Vorzeitiger Deckungskauf

4. Juli 2025

7 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Autohändler A bestellt bei Hersteller H einen Porsche 911 zum einmalig günstigen Preis von €50.000, lieferbar zum 1.3. Als H am 1.3. nicht liefert, setzt A ihm eine Frist bis zum 10.3. Schon am 5.3. kauft A anderswo den gleichen Porsche zum Marktpreis von €100.000, um einen seiner Kunden zu beliefern. Am 9.3. liefert H; A will die Mehrkosten ersetzt haben.

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Einordnung des Falls

Vorzeitiger Deckungskauf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei den Mehrkosten handelt es sich um einen Schadensersatz neben der Leistung, weil der Schaden bereits endgültig eingetreten ist und durch eine Nacherfüllung nicht mehr behoben werden kann.

Nein!

Nach hM fallen die Mehrkosten eines vorzeitigen Deckungskaufs unter den Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB). Denn (1) die Ersatzsache tritt ihrer Art nach an die Stelle der geschuldeten Leistung und ersetzt damit das Erfüllungsinteresse. (2) Der Käufer würde bei einem Schadensersatzanspruch neben der Leistung so gestellt, als bekäme er den besonders günstigen Vertrag zweimal erfüllt. Er könnte dann nämlich weiterhin die ursprüngliche Leistung verlangen und würde zusätzlich die Mehrkosten für den Deckungskauf ersetzt bekommen. Dies würde gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot verstoßen.
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2. Die Voraussetzungen des § 281 BGB liegen vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB ist, dass die gesetzte Frist fruchtlos verstreicht. Die vom Käufer gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung ist hierbei nicht bereits dann gewahrt, wenn der Verkäufer innerhalb der Frist die Leistungshandlung erbracht hat; vielmehr muss auch der Leistungserfolg eingetreten sein. H hat vor Fristablauf den Leistungserfolg erbracht, nämlich dem A eine mangelfreien Sache übereignet und übergeben (§ 433 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BIE

Bienenschwarmverfolger

25.11.2022, 22:45:10

Nach meiner (persönlichen) Meinung ist diese Rspr./hM so nicht nachvollziehbar: Hat A bspw. den Wagen für 50.000 € weiterverkauft, muss er wiederum einen

Deckungskauf

seines Käufers befürchten (und bei „wichtigeren“ Waren noch höhere Verzugsschäden). Unterlässt er den

Deckungskauf

, bekommt er die günstige Primärleistung und kann zusätzlich problemlos (als Verzugs

schaden

) Regress bei H für den

Schaden

sersatz nehmen, den er an den Drittkäufer leisten muss. Das läuft dann wirtschaftlich aufs selbe Ergebnis hinaus, wie wenn A die Mehrkosten für den

Deckungskauf

ersetzt bekäme. Deshalb würde ich hier die „Lorenz-Formel“ konsequent anwenden, also den

Deckungskauf vor Fristablauf

als

SE neben der Leistung

ansehen und ihn A nur versagen, soweit er mit dem vorzeitigen

Deckungskauf

gegen deine

Schaden

s

minderung

s

obliegenheit

verstößt (etwa wenn

Schaden

sersatzansprüche des Drittkäufers ausscheiden oder viel geringer wären als die Mehrkosten des

Deckungskauf

s).

Nora Mommsen

Nora Mommsen

26.11.2022, 18:42:15

Hallo Bienenscharmverfolger, danke für deine Anmerkung. Mit deinem Störgefühl bist du defintiv nicht alleine - auch in der Literatur hat sich die Ansicht des BGH nicht konsequent durchgesetzt. Lorenz ist da definitiv ein prominentes Beispiel für, aber nicht das einzige. In einer Klausur ist man immer gut beraten, die Ansicht des BGH zumindest gut darzustellen. Ob man dieser folgt, ist dann eine andere Frage. Solange man den BGH gut begründet ablehnt, ist es auf jeden Fall auch in einer Klausur gut vertretbar z.B. Lorenz zu folgen. (Auch wenn ich von dem Begriff "Lorenz-Formel" absehen und einfach auf die zeitliche Abgrenzung abstellen würde.) Zudem sei noch darauf hingewiesen, dass die letzte Entscheidung des BGH dazu noch nicht allzu lange her ist und es abzuwarten bleibt, wie sich der Streit weiter entwickelt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DO

Dominic

11.8.2023, 16:35:45

Könntet Ihr einmal erläutern wieso Lorenz hier etwas anderes vertritt? Ich hätte gedacht, das ist genau die Lösung, die auch Lorenz vertritt, also nach der zeitlichen Abgrenzung (Zauberformel von Lorenz). Die zeitliche Abgrenzung stellt doch darauf ab, ob der

Schaden

im letztmöglichen Zeitpunkt, also hier im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch entfallen wäre. Und hätte M im Zeitpunkt vor dem Rücktritt noch geleistet, wäre doch der

Schaden

(die

Deckungskauf

kosten) noch entfallen, weil der

Deckungskauf

erst nach der Rücktrittserklärung stattgefunden hat. Damit läge doch auch nach der Lösung von Lorenz ein

Schadensersatz statt der Leistung

vor.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

20.6.2025, 09:17:32

Hallo @[Dominic](212863), Ich glaube du gehst hier von einem anderen Sachverhalt aus. Der A tätigt den

Deckungskauf

hier nicht nach einer Rücktrittserklärung, sondern bereits vor Fristablauf. Bei der Zauberformel ist indes nicht danach zu fragen, ob die ordnungsgemäße Erfüllung vor dem schädigenden Ereignis (also hier

Deckungskauf

) den

Schaden

entfallen ließe. Das ist nämlich immer der Fall. Stattdessen ist zu fragen, ob der

Schaden

, der zu dem maßgeblichen Zeitpunkt bereits entstanden war, durch eine spätere

Nacherfüllung

entfallen würde. Ist das der Fall, liegt ein

Schadensersatz statt der Leistung

vor, andernfalls ist der

Schaden

endgültig eingetreten und es handelt sich um

Schadensersatz neben der Leistung

. Lorenz kommt bei der Anwendung der Zauberformel zu einem

Schadensersatz neben der Leistung

, weil er sagt, dass die Zahlung der Mehrkosten beim

Deckungskauf

nicht mehr durch eine spätere Erfüllung beseitigt werden kann. Vielmehr sei der

Schaden

bereits endgültig eingetreten und stellt daher einen

Schadensersatz neben der Leistung

dar. Nach Hirsch kommt es dagegen nicht auf die Zahlung auf den

Deckungskauf

an, sondern schädigendes Ereignis ist nach ihm bereits die Nichtleistung selbst. Insofern lässt eine spätere Leistung (nach der Nichterfüllung, aber vor dem

Deckungskauf

) den

Schaden

entfallen, weswegen es sich um

Schadensersatz statt der Leistung

handelt. Der

Deckungskauf

ist dagegen lediglich noch eine Vertiefung des

Schaden

s durch die Nichtleistung, die aber an der Kategorisierung als

Schadensersatz statt der Leistung

nichts mehr ändert. Insofern wenden beide die Zauberformel an, allerdings auf unterschiedliche Art und Weise. Zur Vertiefung kann ich einerseits "Das Deckungsgeschäft im System der

Schaden

sarten oder: Was taugt die „Zauberformel“?" von Lorenz in FS Leenen (2012), S. 147ff. und andererseits Hirsch:

Schadensersatz statt oder neben der Leistung

– Aktuelle Fragen der Abgrenzung in JuS 2014, 97 empfehlen. Besonders letzterer ist sehr hilfreich zum Verständnis der Abgrenzung. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

0815jurafuchs

0815jurafuchs

8.5.2024, 12:09:27

Hallo liebes jurafuchs-team und alle anderen, dazu eine vielleicht dumme Frage. Ist der Gläubiger

schaden

sersatzanspruchsberechtigt, wenn er trotz entbehrlichkeit einer

fristsetzung

eine solche gesetzt hat und vor fristablauf einen

deckungskauf

vornimmt?

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

13.5.2024, 15:14:36

Hallo 0815jurafuchs, nein wäre er nicht. Hierzu Urteil: BGH, Urteil vom 12. März 2010 - V ZR 147/09 Wer eine Frist setzt, muss sich dann auch an jene halten.  Beste Grüße Max - für das Jurafuchs-Team

RO

Rojin.Car

15.1.2025, 10:20:01

Warum wird die zeitlich-dynamische Abgrenzung nicht berücksichtigt?


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