+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Faulpelz F hatte nie die Energie aufgebracht, sich um ein Haus auf seinem Grundstück zu kümmern. Ihm kommt die geniale Idee, dass er auch einen Wohnwagen dort aufstellen und einfach dauerhaft darin wohnen kann. Nachbarin N findet das so nicht in Ordnung.

Einordnung des Falls

Abwandlung 4: bauliche Anlage, da dauerhaft ortsfest genutzt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ob ein Vorhaben Gegenstand eines Baugenehmigungsverfahrens wird und einer Baugenehmigung bedarf, hängt zunächst davon ab, ob es sich um eine bauliche Anlage handelt.

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Ja!

Der Begriff der baulichen Anlage ist ein zentraler Grundbegriff des öffentlichen Baurechts. Ob ein Bauherr für sein Vorhaben eine Genehmigung benötigt, hängt vom Vorhaben ab und bestimmt sich nach dem Bauordnungsrecht der jeweiligen Landesbauordnung. Diese regelt das baurechtliche Verfahren. Grundvoraussetzung für die Anwendung der Landesbauordnung ist jedoch das Vorliegen einer baulichen Anlage (z.B. § 1 Abs. 1 S. 1 BauO Bln, § 1 Abs. 1 LBO BW, Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayBO). Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen (legaldefiniert zu Beginn jeder BauO).

2. Der dauerhaft aufgestellte Wohnwagen des F ist eine bauliche Anlage. Der Anwendungsbereich des Baurechts ist eröffnet - mit der Folge, dass V möglicherweise eine Baugenehmigung benötigt.

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Genau, so ist das!

Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Bauliche Anlagen in diesem Sinne sind auch Anlagen, die nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt sind, überwiegend ortsfest benutzt zu werden (z.B. § 2 Abs. 1 S. 2 LBO BW; § 2 Abs. 2 S. 2 Var. 3 HBO). F hat den Wohnwagen mit dem Ziel aufgestellt, darin dauerhaft zu wohnen. Damit ist der Wohnwagen nach seinem Verwendungszweck dazu bestimmt, überwiegend ortsfest benutzt zu werden ist, und mithin eine bauliche Anlage.

3. Auch solche Anlagen, die nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt sind, überwiegend ortsfest benutzt zu werden, sind bauliche Anlagen i.S.d. Bauordnungsrechts.

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Ja!

Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen (legaldefiniert zu Beginn jeder BauO). Darunter sind nicht nur Anlagen zu verstehen, die fest mit dem Erdboden - etwa durch Fundament - mit dem Boden verbunden sind. Bauliche Anlagen in diesem Sinne sind auch Anlagen, die nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt sind, überwiegend ortsfest benutzt zu werden (z.B. § 2 Abs. 1 S. 2 LBO BW; § 2 Abs. 1 Halbs. 2 BauO Bln; § 2 Abs. 1 S. 2 BauO NRW; § 2 Abs. 2 S. 2 Var. 3 HBO). Der Grund für dieses Begriffsverständnis liegt darin, dass die gefahrenabwehrrechtlichen Ziele des Bauordnungsrechts auch Relevanz beanspruchen für überwiegend ortsfest genutzte Anlagen.

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Isabell

Isabell

28.7.2021, 08:45:01

Hätte man hier nicht bereits die Definition einer baulichen Anlage anpassen müssen? Als aller erstes wird ja die Verbundenheit mit dem Erdboden genannt. Dass ist bei einem Wohnwagen ja nicht so eindeutig und in der Subsumtion wird das mit keinem Wort erwähnt. Das finde ich unglücklich und hätte in der Prüfung damit meine Bedenken.

VI

Victor

31.7.2021, 08:40:53

In wie fern meinst du denn die Definition anpassen? Und zu allererst wird doch auch der Prüfungsmaßstab erwähnt. Zudem wird m.M. nach schon auf die Dauerhaftigkeit und die feste Verbundenheit mit dem Boden eingegangen.

JO

jomolino

2.8.2021, 16:40:27

Die Frage habe ich mir auch gestellt. Wo liegt denn bei einem Wohnwagen die feste Verbundenheit mit dem Boden? Das sind sie doch von Natur aus gerade nicht…

Isabell

Isabell

2.8.2021, 17:21:26

Außer bei Dauercamping. Da wird der Anhänger oft umgrenzt. Wobei auch das nicht unbedingt fest mit dem Boden verbunden sein muss.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

3.12.2021, 18:36:46

Hallo ihr lieben, danke für eure Fragen und die Diskussion. Bauliche Anlagen im Sinne des Bauordnungsrechts sind nach den Bauordnungen auch solche Anlagen, die nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt sind, ortsfest benutzt zu werden (z.B. § 2 Abs. 1 S. 2 LBO BW; § 2 Abs. 1 Halbs 2 BauO Bln; § 2 Abs. 1 S. 2 BauO NRW). Der Grund dafür: Aus Perspektiv des Bauordnungsrechts macht es keinen Unterschied, ob eine Anlage fest mit dem Boden verbunden ist oder nicht, solange sie jedenfalls faktisch ortsfest ist. Das war auch bislang in der Aufgabe so dargestellt, aber wir haben noch eine Antwort als Zwischenschritt eingezogen, um diesen Aspekt klarer nachvollziehbar zu machen. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

ME

Moritz Ehler

7.12.2021, 18:00:08

Können auch die Normen des hessischen Baurechts genannt werden?

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

7.12.2021, 18:54:20

Hallo Moritz Ehler, danke für deine Frage. Wir fügen bei diesen Fällen eine Auswahl der einschlägigen Normen der Landesbauordnungen ein und wechseln unter den Bauordnungen durch. Sorry, dass hier die Hessische Bauordnung (HBO) zu kurz gekommen ist. Die relevante Vorschrift ist § 2 Abs. 2 S. 2 Var. 3 HBO. Wir haben sie auch in die Aufgabe aufgenommen. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

WA

wasabi

17.4.2023, 08:45:47

Was sind denn Bauprodukte? Dass der Campingwagen aus Bauprodukten bestehen soll klingt für mich im ersten Moment nicht sehr schlüssig.

SE

se.si.sc

17.4.2023, 10:44:58

Eine Definition des Begriffs "Bauprodukte" findet sich idR in den jweiligen Landesbauordnungen, in NRW zB § 2 XI BauO NRW, in Hessen in § 2 XIII HBO, die unter anderem auf eine einschlägige EU-VO verweisen. Du darfst dich hier jedenfalls nicht zu sehr auf den Begriff des "Baus" versteifen, der sich zunächst nach "in irgendeiner Form mit dem Boden fest verbundenem Gebäude" anhört. Da die jeweiligen LandesBauO aber sagen, dass unter den Begriff der baulichen Anlage eben auch Anlagen fallen, die überwiegend ortsfest genutzt werden (wie zB der Wohnwagen in unserem Fall), muss man den Begriff der Bauprodukte dementsprechend modifizieren und darunter im Wohnwagenfall alles das verstehen, was (am Beispiel von § 2 XI Nr 1 BauO NRW, Art 2 I VO 305/2011 (EU)) hergestellt wird, um dauerhaft IN DEN WOHNWAGEN oder Teile davon eingebaut zu werden - und das kann ziemlich viel sein, sofern nicht von vornherein feststeht, dass es zeitnah wieder ausgebaut werden soll.

RO

Rozaa

9.8.2023, 18:15:59

Sachsen: § 2 Abs. I S. 2 SächsBO.

ZT

Zin Ti

1.9.2023, 13:06:31

Bayern: Art. 2 Abs. 1 S. 3 BayBO


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