Käuferanfechtung (§ 119 II) vor Gefahrübergang
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Kunstsammler K kauft bei Galerist G ein mit „Picasso“ unterzeichnetes Gemälde für €10.000. Das Bild soll einen Monat später geliefert werden. In Wahrheit ist das Bild nicht von Picasso, sondern eine schlechte Nachahmung, was G nicht wusste und K grob fahrlässig nicht erkannt hatte.
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Einordnung des Falls
Käuferanfechtung (§ 119 II) vor Gefahrübergang
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Weil K dachte, das sei von Picasso gemalt, irrte er über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (§ 119 Abs. 2 BGB).
Ja!
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2. K könnte seine Willenserklärung wegen Eigenschaftsirrtums anfechten, weil es noch nicht zum Gefahrübergang (§ 446f. BGB) gekommen ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Lottii
9.6.2022, 16:04:39
Würde ich bei solchen Fall, dann ein Rücktritt nach Schuldrecht AT abgewickelt werden oder müsste man dann einen Rücktritt über das Kaufrecht regeln? Allerdings kam es ja noch nicht zu einem nach § 434 I BGB geforderten Gefahrübergang, wie wird das dann gehabt? Danke schon mal :)
Nora Mommsen
4.7.2022, 16:48:44
Hallo pia-maria, genauso ist es! Vor Gefahrübergang ist Schuldrecht AT anzuwenden. Das Kaufgewährleistungsrecht ist erst ab Gefahrübergang spezieller. §§ 119 ff. BGB werden vorher schon verdrängt, weil das Kaufrecht spezieller ist. Unter anderem soll das Recht zur zweiten Andienung des Verkäufers geschützt werden. Allein § 123 BGB bleibt mangels Schutzwürdigkeit des Verkäufers anwendbar, ist im vorliegenden Fall aber nicht einschlägig mangels Kenntnis des G. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
lexspecialia
3.9.2023, 09:46:34
Ich glaube die Antwort ist falsch: denn es hat noch kein gefahrübergang stattgefunden. Eine Anfechtung nach §119 II scheidet nur aus wenn dem Käufer
Mängelrechteaus dem Kaufvertrag zu stehen, um dem Verkäufer die Möglichkeit einer Nachbesserung zu ermöglichen ( Recht zu zweiten Chance). Aber hier bestand diese Gefahr noch nicht. Vor Gefahrübergang stehen dem Käufer eben noch keine
Mängelrechtezu. Deshalb kann er meines Wissens auch nach §119 II BGB anfechten.
lexspecialia
3.9.2023, 09:50:24
Oder besteht hier womöglich eine Ausnahme weil der Käufer grob fahrlässig geirrt hat ?
CR7
19.10.2023, 11:18:25
Ich sehe das ähnlich. Ich würde hier vom Sinn und Zweck des Gefahrübergangs gedacht auch so argumentieren. Das sieht auch die FU Berlin so (https://www.jura.fu-berlin.de/studium/lehrplan/projekte/netjura/zivilrecht/BGB_AT/d/IV_rechtsfolgen/1329.html). Letztlich ist es eine Frage des Sachverhalts und der Schutzwürdigkeit des Käufers, ob man hier § 119 II vor GÜ oder nach GÜ für unanwendbar erklärt. Im Aufsatz von Tonikidis wird es nochmal genauer behandelt (https://www.zjs-online.com/dat/artikel/2014_3_803.pdf).
kaan00
29.1.2024, 11:48:03
Nicht falsch aber eben stetig, also a.A. gut vertretbar! Aus dem MüKO (s. Fundstellen a.E. des Falles) "Streit besteht darüber, ob das zum Vorrang der Sachmängelansprüche Gesagte auch vor Gefahrübergang gelten soll. Für dieses Stadium greifen die §§ 434 ff. ihrem
Wortlautnach nicht ein, so dass wegen mangelnder Konkurrenz zwischen Abs. 2 und §§ 434 ff. die Anfechtung offen zu stehen scheint.67 Diese Sichtweise ist abzulehnen, weil sich dann der Käufer entgegen § 442 Abs. 1 S. 2 auch bei grober Fahrlässigkeit vom Kaufvertrag lösen könnte. Ist aber die Haftung des Verkäufers bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers von dem Mangel ausgeschlossen, so können die Rechte des Käufers vor der Übergabe nicht weiter gehen als danach."
jenny24
10.7.2024, 09:19:43
Gibt es hier keine Rechtsprechung?