Feststellungsklage 5 - Abgrenzung zur Gestaltungsklage


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B verklagt K auf Zahlung von €50.000. K verliert den Prozess, verzichtet auf eine Berufung und zahlt direkt im Anschluss €50.000 an B. B beauftragt dennoch Gerichtsvollzieher G, der den Porsche des K pfändet. K möchte gegen die Pfändung vorgehen. Er erhebt eine Feststellungsklage.

Einordnung des Falls

Feststellungsklage 5 - Abgrenzung zur Gestaltungsklage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Entspricht es dem rechtlichen Interesse des K, das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festzustellen (§ 256 Abs. 1 ZPO)?

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Nein!

Die Feststellungsklage dient dazu, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder die (Un-)Echtheit einer Urkunde gerichtlich festzustellen.Vorliegend jedoch ist das Interesse des K darauf gerichtet, dass B die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungstitel nicht mehr betreiben darf. Für einen solchen Fall ist die Vollstreckungsgegenklage des § 767 ZPO einschlägig.Dabei handelt es sich um eine Gestaltungsklage, die durch Urteil ein bestehendes Rechtsverhältnis unmittelbar verändert. Mit Eintritt der Rechtshängigkeit tritt diese Rechtsänderung ein und somit ist das Urteil einer Gestaltungsklage nicht vollstreckungsbedürftig.

2. Vorliegend ist die Feststellungklage unzulässig und das Gericht wird sie abweisen.

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Nein, das ist nicht der Fall!

K hat fälschlicherweise die Feststellung beantragt, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig ist. Im Wege der Auslegung des Klageantrags analog §§ 133, 157 BGB kann in diesem Antrag die Erhebung der prozessualen Gestaltungsklage des § 767 Abs. 1 ZPO gesehen werden. Damit ist die Klage zulässig.

3. Hat K mit dieser Klage Erfolg, wird die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil für unzulässig erklärt.

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Ja, in der Tat!

Mit Rechtskraft des Urteils wird die Zwangsvollstreckung unzulässig.Bei einer erfolgreichen prozessualen Gestaltungsklage kann der Tenor wie folgt lauten: „Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des (…) vom (…) wird für unzulässig erklärt.“Mehr zum Zwangsvollstreckungsrecht in der Einheit ZPO II/ZVR-Klausur.

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DP

Der Paragraf

16.2.2022, 16:00:18

Ist der Antrag der K nicht sehr wohl (auch) auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet, nämlich darauf, dass ein Anspruch nach § 362 BGB erloschen ist? Dass natürlich trotzdem nicht § 256, sondern § 767 ZPO statthaft ist, ändert doch nichts daran, dass K eine Feststellung begehrt. Gerade deshalb wird ja auch umgedeutet.

VI

Victor

16.2.2022, 18:55:02

Er möchte laut SV eindeutig gegen die ZV/Pf ändung vorgehen. Daher sind die ZV-Rechtsbehelfe vorrangig einschlägig. Er begehrt, dass die Vollstreckung für insgesamt unzulässig erklärt wird. Dieses Vorgehen ist eindeutig rechtsschutzintensiver. Der Feststellungsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis und wäre unzulässig. Das ist nicht im Interesse des Klägers.

DP

Der Paragraf

16.2.2022, 19:51:19

Dass 767 vorrangig ist und K das Rechtsschutzinteresse fehlt, habe ich nicht bestritten. Das ändert aber nichts, dass ihr Antrag materiell ein Antrag auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses ist. Und danach wird in der Aufgabe gefragt.

DP

Der Paragraf

16.2.2022, 19:51:35

nichts daran*

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.2.2022, 12:34:27

Danke euch beiden. Um hier Missverständnisse zu vermeiden, haben wir den Sachverhalt und die erste Frage insoweit etwas umgebaut, dass nun noch stärker das Interesse des K im Fokus steht und weniger, was er tatsächlich beantragt. Ich hoffe, damit wird es nun klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Larzed

Larzed

28.1.2023, 10:15:16

Gilt die Auslegung des Antrags also auch in einem Anwaltsprozess? Das zugrundeliegende Leistungsurteil wird ja von einem LG gesprochen worden sein.

Dogu

Dogu

29.10.2023, 11:22:25

Das habe ich mich auch gefragt.

GE

Geithombre

17.11.2023, 08:20:56

Die Frage kam bei uns in der AG auch mal auf und es hieß lapidar, dass eine Auslegung auch im Anwaltsprozess stattfinde. Die richterliche Hinweispflicht des § 139 II ZPO gilt auch im Anwaltsprozess, man liest ja oft in Schriftsätzen etwas in Richtung "...ggf. wird um richterlichen Hinweis gebeten". Zu der eigentlichen Frage hat der VGH München (Beschluss v. 10.12.2018 – 11 CS 18.2480) entschieden "Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrags anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht". Die Gedanken dürften sicherlich auch im Zivilprozess tragen, so dass diese Argumentation an der Stelle den Korrektor sicherlich überzeugen dürfte. Falls nicht auch egal, es dürfte zumindest nicht falsch sein, ob es das gewünschte Ergebnis darstellt dürfte dann eine Frage der Klausurtaktik sein 😉


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