Gewitterfall: Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos (Risikoerhöhung)


leicht

Diesen Fall lösen 78,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M ist seines pubertären Stiefsohnes S (12 Jahre) überdrüssig. Er setzt ihn bei starkem Gewitter in der Sächsischen Schweiz zum Klettern aus. Der Ort ist - wie M weiß - besonders für Blitzschläge bekannt. S wird beim Klettern vom Blitz erschlagen.

Einordnung des Falls

Gewitterfall: Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos (Risikoerhöhung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M ist der Tod des S objektiv zuzurechnen.

Ja, in der Tat!

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter (1) eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen und (2) sich genau diese Gefahr im Erfolg realisiert hat.Indem M den S während eines Gewitters an einem für Blitzschläge besonders gefährdeten Bereich ausgesetzt hat, hat er eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen, die sich auch im Tod des S realisiert hat. Anders als in dem Fall, in dem der Täter das Opfer zu einem Gewitterspaziergang überredet, hat M den S nicht lediglich einem allgemeinen Lebensrisiko ausgesetzt. M hat die Gefahr des Eintritts eines allgemeinen Lebensrisikos deutlich erhöht und damit eine eigene Gefahr geschaffen.

Jurafuchs kostenlos testen


LH

L. H.

3.2.2021, 08:33:19

Kann hier zusätzlich für die Frage nach der objektiven Zurechnung noch erwägt werden, dass M gegenüber S eventuell eine Beschützergarantenstellung inne hat?

Vulpes

Vulpes

3.3.2021, 23:01:03

Hallo L. H. ✌️ Die Beschützergarantenstellung ist meines Wissens nach nur im Rahmen der unechten Unterlassungsdelikte gem. § 13 StGB relevant. Im Rahmen der objektiven Zurechenbarkeit spielt sie aber glaube ich keine Rolle.

LEN

Lenny

20.6.2021, 21:27:31

Hallo zusammen, ich bin (mal wieder) etwas durcheinander und habe eine Frage: Kommt in solchen Fällen eine eigenverantwortliche Sebstschädigung in Betracht, wenn der Täter (nach dem Vorbild der Selbstschädigung in mittelbarer Täterschaft) über ein relevantes Sonderwissen verfügt? Ist das richtig? Oder geht es hier nur rein um das erlaubte Risiko? Vielen Dank schonmal für die Hilfe 😊

Marilena

Marilena

13.7.2021, 09:19:52

Hallo Lenny, vielen Dank für die interessante Frage, guter Gedanke! Wenn S hier wüsste, dass der Ort besonders für Blitzschläge bekannt ist (relevantes Sonderwissen) und trotz dieses Wissens unbedingt zum Zeitpunkt eines starken Gewitters hier klettern möchte und sich von M hinfahren lässt, liegt eine eigenverantwortliche Selbstschädigung nahe. Nicht eigenverantwortlich handeln aber z.B. Kinder, Geisteskranke, Volltrunkene. Wenn S 5 Jahre alt wäre, käme eine eigenverantwortliche Selbstschädigung nicht in Betracht. Ich hoffe das hilft Dir weiter? Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena

Fuller at H(e)art

Fuller at H(e)art

3.4.2022, 19:34:04

Ob sich hier die durch M geschaffene Gefahr auch im Tod des S realisiert hat, erscheint mir unter dem Gesichtspunkt einer - möglichen - eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zweifelhaft. Auch ein Pubertierender sollte m.E. in der Lage seien, die von Klettern bei starkem Gewitter ausgehenden Gefahren einzuschätzen. Ohne genauere Angaben (insbesondere zum Alter - die Pubertät reicht laut Wikipedia von 12-18 Jahren) lässt sich das aber kaum abschließen beurteilen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.4.2022, 13:22:44

Vielen Dank für Deinen Hinweis, Hermann. Wir haben den Sachverhalt nun im Sachverhalt präzisiert, dass S gerade erst 12 Jahre alt ist - dadurch sollte es noch deutlicher werden. Ausweislich des Sachverhaltes bestehe in der sächsischen Schweiz zudem ein erhöhtes Risiko für Blitzeinschläge. Dass S hiervon Kenntnis hatte, lässt sich dem Sachverhalt dagegen nicht entnehmen. Eine

eigenverantwortliche Selbstgefährdung

würde hier insofern an Ms Sonderwissen scheitern. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DRU

Drunkengamer

11.7.2024, 22:01:34

erfüllt der Stiefvater nicht den objektiven Tatbestand des 221 STGB und schafft schon dadurch an sich ein rechtlich missbilligtes Risiko?

TI

Timurso

12.7.2024, 10:29:22

Das dürfte ein Zirkelschluss sein. Damit er den objektiven Tatbestand von § 221 StGB erfüllt, müsste ihm die konkrete Gefahr ja ebenfalls objektiv zurechenbar sein, was hier aber gerade fraglich ist.


© Jurafuchs 2024