ist. Dies ist der Fall, wenn der Adressat den Verwaltungsakt nicht fristgemäß (§§ 70 Abs. 1 , 74 Abs. 1 VwGO) oder erfolglos angefochten hat. Ist ein Verwaltungsakt dagegen nichtig, war er nie wirksam und kann somit auch nicht dauerhaft wirksam werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Rückbau-Verfügung nicht „nur“ rechtswidrig, sondern auch nichtig ist. Daher ist von der dauerhaften Wirksamkeit – also der Bestandskraft – der Verfügung auszugehen. Du prüfst im gestreckten Verfahren niemals die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts, sondern lediglich die Unanfechtbarkeit!
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

NI

Nilson2503

5.10.2023, 14:20:40

Aber ich könnte im gestreckten Verfahren die potentielle Nichtigkeit des VA‘s prüfen müssen, oder?

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

7.12.2023, 12:35:44

Hi @[Nilson2503](175300) das musst du auf jeden Fall. Ein nichtiger VA kann (s. letzte Erklärung) nicht wirksam vollzogen werden

Major Tom(as)

Major Tom(as)

8.11.2024, 08:52:47

Liebes Jurafuchs-Team, ich persönlich habe es so gelernt, dass man jedes Mal problematisiert, ob eine Konnexität zwischen Grund-VA und Vollstreckungsmaßnahme vorliegen muss. Dies wird letzlich bei bestandskräftigen VAen damit begründet, dass der Adressat durch die vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten vor Eintritt der Bestandskraft ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, gegen die Anordnung vorzugehen. Bei noch anfechtbaren VAen wird darauf verwiesen, dass bei einer vorherig zu erfolgenden

Rechtmäßigkeit

sprüfung letzlich die Effektivität des Verwaltungshandelns bei zeitlichem Handlungsdruck gefährdet wäre. Ich weiß nicht, ob dies ein bayernspezifischer Aufbau ist, mir erscheint die Aussage "Prüfe niemals die Rechtswidrigkeit" jedoch dahingehend etwas "gefährlich", da man (jedenfalls bei uns) Punkte verliert, wenn dies nicht angesprochen wird. LG und danke euch für die Darstellungen!


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community

Weitere für Dich ausgwählte Fälle

Jurafuchs

Einführungsfall: Rechtmäßigkeit des Verwaltungszwangs

Antonia (A) stellt in ihrer Bäckerei illegal Dönerspieße her. Behörde B ordnet die Vernichtung der hergestellten Spieße innerhalb von zwei Wochen an und erklärt die Anordnung für sofort vollziehbar. Zudem droht B ein Zwangsgeld an, falls A der Anordnung nicht nachkommt.

Fall lesen

Jurafuchs

Erledigung des Grund-VAs durch Vollstreckung?

Behörde B erlässt einen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt gegenüber Y, indem B auch die Ersatzvornahme androht. Y erhebt die Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt. Noch bevor über die Klage entschieden wird, lässt B formell rechtmäßig die Ersatzvornahme durchführen und legt Y die Kosten auf.

Fall lesen

Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen