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Käuferanfechtung (§ 119 II) vor Gefahrübergang

Käuferanfechtung (§ 119 II) vor Gefahrübergang

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Kunstsammler K kauft bei Galerist G ein mit „Picasso“ unterzeichnetes Gemälde für €10.000. Das Bild soll einen Monat später geliefert werden. In Wahrheit ist das Bild nicht von Picasso, sondern eine schlechte Nachahmung, was G nicht wusste und K grob fahrlässig nicht erkannt hatte.

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Einordnung des Falls

Käuferanfechtung (§ 119 II) vor Gefahrübergang

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Weil K dachte, das sei von Picasso gemalt, irrte er über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (§ 119 Abs. 2 BGB).

Ja!

Der Eigenschaftsirrtum berechtigt zur Anfechtung, wenn der Erklärende über verkehrswesentliche Eigenschaften der Sache irrt (§ 119 Abs. 2 BGB). Eigenschaften einer Sache sind alle wertbildenden Faktoren. Sie sind verkehrswesentlich, wenn sie von der Verkehrsanschauung oder der Parteienabrede als wesentlich anzusehen sind. Der Urheber und die Authentizität eines Gemäldes hat maßgebliche Bedeutung auf dessen Wertschätzung und ist somit eine verkehrswesentliche Eigenschaft.
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2. K könnte seine Willenserklärung wegen Eigenschaftsirrtums anfechten, weil es noch nicht zum Gefahrübergang (§ 446f. BGB) gekommen ist.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach hM ist die Anfechtung des Käufers wegen eines Eigenschaftsirrtums ausgeschlossen, wenn der Irrtum eine verkehrswesentliche Eigenschaft betrifft, deren Fehlen gleichzeitig einen (potenziellen) Sachmangel begründet (§§ 434f. BGB). Die §§ 437 ff. BGB enthalten insoweit eine abschließende Sonderregelung. Dies gilt nach hM auch bereits für den Zeitraum vor Gefahrübergang, weil auch schon dann kaufrechtliche Sonderregeln umgangen werden könnten. Sonst könnte sich etwa der Käufer auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis vom Mangel vom Kaufvertrag lösen (entgegen § 442 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Rechte des Käufers können vor der Übergabe aber nicht weiter gehen als danach.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LO

Lottii

9.6.2022, 16:04:39

Würde ich bei solchen Fall, dann ein Rücktritt nach Schuldrecht AT abgewickelt werden oder müsste man dann einen Rücktritt über das Kaufrecht regeln? Allerdings kam es ja noch nicht zu einem nach § 434 I BGB geforderten

Gefahrübergang

, wie wird das dann gehabt? Danke schon mal :)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.7.2022, 16:48:44

Hallo pia-maria, genauso ist es! Vor

Gefahrübergang

ist Schuldrecht AT anzuwenden. Das Kaufgewährleistungsrecht ist erst ab

Gefahrübergang

spezieller. §§ 119 ff. BGB werden vorher schon verdrängt, weil das Kaufrecht spezieller ist. Unter anderem soll das Recht zur zweiten

Andienung

des Verkäufers geschützt werden. Allein § 123 BGB bleibt mangels Schutzwürdigkeit des Verkäufers anwendbar, ist im vorliegenden Fall aber nicht einschlägig mangels Kenntnis des G. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

lexspecialia

lexspecialia

3.9.2023, 09:46:34

Ich glaube die Antwort ist falsch: denn es hat noch kein

gefahrübergang

stattgefunden. Eine Anfechtung nach §119 II scheidet nur aus wenn dem Käufer Mängelrechte aus dem Kaufvertrag zu stehen, um dem Verkäufer die Möglichkeit einer Nachbesserung zu ermöglichen ( Recht zu zweiten Chance). Aber hier bestand diese Gefahr noch nicht. Vor

Gefahrübergang

stehen dem Käufer eben noch keine Mängelrechte zu. Deshalb kann er meines Wissens auch nach §119 II BGB anfechten.

lexspecialia

lexspecialia

3.9.2023, 09:50:24

Oder besteht hier womöglich eine Ausnahme weil der Käufer grob fahrlässig geirrt hat ?

CR7

CR7

19.10.2023, 11:18:25

Ich sehe das ähnlich. Ich würde hier vom Sinn und Zweck des

Gefahrübergang

s gedacht auch so argumentieren. Das sieht auch die FU Berlin so (https://www.jura.fu-berlin.de/studium/lehrplan/projekte/netjura/zivilrecht/BGB_AT/d/IV_rechtsfolgen/1329.html). Letztlich ist es eine Frage des Sachverhalts und der Schutzwürdigkeit des Käufers, ob man hier § 119 II vor GÜ oder nach GÜ für unanwendbar erklärt. Im Aufsatz von Tonikidis wird es nochmal genauer behandelt (https://www.zjs-online.com/dat/artikel/2014_3_803.pdf).

kaan00

kaan00

29.1.2024, 11:48:03

Nicht falsch aber eben stetig, also a.A. gut vertretbar! Aus dem MüKO (s. Fundstellen a.E. des Falles) "Streit besteht darüber, ob das zum Vorrang der

Sachmängelansprüche

Gesagte auch vor

Gefahrübergang

gelten soll. Für dieses Stadium greifen die §§ 434 ff. ihrem Wortlaut nach nicht ein, so dass wegen mangelnder Konkurrenz zwischen Abs. 2 und §§ 434 ff. die Anfechtung offen zu stehen scheint.67 Diese Sichtweise ist abzulehnen, weil sich dann der Käufer entgegen § 442 Abs. 1 S. 2 auch bei grober Fahrlässigkeit vom Kaufvertrag lösen könnte. Ist aber die Haftung des Verkäufers bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers von dem Mangel ausgeschlossen, so können die Rechte des Käufers vor der Übergabe nicht weiter gehen als danach."

JEN

jenny24

10.7.2024, 09:19:43

Gibt es hier keine Rechtsprechung?


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