Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2021
Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf rutschige Treppe zum Watt?
Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf rutschige Treppe zum Watt?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Tourist T besucht die öffentliche „Familienlagune Perlebucht“ der Stadt B. Dort führt eine Betontreppe, die B von Fachplanerin F hat errichten lassen, ins Wattenmeer. Als T eine unter Wasser liegende Stufe betritt, rutscht er aus und bricht sich das Bein.
Diesen Fall lösen 84,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf rutschige Treppe zum Watt?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T verlangt Schadensersatz von B. Als Anspruchsgrundlage kommt § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB setzt in diesem Fall voraus, dass B eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.
Genau, so ist das!
3. B trifft eine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Betontreppe.
Ja, in der Tat!
4. B hat ihre Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Betontreppe verletzt.
Nein!
5. T kann von B Schadensersatz verlangen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
phiob
8.10.2021, 14:13:53
Könnte man den Fall vllt etwas genauer formulieren? Also z.B. ob das Geländr auch bis ins Wasser geht?
Lukas_Mengestu
8.10.2021, 15:45:15
Hallo phiob, um unsere Sachverhalte möglichst knapp zu halten, sehen die Illustrationen bei uns nicht nur schön aus, sondern dienen auch dazu, den Sachverhalt zu ergänzen. In der
Tatliegt der Fall hier also so, dass das Geländer bis ganz nach unten reichte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Alfa_Fox
8.11.2021, 19:17:57
Könnte man die Verkehrssicherungspflicht hier nicht weiter auffassen? Am Wattenmeer herrschen doch Gezeiten, dadurch liegt die besagte untere Stufe vermutlich nur bei Niedrigwasser frei und bei Hochwasser wird sie dann überspült, woraus letztlich die Stufe erst rutschig wird. Hätte hier nicht zB ein Warnschild erforderlich sein können? Zumindest Ortsunkundige dürften von der rutschigen Stufe ziemlich überrascht werden. Gerade bei der Bezeichnung „Familienlagune“ liegt es doch nahe, dass sich diese Einrichtung zumindest auch an Touristen wendet, die mit den Besonderheiten des Wattenmeers (Tidenhub) nicht vertraut sind. Daher könnte doch das zusätzliche Aufstellen eines entsprechenden Warnschildes bzgl. Ausrutschgefahr zumutbar gewesen sein, um der Verkehrssicherungspflicht gerecht zu werden.
Lukas_Mengestu
9.11.2021, 10:29:12
Hallo Alfa_Fox, vielen Dank für diese super Anmerkungen. Völlig richtig ist, dass auch hier der Umfang der Verkehrssicherungspflichten eine Wertungsfrage ist und vom
Einzelfallabhängt. Das OLG und das LG haben die ständige Rechtsprechung des BGH angeführt, dass der Verkehrssicherungspflichtige nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen soll, sondern nur solchen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen und vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind. Das OLG und das LG sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass die Gefahr hier hinreichend erkennbar für Dritte war und insofern die Verkehrssicherungspflicht nicht bestand. Das kann man aber natürlich auch anders sehen und mit deinen Argumenten hier die Erkennbarkeit verneinen und damit im Ergebnis eine umfangreichere Verkehrssicherungspflicht annehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
annkat.tt
8.2.2022, 13:26:49
Lukas_Mengestu
8.2.2022, 14:46:01
Hallo annkat.tt, vielen Dank für die Frage. Im Hinblick auf einen Anspruch gegen B wäre ein Vertrag mit Schutzwirkung Dritter (VSD) fernliegend. Denn der Vertrag zwischen B und F war darauf gerichtet, dass F die Betontreppe errichtet. B selbst hatte mit der Ausführung nichts zu tun. Denkbar wäre insofern aber ein Anspruch gegen F, wenn die Voraussetzungen der VSD (
Leistungsnähe,
Gläubigernähe, Erkennbarkeit, Schutzbedürftigkeit) vorliegen und die weiteren Schadensersatzvoraussetzungen (pflichtwidriges Handeln,
Vertretenmüssen, Schaden) vorliegen. Hierfür fehlt es im Sachverhalt indes an Informationen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team