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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

H produziert Hemden. Schneider S hat schon mehrfach Hemdengeschäfte für H vermittelt. S schließt mit K einen Kaufvertrag in eigenem Namen über die Lieferung von Hemden und einigt sich über den Eigentumsübergang. Wie mit S abgesprochen, holt sich K die Hemden bei H ab. K verkauft die Hemden weiter.

Einordnung des Falls

Gutgläubiger Geheißerwerb

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. H hat gegen K einen Zahlungsanspruch aus Kaufvertrag (§ 433 Abs. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Zwischen H und K ist unmittelbar keine vertragliche Einigung zustande gekommen. Es kommt aber ein Vertragsschluss im Wege der Stellvertretung (§ 164 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung dessen ist (1) eine eigene Willenserklärung des Vertreters, (2) das Handeln des Vertreters im Namen des Vertretenen und (3) die Vertretungsmacht des Vertreters. S hat eine eigene Willenserklärung abgegeben. Allerdings handelte S nicht in Hs Namen (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB). S schloss ein Eigengeschäft ab (§ 164 Abs. 2 BGB). Eine wirksame Vertretung scheidet aus.

2. H hat sein Eigentum an den Hemden dadurch verloren, dass K diese nach § 929 S. 1 BGB erworben hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus, dass (1) eine dingliche Einigung vorliegt, (2) die Sache übergeben wurde, (3) Einigsein zum Zeitpunkt dieser Übergabe und (4) die Verfügungsberechtigung. Eine dingliche Einigung liegt vor. Zwischen Veräußerer S und Käufer K fand zwar direkt keine Übergabe statt. Die Hemden wurden aber mithilfe der Geheißperson H an K übergeben. S und K waren sich auch über den Eigentumserwerb zum Zeitpunkt der Übergabe einig. Allerdings war S nicht der Eigentümer der Hemden, sondern H. S fehlt somit die Verfügungsberechtigung. Dass H die Hemden nicht wirklich auf Geheiß des S übergibt, spielt nach hM keine Rolle. Maßgeblich ist die Sicht des Empfängers, also des Käufer K.

3. K hat das Eigentum aber im im Wege des gutgläubigen Geheißerwerbs erworben (§§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Voraussetzungen des gutgläubigen Geheißerwerbs entsprechen weitgehend denen des § 929 S. 1 BGB. An die Stelle der Verfügungsberechtigung treten die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs (Verkehrsgeschäft, guter Glaube des Erwerbers, kein Abhandenkommen). Der gute Glaube rechtfertigt sich zwar grundsätzlich durch den Besitz des Verfügenden (vgl. Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 BGB. An die Stelle des Besitzes tritt beim gutgläubigen Geheißerwerb die Besitzverschaffungsmacht des Verfügenden mittels der (Schein-)Geheißperson. Die Voraussetzungen des § 929 S. 1 BGB liegen bis auf die Verfügungsberechtigung vor. Es liegt ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts vor. S konnte K mittels H den Besitz an den Hemden verschaffen. K war insoweit zum Zeitpunkt der Übergabe in gutem Glauben an das Eigentum des S.

4. Steht H gegen K wegen der Veräußerung der Hemden ein Schadensersatzanspruch aus EBV zu (§§ 990 Abs. 1, 989 BGB)?

Nein!

Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs ist zunächst, dass im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV, §§ 985 f. BGB) vorliegt. K ist Eigentümer der Hemden geworden. Zu dem Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (Veräußerung der Hemden an Dritte durch K) hatte H sein Eigentum also bereits verloren. Damit liegt kein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vor und ein Anspruch aus EBV scheidet aus.

5. Hemdenfabrikbetreiber H hat gegen Hemdenkäufer K einen Anspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Leistungskondiktion setzt voraus, dass der Bereicherungsgläubiger etwas ohne rechtlichen Grund an den Bereicherungsschuldner geleistet hat. Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.Aus Sicht des (Zuwendungs-)Empfängers liegt eine Leistung des Schneiders S vor, nicht des H. S wollte durch die scheinbar veranlasste Herausgabe der Hemden durch H eine eigene Kaufvertragsschuld erfüllen. H ist aus Sicht des K nur Leistungsvermittler/Angewiesener/Geheißperson. Ein Anspruch scheidet also mangels Leistung des H aus.

6. K hat die Hemden an Dritte veräußert. Hemdenfabrikbetreiber H hat gegen Hemdenkäufer K einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist gegeben, wenn eine (1) Verfügung (2) eines Nichtberechtigten vorliegt. Diese Verfügung muss (3) gegenüber dem Berechtigten wirksam sein. Hierbei kann sich eine Wirksamkeit der Verfügung ausschließlich aus einem gutgläubigen Erwerb des Verfügungsempfängers (§§ 929 S. 1, 932 BGB) oder aus einer Genehmigung (§ 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB) der Verfügung durch den Berechtigten ergeben. Als K die Hemden an Dritte verkauft hat, hat K als Berechtigter verfügt. Schließlich hatte K zuvor gutgläubig Eigentum erworben. Der Anspruch scheidet also aus.

7. Hemdenfabrikbetreiber H hat gegen Hemdenkäufer K einen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Nein!

Voraussetzungen der Nichtleistungskondiktion sind, dass der Anspruchsgegner (Bereicherungsschuldner) (1) etwas , (2) in sonstiger Weise, also nicht durch Leistung, (3) ohne Rechtsgrund erlangt hat. K hat Eigentum auf Kosten des H (durch Eingriff) und ohne Rechtsgrund erlangt. Zur Ermittlung der Leistung ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. K hat die Hemden aus seiner Sicht durch Leistung des Schneider S erlangt. Diese vorrangige Leistungsbeziehung schließt eine Eingriffskondiktion aus. Ein Rückgriff auf K wäre nur nach den §§ 816, 822 BGB möglich, welche – wie oben gesehen – ausscheiden. Diese Subsidiarität entspricht auch den Wertungen aus §§ 932 ff., 816 BGB, § 366 HGB.

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Luisa

Luisa

27.8.2022, 15:17:21

Die Frage „Ein Schadensersatzanspruch aus 989, 990 scheidet aus“ wurde hier glaube ich fälschlich mit „Stimmt nicht“ beantwortet

DAN

Daniel

31.8.2022, 22:42:05

Das sehe ich auch so. Außerdem noch eine Frage: Eine mögliche dingliche Einigung zwischen H und K wird hier gar nicht näher thematisiert. Diese scheitert daran, dass sich K gar nicht H dinglich einigen wollte?

DAN

Daniel

31.8.2022, 22:46:01

Und der Fall ist zwar auch so schon Recht umfangreich für Jurafuchs-Verhältnisse, aber ich finde zur Abrundung könnte man (eventuell auch als nächster Fall) die Ansprüche prüfen, die H in dieser Konstellation gegen S hat

Nora Mommsen

Nora Mommsen

2.9.2022, 10:58:07

Hallo Luisa und Daniel, vielen Dank. Die Antwort wird jetzt wieder in der richtigen Variante angezeigt. Eine dingliche Einigung scheitert aus den gleichen Gründen aus denen auch ein vertraglicher Anspruch zwischen H und K ausscheidet. H selber hat keine Verabredung mit K getroffen und S hat nicht stellvertretend für ihn gehandelt, da er nicht im Namen des H gehandelt hat. Die dingliche Einigung unterliegt auch den Regeln der Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB. Wir überlegen mal, wie wir weitere Ansprüche noch einbauen oder ergänzen können. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

3.10.2022, 14:18:05

Irgendwie kommt hier die Frage nach dem Schadensersatzanspruch etwas aus dem Nichts, wenn vorher kein echtes Problem dargestellt wurde, welches ein Schadensersatzanspruch begründen würde, oder kommt mir das nur so vor?

Panthenola

Panthenola

6.10.2022, 10:01:52

Finde auch, dass der Fall nicht so ganz klar wird aus dem Sachverhalt.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.10.2022, 10:28:38

Vielen Dank für den Hinweis! Wir haben die abstrakte Einleitung nun rausgenommen, sodass es klarer wird, dass das schadensbegründende Ereignis allenfalls der Weiterverkauf der Hemden ist (und damit korrespondierend ein eventueller Eigentumsverlust des H). Da H aber bereits zuvor sein Eigentum an K verloren hat, fehlt es hier schon an einer

Vindikationslage

. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DO

Dominic

9.8.2023, 12:34:21

Bei der Frage, ob H sein Eigentum an den Hemden dadurch verloren hat, dass K diese nach § 929 S. 1 BGB erworben hat, wird in der Subsumtion nur gesagt, dass eine dingliche Einigung vorliegt. Vielleicht sollte man noch erläutern, dass diese Einigung zwischen S und K erfolgte und nicht zwischen H und K, bzw. warum zwischen H und K keine Einigung in Betracht kommt. Da der Sachverhalt nicht so viele Informationen gibt, könnte man denken, dass der H denkt, er handele aufgrund eines eigenen Kaufvertrages o.ä. und dass er selbst übereignen will (vgl. den Koks-Fall). Zwischen H und K scheidet aber eine Einigung aus, da K davon ausgeht, sich bereits mit S geeinigt zu haben und deshalb die Willenserklärung des H von einem objektiven Empfänger in der Situation des K nicht als Angebot zur Schließung eines auf Eigentumsübergang gerichteten (dinglichen) Vertrags verstanden wird.

EVA

evanici

14.9.2023, 18:18:02

Ich glaube, die Aufgabe könnte abgerundet werden mit Ansprüchen gegen S :)

ajboby90

ajboby90

13.12.2023, 14:04:36

Welche kämen da in Betracht? H kann ja nicht drauf sitzen bleiben.

NYE

NyelaPheles

14.1.2024, 22:27:48

Das fände ich auch sehr interessant.

Selma🌻

Selma🌻

21.2.2024, 22:41:35

816 käme in Betracht oder? S hat ja als Nichtberechtigter über die Hemden des H verfügt und die Verfügung war dem H gegenüber wirksam.

ajboby90

ajboby90

20.4.2024, 11:45:29

Ist das eine Verfügung durch S ?

PET

Petrus

12.10.2023, 08:54:37

Bei dem Verneinen der Nichtleistungskondiktion könnte man noch kurz daraufhinweisen, dass selbst wenn man den Vorrang der Leistungsbeziehungen verneinen würde eine solche ausscheidet. K hat Eigentum und Besitz an den Hemden nämlich nicht unmittelbar auf Kosten des H erlangt, weil auch insoweit ein

Geheißerwerb

vorlag und S zunächst (für eine juristische Sekunde) Eigentum erlangt hat. Es lag ein Fall des doppelten

Geheißerwerb

s vor (K als

Geheißperson

des S und dann H als

Geheißperson

des S).

ajboby90

ajboby90

23.11.2023, 00:55:46

Ich war überrascht dass überhaupt Ansprüche H gegen K abgefragt wurden. Denn H hätte doch die Hemden nicht übergeben müssen, wenn er dafür nichts bekommt. Deshalb ging ich davon aus dass S und H im Hintergrund eine Abmachung haben und H auch etwas erhalten hat.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

24.11.2023, 13:23:09

Hallo ajboby90, grundsätzlich kann man ja erstmal Ansprüche zwischen allen Beteiligten prüfen. Die andere Frage ist, ob ein Anspruch tatsächlich besteht. Vorliegend hat H die Hemden an K übergeben. Es ist also naheliegend, dass dieser auch eine Gegenleistung erhalten möchte. Der Fall des Schein

geheißerwerb

s ist kompliziert, wie man auch hier erkennen kann. Beim

Geheißerwerb

ist es so, dass oftmals schon mehrfach in der Vergangenheit eine Übergabe für einen Dritten bzw. aus Sicht des Verkäufers durch einen Dritten Hersteller o.ä. erfolgt ist. Dadurch entsteht ein Rechtsschein, wenn die tatsächlichen Rechtsverhältnisse sich ändern. Es ist also fraglich, wie und von wem der Übergebende, in diesem Fall der Hersteller, seine Gegenleistung/Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Dieses Problem sollte bekannt sein für die Klausuren! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

HAN

hannabuma

11.2.2024, 16:40:41

Vielleicht könnte man im Sachverhalt darauf hinweisen, dass zwischen S und H keinerlei Absprache bezüglich des Verkaufs an K erfolgte. Das hätte zumindest bei mir ein wenig die Verwirrung reduziert.

Paulah

Paulah

7.5.2024, 09:39:40

Hallo zusammen, gerade habe ich mir mühsam gemerkt, dass §

932 BGB

nur den guten Glauben an die Eigentümerstellung, aber nicht den an die Verfügungsberechtigung schützt. Nun steht hier, an die Stelle des Besitzes als Rechtsschein trete die Besitzverschaffungsmacht des Verfügenden mittels

Geheißperson

. Das wäre dann aber doch guter Glaube an die Verfügungsberechtigung. Wie löse ich den Knoten? Viele Grüße von Paula

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

7.5.2024, 10:34:35

Hallo Paula, richtig ist, dass der §

932 BGB

grds. nur den guten Glauben an die Eigentümerstellung schützt, jedoch nicht den Erwerber, der lediglich an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers glaubt. Es sind also Fälle gemeint, wo der Erwerber denkt: „Der Verkäufer ist zwar nicht der Eigentümer, aber er wird bestimmt die Befugnis haben, mir das trotzdem zu verkaufen.“ Hier könnte sich der Erwerber nicht auf § 932 berufen, da er gerade nicht an die Eigentümerstellung glaubt.  Beim gutgläubigen

Geheißerwerb

glaubt der Erwerber jedoch an die Eigentümerstellung des Verkäufers auf Grund des Rechtsscheintatbestands durch die Besitzverschaffungsmacht des Verfügenden. Grundsätzlich ist der Besitz einer beweglichen Sache der Rechtsscheintatbestand für die Eigentümerstellung (siehe § 1006 I BGB), jedoch hat die Rechtsprechung beim gutgläubigen

Geheißerwerb

entwickelt, dass der gutgläubige Erwerb auch an die Besitzverschaffungsmacht anknüpfen kann. Dies ist natürlich strittig und einen guten Überblick über den Streitstand findest Du in MüKoBGB/Oechsler, 9. Aufl. 2023, BGB § 932 Rn. 17. Beste Grüße, Max – für das Jurafuchs-Team

Paulah

Paulah

7.5.2024, 11:14:25

Danke, Maximilian! Jetzt ist der Groschen gefallen.

FAL

FalkTG

11.7.2024, 11:39:03

Hallo, wie bereits mehrfach angemerkt: Dass H davon ausging selbst einen Kaufvertrag mit K zu haben muss in den Sachverhalt. Man entnimmt dies sonst nur aus dem Bild/Kontext.


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