Zivilrecht

Sachenrecht

Erwerb und Verlust von Grundstücksrechten

Gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung – Bewilligung durch Nichtberechtigten

Gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung – Bewilligung durch Nichtberechtigten

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K und V schließen einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über ein Grundstück. V bewilligt K zudem eine Vormerkung, die in das Grundbuch eingetragen wird. Tatsächlich ist V nicht Eigentümer des Grundstücks, auch wenn ihn das Grundbuch als solchen ausweist. K ist gutgläubig.

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Einordnung des Falls

Gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung – Bewilligung durch Nichtberechtigten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Erwerb einer Vormerkung nach §§ 883, 885 BGB setzt unter anderem voraus, dass der Besteller berechtigt und verfügungsbefugt ist. Konnte V wirksam eine Vormerkung nach §§ 883, 885 BGB zu Gunsten des K bestellen?

Nein!

Die wirksame Entstehung einer Vormerkung (Ersterwerb) setzt voraus: (1) Bestehen eines wirksamen schuldrechtlichen, vormerkungsfähigen Anspruchs (§ 883 Abs. 1 BGB), (2) Bewilligung des Betroffenen oder einstweilige Verfügung (§ 885 Abs. 1 S. 1 BGB), (3) Eintragung in das Grundbuch (§ 883 Abs. 1 BGB), (4) Berechtigung des Bestellers (§ 885 Abs. 1 S. 1 BGB). Berechtigt ist der Eigentümer (vgl. § 903 BGB), der keiner Verfügungsbeschränkung (z.B. im Fall der Insolvenz, § 80 Abs. 1 InsO) unterliegt oder der kraft Gesetzes oder durch Hoheitsakt Verfügungsberechtigte oder ein Dritter, der mit Einwilligung des Verfügungsberechtigten handelt (§ 185 BGB). Zwar besteht ein vormerkungsfähiger Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB, auch liegt eine Bewilligung des V vor und die Vormerkung wurde zugunsten des K ins Grundbuch eingetragen. Jedoch fehlt es an der Berechtigung des V, da dieser nicht der tatsächliche Eigentümer des Grundstücks ist. K hat von V nicht nach §§ 883, 885 BGB eine Vormerkung erworben.
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2. Die Vormerkung soll den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks sichern. Ermöglicht § 892 Abs. 1 S. 1 BGB somit in direkter Anwendung einen gutgläubigen Erwerb einer Vormerkung?

Nein, das ist nicht der Fall!

Vergewissere Dich immer, worauf sich der gute Glaube des Erwerbers bezieht: Denn der gutgläubige Ersterwerb der Vormerkung betrifft (nur) die Frage der Bewilligung der Vormerkung durch einen Nichtberechtigten, der zu Unrecht ins Grundbuch als Berechtigter eingetragen ist. Nach § 892 Abs. 1 S. 1 BGB bewirkt der öffentliche Glaube des Grundbuchs, dass der gutgläubige Erwerber das Recht so erwirbt, als ob die im Grundbuch eingetragene Rechtslage die wirkliche Rechtslage wäre. Voraussetzung für die direkte Anwendung des § 892 BGB ist jedoch, dass es um den Erwerb eines Rechts an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Recht geht. Die Vormerkung ist kein Recht am Grundstück, sondern sichert lediglich einen Anspruch auf das Grundstück. Deswegen findet § 892 Abs. 1 S. 1 BGB keine direkte Anwendung. K konnte die Vormerkung also nicht direkt nach § 892 BGB gutgläubig erwerben.

3. Nach allgemeiner Auffassung muss aber auch der gutläubige Erwerber einer Vormerkung geschützt sein. Könnte ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung durch K nach §§ 893 Alt. 2 (analog), 892 BGB in Betracht kommen?

Ja, in der Tat!

Ein gutgläubiger Ersterwerb einer rechtsgeschäftlich bewilligten Vormerkung ist nach allgemeiner Meinung möglich. Nur die Begründungen gehen auseinander: Teilweise wird in der Vormerkungsbestellung eine Belastung des Grundstücks und daher eine Verfügung i.S.d. § 893 Alt. 2 BGB gesehen, sodass § 893 Alt. 2 BGB direkte Anwendung findet. Andere wenden § 893 Alt. 2 BGB analog an. Wieder andere begründen die Anwendung der §§ 892, 893 BGB mit der vergleichbaren Interessenlage hinsichtlich des Vertrauens auf den Rechtsschein des Grundbuchs. Da alle genannten Ansichten zum gleichen Ergebnis kommen, kannst Du die Entscheidung in der Klausur offen lassen.

4. Der gutgläubige Erwerb der Vormerkung gemäß §§ 893 Alt. 2 (analog), 892 BGB setzt zunächst voraus, dass ein vormerkungsfähiger Anspruch besteht. Fehlt es hier bereits an dieser Voraussetzung?

Nein!

Der gutgläubige Ersterwerb der Vormerkung setzt voraus: (1) Bestehen eines wirksamen schuldrechtlichen, vormerkungsfähigen Anspruchs (§ 883 Abs. 1 BGB), (2) Bewilligung der Vormerkung (§ 885 Abs. 1 S. 1 BGB), (3) Eintragung ins Grundbuch (§ 883 Abs. 1 BGB), (4) Fehlende Berechtigung des Bewilligenden (§ 885 Abs. 1 S. 1 BGB) (5) Rechtsgeschäftlicher Erwerb des Anspruchs durch ein Verkehrsgeschäft (§§ 893 Alt. 2 (analog), 892 BGB), (6) Gutgläubigkeit des Erwerbers hinsichtlich der Berechtigung des Bewilligenden, (7) Unrichtigkeit des Grundbuchs und Legitimation des Bewilligenden daraus, (8) Keine Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs Diese Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere hat K die Vormerkung durch Vs Bewilligung rechtsgeschäftlich erworben. Auch war K im Zeitpunkt des Eintragungsantrags der Vormerkung gutgläubig hinsichtlich Vs Berechtigung. V wurde überdies durch das Grundbuch als Berechtigter legitimiert und es war kein Widerspruch eingetragen. K hat somit die Vormerkung gutgläubig von V nach §§ 893 Alt. 2 (analog), 892 BGB erworben.
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