Vorzeitiger Deckungskauf
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Autohändler A bestellt bei Hersteller H einen Porsche 911 zum einmalig günstigen Preis von €50.000, lieferbar zum 1.3. Als H am 1.3. nicht liefert, setzt A ihm eine Frist bis zum 10.3. Schon am 5.3. kauft A anderswo den gleichen Porsche zum Marktpreis von €100.000, um einen seiner Kunden zu beliefern. Am 9.3. liefert H; A will die Mehrkosten ersetzt haben.
Einordnung des Falls
Vorzeitiger Deckungskauf
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei den Mehrkosten handelt es sich um einen Schadensersatz neben der Leistung, weil der Schaden bereits endgültig eingetreten ist und durch eine Nacherfüllung nicht mehr behoben werden kann.
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Nein!
2. Die Voraussetzungen des § 281 BGB liegen vor.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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Bienenschwarmverfolger
25.11.2022, 22:45:10
Nach meiner (persönlichen) Meinung ist diese Rspr./hM so nicht nachvollziehbar: Hat A bspw. den Wagen für 50.000 € weiterverkauft, muss er wiederum einen Deckungskauf seines Käufers befürchten (und bei „wichtigeren“ Waren noch höhere Verzugsschäden). Unterlässt er den Deckungskauf, bekommt er die günstige Primärleistung und kann zusätzlich problemlos (als Verzugsschaden) Regress bei H für den Schadensersatz nehmen, den er an den Drittkäufer leisten muss. Das läuft dann wirtschaftlich aufs selbe Ergebnis hinaus, wie wenn A die Mehrkosten für den Deckungskauf ersetzt bekäme. Deshalb würde ich hier die „Lorenz-Formel“ konsequent anwenden, also den Deckungskauf vor Fristablauf als SE neben der Leistung ansehen und ihn A nur versagen, soweit er mit dem vorzeitigen Deckungskauf gegen deine Schadensminderungsobliegenheit verstößt (etwa wenn Schadensersatzansprüche des Drittkäufers ausscheiden oder viel geringer wären als die Mehrkosten des Deckungskaufs).

Nora Mommsen
26.11.2022, 18:42:15
Hallo Bienenscharmverfolger, danke für deine Anmerkung. Mit deinem Störgefühl bist du defintiv nicht alleine - auch in der Literatur hat sich die Ansicht des BGH nicht konsequent durchgesetzt. Lorenz ist da definitiv ein prominentes Beispiel für, aber nicht das einzige. In einer Klausur ist man immer gut beraten, die Ansicht des BGH zumindest gut darzustellen. Ob man dieser folgt, ist dann eine andere Frage. Solange man den BGH gut begründet ablehnt, ist es auf jeden Fall auch in einer Klausur gut vertretbar z.B. Lorenz zu folgen. (Auch wenn ich von dem Begriff "Lorenz-Formel" absehen und einfach auf die zeitliche Abgrenzung abstellen würde.) Zudem sei noch darauf hingewiesen, dass die letzte Entscheidung des BGH dazu noch nicht allzu lange her ist und es abzuwarten bleibt, wie sich der Streit weiter entwickelt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Dominic
11.8.2023, 16:35:45
Könntet Ihr einmal erläutern wieso Lorenz hier etwas anderes vertritt? Ich hätte gedacht, das ist genau die Lösung, die auch Lorenz vertritt, also nach der zeitlichen Abgrenzung (Zauberformel von Lorenz). Die zeitliche Abgrenzung stellt doch darauf ab, ob der Schaden im letztmöglichen Zeitpunkt, also hier im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch entfallen wäre. Und hätte M im Zeitpunkt vor dem Rücktritt noch geleistet, wäre doch der Schaden (die Deckungskaufkosten) noch entfallen, weil der Deckungskauf erst nach der Rücktrittserklärung stattgefunden hat. Damit läge doch auch nach der Lösung von Lorenz ein Schadensersatz statt der Leistung vor.