Öffentliches Recht
Grundrechte
Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)
Auch bewegliche Räumlichkeiten (hier Campingwagen) vom Schutzbereich erfasst
Auch bewegliche Räumlichkeiten (hier Campingwagen) vom Schutzbereich erfasst
25. Januar 2025
10 Kommentare
4,7 ★ (7.901 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die windige S hat mit einem Geflecht an Scheinfirmen Steuern hinterzogen. Steuerfahnder des Zolls kommen S auf die Schliche und beabsichtigen S in ihrem Campingwagen anzusprechen. S ist empört und beruft sich auf den Schutz ihrer Wohnung.
Diesen Fall lösen 97,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Auch bewegliche Räumlichkeiten (hier Campingwagen) vom Schutzbereich erfasst
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Art. 13 Abs. 1 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Auch der Campingwagen ist vom Begriff der Wohnung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG umfasst.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Aaron Nie
4.9.2020, 20:27:23
Ciranje
22.11.2020, 21:53:41
Da es nicht auf die zivilrechtlichen Verhältnisse ankommt (sieheMietwohnung oä) würde ich für Ja argumentieren.
Lukas_Mengestu
18.6.2021, 00:54:07
Hallo ihr beiden, das ist in der Tat eine spannende Frage und - wie viele Grenzfälle - nicht unumstritten. Grundsätzlich hat Ciranje natürlich Recht. Das Grundgesetz steht im Rang über dem BGB und muss insoweit aus sich heraus interpretiert werden. Im Hinblick auf den Kreis der Grundrechtsträger ist der Wortlaut des Art. 13 GG allerdings denkbar dünn, genauer gesagt, nicht existent. Insofern spielen zivilrechtliche Besitzverhältnisse durchaus in die gängige Definition und Interpretation des Grundrechtsträgers (zumindest gedanklich)mit hinein. Insoweit wird vertreten, dass Grundrechtsträger jedenfalls derjenige ist, der mit erkennbarem Wohnwillen Räume unmittelbar besitzt, ohne dass vorrangie Rechte Dritter entgegenstehen. Mit dem Kriterium des unmittelbaren Besitzes sollen zunächst bloße
Besitzdiener(zB die Haushaltshilfe, der reparierende Handwerker...) ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf die entgegenstehenden Rechte Dritter ist dagegen streitig, wie stark der Schutzbereich des Art. 13 I GG eingeschränkt werden soll. In der Regel geht es um das Spannungsfeld Art. 13 GG und Art. 14 I GG, nämlich dann, wenn Besitzer und Eigentümer auseinanderfallen und Streit über das
Besitzrechtbesteht - wie eben in eurem Hausbesitzerfall. Während ein Teil der Literatur in Anwendung der vorgenannten Definition der unberechtigt eingedrungenen Person generell den Schutz des Art. 13 I GG versagt (vgl. Papier, in:Maunz/Dürig, GG, Art. 13 Rn. 12), so verlangt ein anderer Teil eine gewisse Evidenz im Hinblick auf die fehlende Berechtigung und würde auch hier bis zur Klärung der zivilrechtliche Lage oder ggfs. strafantragsgemäßen Rechtsverfolgung zunächst den Schutzbereich eröffnet sehen (vgl. Kühne, in: Sachs, GG, 9. A. 2021, art. 13 Rn. 19). Hintergrund der letzten Auffassung ist vor allem, den Schutzbereich entsprechend des weiten Wortlautes möglichst offen zu halten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Trowa Barton
17.6.2021, 14:20:34
Ferdinand
17.6.2021, 19:04:20
Das Auto ist wohl in den allermeisten Fällen kein geschützter Rückzugsraum, in dem der Einzelne seine Persönlichkeit auslebt, zumal die meisten Autos ohne weiteres von außen einsehbar sind. Solange das Auto funktional als Transportmittel verwendet wird und nur im normalen Rahmen als Ablage etc. fungiert, wäre m.E. der Schutzbereich nicht eröffnet. Etwas anderes könnte gelten, wenn das Auto dauerhaft als Aufenthaltsort oder als Schlafstätte dient und etwa die Scheiben verdunkelt/angeklebt werden, um sich vor Einblicken zu schützen. Bei LKW kann man ähnlich unterscheiden: Der Auslieferungsfahrer, der nur tagsüber unterwegs ist, verwendet den LKW nicht als Rückzugsort. Der Fernfahrer hingegen, der möglicherweise wochenlang in seiner Kabine wohnt und schläft dahingegen schon. Daher wäre in diesem Fall der Schutzbereich wohl ebenso wie beim Wohnwagen eröffnet.
Lukas_Mengestu
18.6.2021, 01:03:26
Hallo ihr beiden, Ferdinand hat es in seinen Beispielen schon super auf den Punkt gebracht. Auch hier handelt es sich mal wieder wieder um eine Abgrenzungsfrage im
Einzelfall, weswegen pauschale Aussagen nur bedingt getroffen werden können. Ausschlaggebend sind für das Vorliegen einer Wohnung subjektiv die Bestimmung zu Wohnzwecken (Privatbereich, Abgeschlossenheit, Geborgenheit, Öffentlichkeitsausschluss) sowie die objektive
Erkennbarkeitals Wohnung. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Schutzbereich eröffnet. Auf die formale Einordnung (Kfz/LKW/Wohnwagen) kommt es insofern nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lukas_Mengestu
18.6.2021, 01:03:27
Hallo ihr beiden, Ferdinand hat es in seinen Beispielen schon super auf den Punkt gebracht. Auch hier handelt es sich mal wieder wieder um eine Abgrenzungsfrage im
Einzelfall, weswegen pauschale Aussagen nur bedingt getroffen werden können. Ausschlaggebend sind für das Vorliegen einer Wohnung subjektiv die Bestimmung zu Wohnzwecken (Privatbereich, Abgeschlossenheit, Geborgenheit, Öffentlichkeitsausschluss) sowie die objektive
Erkennbarkeitals Wohnung. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Schutzbereich eröffnet. Auf die formale Einordnung (Kfz/LKW/Wohnwagen) kommt es insofern nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lukas_Mengestu
18.6.2021, 01:03:34
Hallo ihr beiden, Ferdinand hat es in seinen Beispielen schon super auf den Punkt gebracht. Auch hier handelt es sich mal wieder wieder um eine Abgrenzungsfrage im
Einzelfall, weswegen pauschale Aussagen nur bedingt getroffen werden können. Ausschlaggebend sind für das Vorliegen einer Wohnung subjektiv die Bestimmung zu Wohnzwecken (Privatbereich, Abgeschlossenheit, Geborgenheit, Öffentlichkeitsausschluss) sowie die objektive
Erkennbarkeitals Wohnung. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist der Schutzbereich eröffnet. Auf die formale Einordnung (Kfz/LKW/Wohnwagen) kommt es insofern nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Claire Burkhart
15.7.2024, 11:31:02
Wie sieht man es denn an, wenn ein Obdachloser in einem Zelt z.B. in einem Park wohnt, ist das Zelt dann sozusagen seine „Wohnung“ und von Art 13 GG geschützt oder nicht, da das Zelt sich an einem öffentlichen Ort befindet ?
luc1502
13.8.2024, 10:10:01
Hi @[Claire Burkhart](242443) Kluckert in BeckOK GG (Art.13 Rn.2) sagt hierzu, dass auch Zelte eine Wohnung darstellen, wenn sie wie Privaträume genutzt werden und das wäre ja bei einem Obdachlosen idR anzunehmen. Ich hoffe, das hilft dir weiter!