+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Fünf Freunde fahren zum See. H öffnet für S ein Bier. S entdeckt im Kronkorken den Gewinn eines Audi A3. Nach dem Wochenende teilen die fünf wie verabredet die Kosten für Ferienwohnung und Verpflegung. S beansprucht den A3 für sich allein.

Einordnung des Falls

Miteigentum an einem Gewinnspiel-Kronkorken

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. H hat seinen Miteigentumsanteil dadurch aufgegeben (§ 959 BGB), dass er den Kronkorken achtlos zwecks späterer Entsorgung auf den Tisch warf.

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Nein!

Die Aufgabe des Eigentums ist ein einseitiges Verfügungsgeschäft. Dafür muss der Verzichtswille eindeutig betätigt werden und der unmittelbare Besitz aufgegeben werden. Das LG Arnsberg verneinte die Besitzaufgabe. Der Korken habe sich noch in greifbarer Nähe befunden.

2. Die Miteigentumsgemeinschaft ist durch Realteilung (§ 752 BGB) beendet worden, indem S das Bier samt Kronkorken zugeteilt wurde.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Voraussetzung der Realteilung ist, dass sich ohne Wertminderung gleichartige, den Anteilen der Teilhabe entsprechende Teile bilden lassen. Die Durchführung der Teilung erfolgt durch Verfügungsgeschäft. Eine Übertragung des Eigentums am Gewinnkorken auf den S sei vorliegend "gerade nicht ersichtlich", so das LG Arnsberg.

3. Die fünf Freunde haben eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gebildet.

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine GbR entsteht, wenn die Beteiligten einen Gesellschaftsvertrag schließen, der darauf gerichtet ist, einen gemeinsamen Zweck zu erreichen und diesen durch vermögenswerte Leistungen zu fördern (§ 705 BGB). Das LG Arnsberg lehnte eine GbR ab: 1) Die Freunde hätten keine gemeinsame Kasse gebildet, sondern einen einmaligen Abrechnungsvorgang vereinbart. 2) Selbst wenn ein Gesellschaftsvertrag vorläge, wäre der Zweck nicht die Teilnahme am Gewinnspiel (anders als etwa bei Lottogemeinschaften), sondern ein Umtrunk gewesen. Unabhängig davon, ob man die GbR annimmt oder nicht, kommt ein Ausgleichs-/Schadensersatzanspruch also nicht in Betracht.

4. Die fünf Freunde waren Miteigentümer am Gewinnkorken.

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Ja!

Miteigentum entsteht durch Rechtsgeschäft, wenn der Eigentümer die Sache an mehrere Erwerber überträgt (bei beweglichen Sachen: §§ 929 ff. BGB). Die Übergabe erfolgt durch Mitbesitzverschaffung. Einer der Freunde hatte den Bierkasten samt Inhalt für die Gemeinschaft erworben. Das LG Arnsberg konnte komplizierte Eigentumsfragen bzgl. Bierkästen und Pfandflaschen offen lassen. Durch Trennung von Flasche und Korken sei jedenfalls Miteigentum am Kronkorken entstanden. Der Hersteller habe an der Rückführung des Korkens offensichtlich kein Interesse mehr.Teilweise wird argumentiert, dass der Hersteller das Eigentum nur an den übertragen wolle, der den Code entdecke, sodass nur S Eigentümer wäre (vgl. Oechsler/Myhaylova).

5. Wenn S den Gewinn für sich allein einlöst, verletzt er das Gebrauchsrecht der anderen Miteigentümer (§ 745 Abs. 2 BGB).

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Genau, so ist das!

Das Verhältnis der Miteigentümer untereinander regeln die §§ 741ff., 1009ff. BGB. Haben die Teilhaber Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands nicht geregelt, gilt § 745 Abs. 2 BGB. Danach kann jeder eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen. Danach hätte S den Gewinn allenfalls für die Gemeinschaft beanspruchen dürfen. Er muss nach §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB bzw. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB einen aus dieser Pflichtverletzung entstehenden Schaden ersetzen bzw. die Bereicherung herausgeben.

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ZA

Zavviny

22.9.2020, 09:22:48

Noch besser wäre es, wenn Ihr in der Antwort darauf hinweisen würdet, dass auch ein anderes Ergebnis vertretbar wäre.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.12.2021, 12:14:09

Vielen Dank für Deinen Hinweis, Zavviny. In der Tat kommen hier mit der entsprechenden Begründung auch andere Ergebnisse in Betracht. So könnte man hier die GbR auch mit dem Argument bejahen, dass die Freunde hier wechselseitig in Vorleistungen nicht unerheblicher Höhe getreten sind (Unterkunft/Benzin/Speisen/Getränke). Bejaht man trotz des Fehlens der gemeinsamen Kasse die GbR, so könnte man einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Beitragspflicht (§§ 280 Abs. 1, 705, 706 BGB) oder Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (§§ 280 Abs. 1 S. 1, 705, 241 Abs. 2 BGB) prüfen. Beide scheiden im Ergebnis aber aus, da S weder verpflichtet gewesen sein dürfte, den Kronkorken in die Gesellschaft einzubringen (§§ 280 Abs. 1, 705, 706 BGB) und damit insoweit seine Pflicht nicht verletzt hat. Auch eine Schutzpflichtverletzung könnte man mit dem Argument ablehnen, dass Gesellschaftszweck hier die Durchführung des Ausflugs und nicht die Teilnahme an dem Gewinnspiel war. Damit käme man hier insgesamt dazu, einen Anspruch zu verneinen. Auch mit Blick auf das Miteigentum werden teilweise andere Ergebnisse vertreten. Insoweit wird bereits bestritten, dass im Hinblick auf jeden einzelnen Gegenstand tatsächlich eine Bruchteilsgemeinschaft bestand. Im Fall der Trennung des Kronkorkens sei das Eigentum an diesem aber jedenfalls nicht auf alle fünf Freunde übertragen worden, sondern nur an den Gewinner. Denn nur an diesen richte sich die dingliche Einigung der Brauerei, die zuvor Eigentümerin der Flasche und des Kronkorkens war. Vertiefend hierzu: Oechsler/Mihaylova, Der Kronkorkenfall - Zu Gelegenheitsgesellschaft (§ 705 BGB), Auslobung (§ 657 BGB) und Inhabermarke (§ 807 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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