Auch bewegliche Räumlichkeiten (hier Campingwagen) vom Schutzbereich erfasst


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Die windige S hat mit einem Geflecht an Scheinfirmen Steuern hinterzogen. Steuerfahnder des Zolls kommen S auf die Schliche und beabsichtigen S in ihrem Campingwagen anzusprechen. S ist empört und beruft sich auf den Schutz ihrer Wohnung.

Einordnung des Falls

Auch bewegliche Räumlichkeiten (hier Campingwagen) vom Schutzbereich erfasst

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 13 Abs. 1 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Genau, so ist das!

Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt: "Die Wohnung ist unverletzlich." Unter Wohnung versteht man solche Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind.

2. Auch der Campingwagen ist vom Begriff der Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG umfasst.

Ja, in der Tat!

Art. 13 GG hängt eng mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit zusammen. Er soll dem Einzelnen einen elementaren Lebens- und Rückzugsraum sichern, in dem er vor staatlichen Eingriffen geschützt ist. Geschützt sind deshalb Häuser und Wohnungen im engeren Sinne sowie Nebenräume. Geschützt sind aber auch mobile abgeschottete Räume wie Campingwagen, Hausboote oder Zelte. Grund: Diese können ebenso der ungestörten Entfaltung der Persönlichkeit und Privatsphäre dienen wie die Wohnung im engeren Sinne. Der Campingwagen der S ist mithin durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt.

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AAN

Aaron Nie

4.9.2020, 20:27:23

kann ich denn auch in ein verlassenes Haus eindringen und dort hausen und bin somit geschützt ?

Ciranje

Ciranje

22.11.2020, 21:53:41

Da es nicht auf die zivilrechtlichen Verhältnisse ankommt (sieheMietwohnung oä) würde ich für Ja argumentieren.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.6.2021, 00:54:07

Hallo ihr beiden, das ist in der Tat eine spannende Frage und - wie viele Grenzfälle - nicht unumstritten. Grundsätzlich hat Ciranje natürlich Recht. Das Grundgesetz steht im Rang über dem BGB und muss insoweit aus sich heraus interpretiert werden. Im Hinblick auf den Kreis der

Grundrechtsträger

ist der Wortlaut des Art. 13 GG allerdings denkbar dünn, genauer gesagt, nicht existent. Insofern spielen zivilrechtliche Besitzverhältnisse durchaus in die gängige Definition und Interpretation des

Grundrechtsträger

s (zumindest gedanklich)mit hinein. Insoweit wird vertreten, dass

Grundrechtsträger

jedenfalls derjenige ist, der mit erkennbarem Wohnwillen Räume unmittelbar besitzt, ohne dass vorrangie Rechte Dritter entgegenstehen. Mit dem Kriterium des unmittelbaren Besitzes sollen zunächst bloße

Besitzdiener

(zB die Haushaltshilfe, der reparierende Handwerker...) ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf die entgegenstehenden Rechte Dritter ist dagegen streitig, wie stark der Schutzbereich des Art. 13 I GG eingeschränkt werden soll. In der Regel geht es um das Spannungsfeld Art. 13 GG und Art. 14 I GG, nämlich dann, wenn Besitzer und Eigentümer auseinanderfallen und Streit über das Besitzrecht besteht - wie eben in eurem Hausbesitzerfall. Während ein Teil der Literatur in Anwendung der vorgenannten Definition der unberechtigt eingedrungenen Person generell den Schutz des Art. 13 I GG versagt (vgl. Papier, in:Maunz/Dürig, GG, Art. 13 Rn. 12), so verlangt ein anderer Teil eine gewisse Evidenz im Hinblick auf die fehlende Berechtigung und würde auch hier bis zur Klärung der zivilrechtliche Lage oder ggfs. strafantragsgemäßen Rechtsverfolgung zunächst den Schutzbereich eröffnet sehen (vgl. Kühne, in: Sachs, GG, 9. A. 2021, art. 13 Rn. 19). Hintergrund der letzten Auffassung ist vor allem, den Schutzbereich entsprechend des weiten Wortlautes möglichst offen zu halten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Trowa Barton

Trowa Barton

17.6.2021, 14:20:34

Wie ist das mit dem PKw und Lkw. Für viele ist auch das Fahrzeug ein Rückzugsort.

Ferdinand

Ferdinand

17.6.2021, 19:04:20

Das Auto ist wohl in den allermeisten Fällen kein geschützter Rückzugsraum, in dem der Einzelne seine Persönlichkeit auslebt, zumal die meisten Autos ohne weiteres von außen einsehbar sind. Solange das Auto funktional als Transportmittel verwendet wird und nur im normalen Rahmen als Ablage etc. fungiert, wäre m.E. der Schutzbereich nicht eröffnet. Etwas anderes könnte gelten, wenn das Auto dauerhaft als Aufenthaltsort oder als Schlafstätte dient und etwa die Scheiben verdunkelt/angeklebt werden, um sich vor Einblicken zu schützen. Bei LKW kann man ähnlich unterscheiden: Der Auslieferungsfahrer, der nur tagsüber unterwegs ist, verwendet den LKW nicht als Rückzugsort. Der Fernfahrer hingegen, der möglicherweise wochenlang in seiner Kabine wohnt und schläft dahingegen schon. Daher wäre in diesem Fall der Schutzbereich wohl ebenso wie beim Wohnwagen eröffnet.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.6.2021, 01:03:26

Hallo ihr beiden, Ferdinand hat es in seinen Beispielen schon super auf den Punkt gebracht. Auch hier handelt es sich mal wieder wieder um eine Abgrenzungsfrage im Einzelfall, weswegen pauschale Aussagen nur bedingt getroffen werden können. Ausschlaggebend sind für das Vorliegen einer Wohnung subjektiv die Bestimmung zu Wohnzwecken (Privatbereich, Abgeschlossenheit, Geborgenheit, Öffentlichkeitsausschluss) sowie die objektive Erkennbarkeit als Wohnung. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Schutzbereich eröffnet. Auf die formale Einordnung (Kfz/LKW/Wohnwagen) kommt es insofern nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.6.2021, 01:03:27

Hallo ihr beiden, Ferdinand hat es in seinen Beispielen schon super auf den Punkt gebracht. Auch hier handelt es sich mal wieder wieder um eine Abgrenzungsfrage im Einzelfall, weswegen pauschale Aussagen nur bedingt getroffen werden können. Ausschlaggebend sind für das Vorliegen einer Wohnung subjektiv die Bestimmung zu Wohnzwecken (Privatbereich, Abgeschlossenheit, Geborgenheit, Öffentlichkeitsausschluss) sowie die objektive Erkennbarkeit als Wohnung. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Schutzbereich eröffnet. Auf die formale Einordnung (Kfz/LKW/Wohnwagen) kommt es insofern nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.6.2021, 01:03:34

Hallo ihr beiden, Ferdinand hat es in seinen Beispielen schon super auf den Punkt gebracht. Auch hier handelt es sich mal wieder wieder um eine Abgrenzungsfrage im Einzelfall, weswegen pauschale Aussagen nur bedingt getroffen werden können. Ausschlaggebend sind für das Vorliegen einer Wohnung subjektiv die Bestimmung zu Wohnzwecken (Privatbereich, Abgeschlossenheit, Geborgenheit, Öffentlichkeitsausschluss) sowie die objektive Erkennbarkeit als Wohnung. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Schutzbereich eröffnet. Auf die formale Einordnung (Kfz/LKW/Wohnwagen) kommt es insofern nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Claire Burkhart

Claire Burkhart

15.7.2024, 11:31:02

Wie sieht man es denn an, wenn ein Obdachloser in einem Zelt z.B. in einem Park wohnt, ist das Zelt dann sozusagen seine „Wohnung“ und von Art 13 GG geschützt oder nicht, da das Zelt sich an einem öffentlichen Ort befindet ?


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