Anstiftung zur eigenen Tötung

3. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A bittet den T eindringlich, ihn zu töten. T folgt der Entscheidung des A, die dieser mit freien Willen getätigt hat, und gibt einen gezielten Schuss auf A ab. Durch Zufall überlebt der A.

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Einordnung des Falls

Anstiftung zur eigenen Tötung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch der Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

Ja!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Die Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) ist ein Vergehen. In § 216 Abs. 2 StGB ist jedoch die Versuchsstrafbarkeit angeordnet.
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2. T hat sich wegen versuchter Tötung auf Verlangen (§§ 216 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Genau, so ist das!

Der Taterfolg blieb aus und der Versuch ist strafbar. T hatte vorbehaltlosen Tatentschluss hinsichtlich einer Tötung auf Verlangen und zudem hatte er auch bereits unmittelbar zur Tat angesetzt, indem er auf A geschossen hat. Ein Rücktritt vom Versuch ist nicht ersichtlich.

3. A hat sich wegen Anstiftung zu einer versuchten Tötung auf Verlangen (§§ 216 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1, 26 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das trifft nicht zu!

Anstiftung (§ 26 StGB) setzt (1) eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat, (2) eine taugliche Teilnehmerhandlung (Bestimmen zur Haupttat) und (3) den "doppelten Teilnehmervorsatz" (bezüglich der Haupttat und dem Bestimmen) voraus sowie (4) rechtswidriges und schuldhaftes Handeln des Anstifters. Die Strafbarkeit einer Anstiftung zu einer versuchten Tötung auf Verlangen wäre nicht mit der Wertung des Gesetzgebers vereinbar, der gerade den Suizidenten nicht als Täter bestraft. Mithin kann er "erst recht" nicht als Teilnehmer bestraft werden. Daher ist ist die vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG verfassungskonform auszulegen und eine taugliche Haupttat mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht zu verneinen. Aufgrund der Wertung des Gesetzgebers fehlt es an der tauglichen Haupttat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TR

Tr(u)mpeltier

24.6.2020, 21:43:54

Der Sachverhalt ist hier zwar etwas dünn, aber bei lebensnaher Auslegung muss man hier eigentlich zum Rücktritt kommen. Der Fall funktioniert dann ja immer noch, denn der persönliche

Strafaufhebungsgrund

des Rücktritt wirkt sich nicht auf die Strafbarkeit des Teilnehmers aus. Denn hierfür bedarf es lediglich einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat. D.h., das Problem, dass er hier für seine eigene Tötung zur Rechenschaft gezogen würde, was mit dem straffreien Suizid unvereinbar wäre, bliebe erhalten.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

25.6.2020, 00:10:43

Naja, es steht da nichts zur benutzten Schusswaffe. Wenn die nur (noch) einen Schuss hatte (und T das wusste), wäre es ein Fehlschlag und eben Rücktritt (-). Wäre aber mit Rücktritt sicher examensrelevanter.

Justinian

Justinian

18.10.2023, 10:22:07

Liebes Jurafuchs Team Ich verstehe das Ergebnis nicht, weshalb der Suizident nicht gleichzeitig Anstifter sein kann noch nicht ganz. Denn wird der Suizident nicht deshalb nicht bestraft, weil er in der Regel tot ist? Dass der Suizident eine Mitschuld trägt ergibt sich doch daraus, dass der Strafrahmen des §216 deutlich geringer ist als bspw bei §212. Daher ist es doch vielmehr ist es unbillig denjenigen, der den Entschluss im Täter gesetzt und ihn eindringlich darum gebeten hat nicht zu bestrafen.

SE.

se.si.sc

18.10.2023, 11:06:09

Gute Frage! Zunächst mal dürfte eine erhebliche Anzahl der Suizidversuche gerade nicht erfolgreich sein. Hier lebt das "Opfer" also noch, strafbar ist es natürlich nach deutschem Recht dennoch nicht. In Betracht käme ohnehin nur ein Versuch, das StGB verlangt für eine Strafbarkeit aber stets die Tötung eines anderen, nicht von sich selbst. Das "Opfer" ist also selbst dann straffrei, wenn der Suizid nicht "erfolgreich" ist, also nicht zum Tod führt. Eine "Mitschuld" iRd § 216 StGB, wie du es nennst, ergibt sich daraus nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Privilegierung (!) für den Täter, die auf dem einwilligungsähnlichen Verlangen des "Opfers" beruht (MüKo-StGB, § 216 Rn 1). Theoretisch könnte man danach an eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur versuchten Tötung auf Verlangen durchaus denken. IE soll das "Opfer" hier aber dennoch straffrei sein. Die Anstiftungshandlung des Opfers ist nämlich zwingendes Kriterium der Tötung auf Verlangen (sog notwendige Teilnahme). Es bedarf ja gerade des ausdrücklichen und ernstlichen Verlangens des "Opfers", damit die Privilegierung des § 216 StGB überhaupt greift. Mit anderen Worten ist ein "Bestimmen" nach § 216 StGB gar nicht möglich, ohne gleichzeitig den Tatbestand der Anstiftung zu erfüllen - das soll nicht sein und war wohl auch gesetzgeberisch nicht gewollt, deswegen bleibt das "Opfer" straffrei (Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 216 Rn 7 mwN).

TUBAT

TubaTheo

8.6.2024, 19:35:10

Wie steht es um eine vollendete

gefährliche Körperverletzung

durch A? Hier käme ja nur eine rechtfertigende Einwilligung in Betracht, die meiner Meinung nach aber gegen die guten Sitten verstößt (eine versuchte Tötung ist eben nicht sittlich), womit die Tat i.S.d. § 228 StGB nicht gerechtfertigt ist. Wie stehen die Normen dann zueinander im Verhältnis? Ich glaube, diese Frage ist allgemein auch bei einer vollendeten Tötung auf Verlangen sinnig. Hat § 216 dann auch eine Sperrwirkung gegenüber den §§ 223, 224? Weil nach § 224 kann ja sogar eine Strafe bis zu 10 Jahren verhängt werden (und nicht nur bis zu 5 Jahren wie bei § 216).


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