Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

Allgemeiner Teil

Stoß aus dem zweiten Stock – Tötungsvorsatz? (BGH, Beschl. v. 19.06.2024 – 6 StR 340/24)

Stoß aus dem zweiten Stock – Tötungsvorsatz? (BGH, Beschl. v. 19.06.2024 – 6 StR 340/24)

22. Februar 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Content-Note: Der Sachverhalt enthält transfeindliche Verhaltensweisen.
T, O und U nehmen in Us Wohnung Drogen. U und T flirten. Später teilt O T mit, dass U transgender ist. T ist wütend, dass O ihn nicht „früher aufgeklärt hat“, ergreift O und stößt ihn wuchtvoll gegen den halb offenen Rollladen, der bricht. O stürzt mehrere Stockwerke hinab auf den Gehweg, aber überlebt. ‌

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Einordnung des Falls

Stoß aus dem zweiten Stock – Tötungsvorsatz? (BGH, Beschl. v. 19.06.2024 – 6 StR 340/24)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T den O gegen den halb offenen Rollladen stieß, könnte er sich wegen versuchten Totschlags strafbar gemacht haben (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Dies setzt voraus: (1) Strafbarkeit des Versuchs und Nichtvollendung (2) Tatentschluss, den O zu töten (3) Unmittelbares Ansetzen (4) Rechtswidrigkeit (5) Schuld (6) Kein Rücktritt.
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2. T müsste zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben. Ist es nach allen Ansichten Voraussetzung, dass dafür ein voluntatives Element vorliegen muss?

Nein, das trifft nicht zu!

Aus dem Sachverhalt geht nicht eindeutig hervor, ob T den O töten wollte. In diesen Fällen musst Du Dich mit der Frage beschäftigen, ob der Täter mit bedingtem Vorsatz oder er „nur“ fahrlässig handelte. Bei der Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit besteht insoweit Einigkeit, als dass man den Vorsatz nur dann bejahen kann, wenn der Täter mit Wissen bezüglich der Tatbestandsverwirklichung handelt (kognitives Element). Das ergibt sich aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Ob darüber hinaus ein voluntatives Element („Wollen“) für eine vorsätzliche Begehung erforderlich ist, ist umstritten. Nach der Möglichkeitstheorie liegt bedingter Vorsatz bereits vor, wenn der Täter die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt und dennoch handelt. Ein voluntatives Vorsatzelement ist nicht erforderlich. Gegen die teilweise in der Literatur vertretene Möglichkeitstheorie spricht, dass der Verzicht auf das voluntative Element zu einer Vorsatzbereichsausdehnung führt. Die Kriterien der Möglichkeitstheorie sind zur Grenzziehung besonders unsicher und unpraktikabel.

3. Um Eventualvorsatz und bewusste Fahrlässigkeit voneinander abzugrenzen, ist nach der h.M. auch ein voluntatives Element erforderlich.

Ja!

Die h.M. nimmt die Abgrenzung Vorsatz / bewusste Fahrlässigkeit anhand des voluntativen Elements vor. Der Täter hat bedingten Vorsatz, wenn er den Erfolg ernsthaft für möglich hält und sich mit ihm abfindet (Ernstnahmetheorie der h.L.) bzw. den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt (Billigungstheorie der Rspr). Er handelt bewusst fahrlässig, wenn er mit dem als möglich erkannten Erfolg nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, dass er nicht eintritt. Für das Erfordernis eines voluntativen Elements spricht, dass der Unterschied zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit sich nur über das Willenselement erklären und rechtfertigen lässt.

4. Ts Handlungen waren objektiv derart gefährlich, dass auf das Vorliegen des Wissenselement geschlossen werden kann.

Genau, so ist das!

Nach dem BGH ist in jedem Einzelfall eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich. Wissens- und Wollenselement müssen getrennt geprüft werden und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Dazu gehören die konkrete Tatsituation und die Angriffsweise, die Lage und Abwehrmöglichkeiten des Opfers, die psychische Verfassung des Täters, seine kognitive Erfassung der Gefahr sowie seine Motivation (RdNr. 5). T hat den O wuchtvoll gegen den halb offenen Rollladen gestoßen. Dabei liegt nahe, dass der Rollladen bei wuchtvollen Stößen zerbricht und die andere Person aus dem Fenster stürzt. Ein Sturz über mehrere Stockwerke ist besonders gefährlich und kann zum Todeseintritt führen. Dies konnte T erkennen. Damit lag das Wissenselement bei ihm vor.

5. Bei besonders gefährlichen Handlungen kann man immer darauf schließen, dass auch das Wollenselement bei dem Täter vorlag.

Nein, das trifft nicht zu!

Allein aus der Kenntnis der Gefährlichkeit einer Handlung kann nicht ohne weiteres auf eine billigende Inkaufnahme des Todes geschlossen werden (RdNr. 7). Man muss die Umstände des Einzelfalles betrachten (RdNr. 7). Die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes ist nur dann rechtsfehlerfrei, wenn auch die Umstände einbezogen werden, die den Vorsatz in Frage stellen. Bei spontanen, unüberlegten oder in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus der Kenntnis der objektiven Gefahr nicht ohne weiteres auf das voluntative Vorsatzelement geschlossen werden (RdNr 8). Der BGH verwies zurück an das LG, da dieses Ts alkoholbedingte Enthemmung nicht als Möglichkeit zur Entkräftung des Vorsatzes beachtet hatte (RdNr. 11). Prüfe das objektive und subjektive Element getrennt und schließe aus der besonderen Gefährlichkeit nicht auf die billigende Inkaufnahme des Todes.

6. Weil T sauer auf O war und diesen bestrafen wollte, hatte er ein Tötungsmotiv. Kann man allein daraus schließen, dass T Os Tod billigend in Kauf nahm?

Nein!

Zu der Würdigung des Willenselements gehört zwar durchaus die Motivation des Täters. Da aber mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter regelmäßig kein Tötungsmotiv haben, kommt dem jeweiligen Handlungsantrieb nur insoweit Bedeutung zu, als dieser Rückschlüsse auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen zulässt (RdNr. 9; vgl. auch BGH, Urt. v. 26. Juni 2024 – 6 StR 71/24). Der BGH verwies daher zur neuen tatgerichtlichen Verhandlung und Entscheidung zurück an das LG. T hat den O in alkoholisiertem Zustand und im Affekt gegen den halb offenen Rollladen gestoßen. Allein daraus, dass er O bestrafen wollte, kann nicht auf eine billigende Inkaufnahme des Todes des O geschlossen werden. Damit hat sich T nicht gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Wegen der Zurückverweisung prüft der BGH im Originalfall keine weiteren Delikte. Wir prüfen den Fall im folgenden aber zu Ende (entsprechend einer Klausurlösung im ersten Examen).

7. Angenommen, T nahm zumindest billigend in Kauf, dass O auf den asphaltierten Gehweg prallte und schlimme Kopfverletzungen erlitt. Hat T sich nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht?

Genau, so ist das!

Eine Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) setzt eine körperlichen Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung voraus. Wann eine Behandlung lebensgefährdend i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, ist umstritten. Nach Ansicht der Rspr. und h.L. meint § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB eine Begehungsweise, die nach den Umständen des konkreten Falles, wie der Art, Dauer und Stärke der Einwirkung objektiv generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen (= abstrakte Lebensgefahr). Ein Teil der Literatur verlangt hingegen, dass das Opfer durch die Tat in eine tatsächliche Lebensgefahr gekommen ist, die Begehungsweise also konkret lebensgefährlich war. Durch das Stoßen ist O auf den Asphalt gefallen und hat Verletzungen erlitten (= Gesundheitsschädigung, § 223 Abs. 1 StGB). Ein Sturz auf dem Fenster über mehrere Stockwerke mit anschließendem Aufprallen des Kopfes auf Asphalt ist bereits konkret lebensgefährlich. Ein Streitentscheid kann damit dahinstehen. Da T Os Verletzungen billigend in Kauf nahm, handelte er auch vorsätzlich. Mangels Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen hat T sich nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht.

8. Nach dem Sturz kann O nur noch eingeschränkt sprechen und laufen. Kommt damit auch eine Strafbarkeit des T nach § 226 StGB in Betracht?

Ja, in der Tat!

§ 226 Abs. 1 StGB erfasst als erfolgsqualifiziertes Delikt (§ 18 StGB) den Fall einer vollendeten vorsätzlichen Körperverletzung (Grunddelikt), mit der wenigstens fahrlässig eine der in Nr. 1-3 beschriebenen schweren Folgen herbeigeführt wurde. § 226 Abs. 1 StGB erfasst auch leichtfertiges und bedingt vorsätzliches Handeln. Handelt der Täter mit Blick auf die schwere Folge absichtlich oder wissentlich, greift § 226 Abs. 2 StGB. (I) Tatbestandsmäßigkeit (1) Grunddelikt § 223 StGB (a) Objektiver Tatbestand des § 223 StGB (b) Subjektiver Tatbestand (2) Qualifikation des § 226 StGB (a) Eintritt einer der in Nr. 1 – 3 genannten Folgen (b) Kausalität zwischen Körperverletzung und Folge (c) Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang (d) Fahrlässigkeitsvorwurf hinsichtlich der Folge, § 18 StGB (II) Rechtswidrigkeit (III) Schuld (insb. subjektiver Fahrlässigkeitsvorwurf bzgl. schwerer Folge)

9. O verlor infolge des Sturzes dauerhaft sein Sprechvermögen. Würde es für eine Strafbarkeit nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch ausreichen, dass das Sprechvermögen nur für einige Wochen vermindert ist?

Nein!

Der Verlust des Sprechvermögens ist der Verlust der Fähigkeit zu artikuliertem Reden. Das besondere Unrecht der schweren Körperverletzung resultiert daraus, dass die schwere Folge (unbestimmt) langwierig sein muss. Dies ergibt sich z.B. aus den Worten „verlieren“ (Nr. 1 und 2) und „dauernd“ (Nr. 2 und 3). Das Opfer muss mit der schweren Folge unabsehbar lange weiterleben. Das bedeutet: Die schwere Folge ist nur dann langwierig, wenn sie keine Beseitigung erfährt und der Tod des Opfers weder bereits eingetreten noch absehbar ist. O konnte nach dem Sturz dauerhaft nicht mehr reden. Er verlor mithin dauerhaft sein Sprechvermögen, sodass die schwere Folge des § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB (unproblematisch) eingetreten ist. In der Klausur musst du vorher noch kurz feststellen, dass T den Grundtatbestand (§ 223 Abs. 1 StGB) objektiv und subjektiv erfüllt hat.

10. O hat zwar kein Glied verloren, allerdings kann er seine Beine nicht mehr benutzen. Ist damit auch die schwere Folge aus § 226 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB eingetreten?

Genau, so ist das!

Nach der engsten Ansicht sind Glieder nur äußerliche Körperteile, die eine in sich abgeschlossene Existenz mit besonderer Funktion im Gesamtorganismus haben und mit dem Körper durch ein Gelenk verbunden sind (z.B. Arme, Hände, Finger(-glieder), Beine). Nach a.A. sind auch Nase, Ohr(-muschel) und äußere Genitalien erfasst. Die Wichtigkeit des Gliedes bestimmt sich nach seiner generellen Bedeutung für den Gesamtorganismus. Wesentliche Körperfunktionen müssen beeinträchtigt sein. Ein Glied ist nicht mehr gebrauchsfähig, wenn so viele Funktionen des Glieds ausgefallen sind, dass es nicht mehr bestimmungsgemäß eingesetzt werden kann. Dauernd meint die endgültige oder chronische Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit für einen unbestimmt langwierigen Zeitraum. Beine sind auch nach der engsten Ansicht Glieder. O konnte nicht mehr laufen, sodass seine Beine dauerhaft nicht mehr gebrauchsfähig waren.

11. Neben §§ 226 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Alt. 2 StGB liegt auch § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Lähmung) vor.

Ja, in der Tat!

Lähmung ist die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit eines Körperteils, die den ganzen Körper in Mitleidenschaft zieht. Das Verfallen in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung setzt einen lang andauernden (chronischen), den Gesamtorganismus erheblich beeinträchtigenden Krankheitszustand voraus, dessen Beseitigung sich zurzeit nicht absehen lässt. O konnte nach dem Sturz dauerhaft nicht mehr laufen. Die Beseitigung dieses Zustands ist nicht absehbar. Damit ist O in eine Lähmung verfallen. Der Begriff der geistigen Behinderung wird zunehmend kritisiert. In Art. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention wird z.B. nicht allein auf die individuelle Person abgestellt, sondern eine Behinderung in Wechselwirkung mit Barrieren zur gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft definiert.

12. Die Körperverletzung des T ist kausal für die bei O eingetretenen schweren Folgen.

Ja!

Kausalität liegt nach der conditio-sine-qua-non-Formel vor, wenn die Handlung des Täters nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Hätte T den O nicht gegen den halb offenen Rollladen gestoßen, wäre O nicht aus dem Fenster auf den Gehweg gestürzt und hätte nicht seine Sprech- und Lauffähigkeit verloren. Ts Körperverletzung war kausal für die eingetretenen schweren Folgen.

13. In Os eingeschränkter Sprech- und Lauffähigkeit als schwerer Folgen müsste sich zudem gerade die spezifische Gefährlichkeit der Körperverletzung als Grunddelikt verwirklicht haben (= besonderer Gefahrzusammenhang).

Genau, so ist das!

Erfolgsqualifikationen beruhen auf der gesetzgeberischen Überlegung, dass aus der Verknüpfung von zwei Unrechtselementen ein deutlich höheres Unrecht entsteht. Vor diesem Hintergrund besteht Einigkeit, dass ein Kausalzusammenhang i.S.d. Äquivalenztheorie nicht ausreicht, um eine enge Verknüpfung feststellen zu können. Nach der Rspr. muss sich in der schweren Folge gerade die in der Grunddeliktsbegehung liegende „eigentümliche tatbestandsspezifische Gefahr“ verwirklichen (sog. grunddeliktischer Gefahrzusammenhang). Bei Stürzen über mehrere Stockwerke auf einen asphaltierten Gehweg besteht die Gefahr, dass erhebliche Verletzungen entstehen und dadurch wichtige Körperfunktionen eingeschränkt werden. Im Verlust des Sprech- und Laufvermögens hat sich gerade die eigentümliche tatbestandsspezifische Gefahr verwirklicht, die bei einer Körperverletzung in Form eines Sturzes aus einem Fenster besteht.

14. Handelte T in Bezug auf die schweren Folgen objektiv fahrlässig (§ 18 StGB)?

Ja, in der Tat!

Die Fahrlässigkeit bestimmt sich nach der objektiven, im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bei objektiver Vorhersehbarkeit der Folge. Die Außerachtlassung der Sorgfalt liegt regelmäßig in der Verwirklichung des Grunddelikts. T hat eine einfache Körperverletzung (Grunddelikt) begangen. Es ist auch vorhersehbar, dass Personen, die über mehrere Stockwerke auf einen harten Untergrund stürzen, schwere Verletzungen davontragen und mitunter das Sprech- und Gehvermögen verlieren. T handelte fahrlässig. Beachte, dass Erfolgsqualifikationen nach § 11 Abs. 2 StGB auch Vorsatztaten sind. Damit sind Erfolgsqualifikationen teilnahmefähige Vorsatztaten, sodass auch etwa eine Anstiftung zu einem erfolgsqualifizierten Delikt möglich ist.

15. T hat auch rechtswidrig und schuldhaft, insbesondere subjektiv fahrlässig bezüglich der schweren Folge gehandelt.

Ja!

Bei der subjektiven Sorgfaltspflichtwidrigkeit kommt es darauf an, dass der Täter aufgrund seiner individuellen Fähigkeiten in der Lage war, die Sorgfaltspflichtwidrigkeit in seiner Handlung und den vorhersehbaren Eintritt der schweren Folge zu erkennen. Die subjektive Sorgfaltspflichtwidrigkeit prüfst Du in der Schuld. Mangels entgegenstehender Hinweise ist anzunehmen, dass T die Fähigkeit besaß, die Sorgfaltspflichtverletzung und die schwere Folge zu erkennen. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Damit hat sich T nach § 226 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 StGB strafbar gemacht. Bei Eintritt mehrerer schwerer Folgen i.S.d. § 226 StGB liegt nur eine einheitliche Tat vor. Achte jedoch darauf, dass das Konkurrenzverhältnis zwischen § 224 StGB und § 226 StGB nicht einheitlich bestimmt wird, sondern unterschiedlich je nach den einzelnen Qualifikationen. Insbesondere bei Konkurrenzfragen hilft der Blick in den Kommentar, jeweils am Ende der Kommentierung des jeweiligen Delikts.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW

FW

11.2.2025, 00:17:07

Krank, dass der man jemanden wegen so unbedeutsamer Gründe aus dem 6. Stock stoßen darf, sein Leben für den Rest des Lebens zerstören kann und nach 4 Jahren wieder auf freiem Fuß ist. Ist doch ein absoluter Witz als Geschädigter.

TI

Timurso

11.2.2025, 23:52:09

Wie kommst du auf den 6. Stock? Die Wohnung lag im zweiten Obergeschoss. Außerdem: Das

Urteil

wurde aufgehoben, es steht demzufolge noch nicht fest, welche Strafe der Täter bekommen wird. Zudem hat das Opfer auch umfangreiche zivilrechtliche Ansprüche, die wegen

vorsätzlich

er Verletzung auch nicht der Rest

schuld

befreiung unterliegen. Der Täter kommt daher zwar nach einiger Zeit wieder frei, aber damit ist die Sache für ihn noch lange nicht vorbei. Vielmehr wird er dem Opfer wohl lange Zeit eine Geldrente zahlen müssen, um es zu entschädigen.

FW

FW

11.2.2025, 23:58:20

@@[Timurso](197555) meinte 6m. War etwas spät als ich die Nachricht geschrieben hab. Ja, das zivilrechtlich der Täter umfangreiche zivilrechtliche Ansprüche hat ändert aber nichts am Unwert der Tat. Wenn dieser jetzt sehr viel Vermögen hat, dann hat das nicht wirklich große negative Auswirkung für ihn. Und wenn er kaum Vermögen hat, ist sowieso nicht viel zu holen. In beiden Fällen für das Opfer ziemlich unfair. Außerdem muss man doch auch die negative Vorbildwirkung berücksichtigen. Warum sollten Menschen Angst haben solche schwerwiegenden Straftaten zu begehen, wenn sie doch nach 4 Jahren wieder auf freiem Fuß sind?

TI

Timurso

12.2.2025, 00:01:17

@[FW](139488) ich finde es schwierig, rein aus dem Sachverhalt die Strafzumessung zu kritisieren. Dafür sind so viele Kriterien maßgeblich, die weder hier noch im BGH-

Urteil

wiedergegeben werden. Möglicherweise fand beispielsweise ein Täter-Opfer-Ausgleich statt und das Opfer hat dem Täter verziehen und ist nicht an einer Bestrafung interessiert. Wir wissen es nicht und daher können wir auch nicht bewerten, ob die Strafe tat- und

schuld

angemessen ist, oder nicht.

TI

Timurso

12.2.2025, 00:03:14

Außerdem machen sich die wenigsten in solchen Situationen, gerade wenn Alkohol und Drogen im Spiel sind, über die Konsequenzen ihres Verhaltens Gedanken. Und selbst wenn, ich wette auch 4 Jahre Gefängnis ist den meisten eine solche Tat nicht wert und wäre geeignet, sie abzuschrecken.

FW

FW

12.2.2025, 10:05:05

@[Timurso](197555) Hinsichtlich der Strafzumessung wegen Täter-Opfer Ausgleich stimme ich Dir voll zu. Möglicherweise war das der Grund für die geringe Strafe. Das man den Alkohol- oder Drogenrausch mitberücksichtigen muss auch auf jeden Fall. Aber das 4 Jahre abschrecken sollen, weiß ich nicht ganz. 4 Jahre sind jetzt nicht die Welt und in deutschen Gefängnissen lebt es sich jetzt nicht soooo schlecht. Außerdem muss man berücksichtigen: beim Raub, wo der Täter seine Waffe verwendet - d.h. ausreichend wäre ein einfacher nicht lebensbedrohender Stich ins Bein zwecks Ermöglichen der

Wegnahme

- ist die Mindestfreiheitsstrafe schon 5 Jahre. Jetzt vergleich das mal mit den 4 Jahren hier.

TI

Timurso

12.2.2025, 10:24:24

@[FW](139488) man kann die gesetzliche Mindeststrafe eben nur schwer mit dem Ergebnis der Strafzumessung vergleichen, wenn vorliegend mindestens eine, realistischerweise wenigstens beim versuchten Totschlag mehrere

Strafmilderung

en nach § 49 StGB auf Ebene der Strafzumessung in Betracht kommen. Mit zwei

Strafmilderung

en für Rausch und Versuch bliebe auch in deinem Beispiel beim Raub nur eine Mindeststrafe von sechs Monaten übrig. Im Verhältnis dazu wären vier Jahre nicht gerade wenig. Aber ich bleibe allgemein dabei, dass wir das nicht konkret bewerten können, ohne die vollständigen Strafzumessungskriterien zu kennen. Wir wissen ja beispielsweise nicht mal, ob das Gericht hier von einer, zwei oder drei

Strafmilderung

en (bspw. eben noch § 46a StGB) ausging.

M***** K******

M***** K******

11.2.2025, 13:40:24

Wieso gibt es an dieser Stelle einen "Content-Note" und was bezweckt dieser? Habe sonst nirgends einen solchen bisher gesehen, weder bei Fällen mit sexuellen Übergriffen, Rassismus oder sonst Fällen mit möglicherweise "kritischen" Themen.

Major Tom(as)

Major Tom(as)

11.2.2025, 15:55:38

Naja, der Fall ist neu eingefügt und mittlerweile hat man vermutlich bei Jurafuchs die Guidelines dahingehend angepasst und sensibilisiert :) Das wird sicher auch noch kommen, aber hier laufen Veränderungen doch immer langsam von einem Gebiet in das andere.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

12.2.2025, 08:44:52

Hey ihr beiden, es ist genau, wie @[Major Tom(as)](258980) sagt: Die Content Notes haben wir neu eingeführt, damit User*innen sich bewusst für oder gegen die Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt entscheiden können oder zumindest etwas darauf „vorbereitet“ sind. Unsere vielen Inhalte nachträglich mit dieser Note zu versehen, ist leider sehr zeitaufwendig und wir werden das daher nicht von heute auf morgen umsetzen können. Es liegt uns aber sehr am Herzen, unsere Inhalte noch sensibler zu gestalten und wir sind – wie ihr seht – dabei, das immer stärker zu tun. Danke für eure Geduld! Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team


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