Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2020
Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage § 28a IfSG
Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage § 28a IfSG
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Infolge der Corona-Pandemie erlässt das zuständige Ministerium in Bayern am 30.11.2020 eine Corona-Verordnung mit Regelungen zu Kontaktbeschränkungen und Gastronomieschließungen, die zum 20.12.2020 außer Kraft tritt. A möchte weiterhin ihre Schwestern treffen und Restaurants besuchen können und klagt.
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Einordnung des Falls
Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage § 28a IfSG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Statthafte Rechtsschutzform ist hier die Leistungsklage, verbunden mit einem Eilantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, gerichtet auf Erlaubniserteilung für Treffen der Schwestern und Restaurantbesuche.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Verordnung tritt mit Ablauf des 20.12.2020 außer Kraft. In A's Antrag liegt eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Die Erfolgsaussichten eines Antrags auf einstweilige Anordnung (§ 47 Abs. 6 VwGO) richten sich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Sind diese nicht absehbar, ergeht eine Folgenabwägung.
Ja, in der Tat!
4. Rechtsgrundlage für die hier erlassene Corona-Verordnung ist §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 3 und 13 IfSG i.V.m. § 32 S. 1 IfSG.
Ja!
5. Die Rechtsgrundlage der Maßnahmen in §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 3 und 13 IfSG i.V.m. § 32 S. 1 IfSG verstößt gegen die Anforderungen von Wesentlichkeitstheorie und Parlamentsvorbehalt.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Die vom zuständigen Ministerium verfahrensfehlerfrei erlassene Corona-Verordnung ist zeitlich befristet und mit einer Begründung versehen. Sie ist damit formell rechtmäßig.
Ja, in der Tat!
7. Die Tatbestandsvoraussetzungen von §§ 28 Abs. 1, 28a IfSG sind erfüllt. Die ergriffenen Maßnahmen sind auch verhältnismäßig.
Ja!
8. Nach § 28a Abs. 6 S. 2 IfSG sind die sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen zu berücksichtigen. Dies ist gerichtlich voll überprüfbar.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Die Folgenabwägung geht zu Gunsten der A aus. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO ist begründet.
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tigerwitsch
3.3.2021, 13:28:20
Könnt Ihr bitte zu dem Beschluss des VG Karlsruhe noch einen Hyperlink einfügen, zB http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE200017421&psml=bsbawueprod.psml&max=true&doc.part=L&doc.norm=all Danke :)
Christian Leupold-Wendling
3.3.2021, 15:10:23
Hi, vielen Dank für den Link! Haben wir sehr gern ergänzt. Besten Gruß
iustus
26.7.2021, 23:08:37
Tigerwitsch
26.7.2021, 23:37:41
Ich hätte das in der materiellen
Verfassungsmäßigkeitbzw (bei VA) materiellen
Rechtmäßigkeitgeprüft. Damit prüft man ja nichts anderes als den Parlamentsvorbehalt.
Ferdinand
27.7.2021, 07:21:31
Man kann beim Verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz grundsätzlich alle Dinge, die im Zusammenhang mit der
Verfassungsmäßigkeitder Rechtsgrundlage stehen (Erforderlichkeit einer RGL, Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, Vorbehalt des Gesetzes,
Wesentlichkeitstheorieetc.) sowohl im Prüfungspunkt
Ermächtigungsgrundlagenoch vor der formellen
Rechtmäßigkeitoder so wie Tigerwitsch sagt zu Beginn der materiellen
Rechtmäßigkeitprüfen. Wie man es macht, ist in erster Linie Geschmacksfrage. Ich persönlich finde folgendes am elegantesten: ist der Punkt völlig unproblematisch und genügt ein Satz zur Feststellung, kann man es im Zusammenhang mit der Nennung der RGL erwähnen, dann hat man es „aus dem Weg geschafft“ und kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Ist irgendetwas problematisch bietet sich die Erörterung im Rahmen der Materiellen
Rechtmäßigkeitals erster Prüfungspunkt (also noch vor „Tatbestandsvoraussetzungen der RGL“) an, da es da thematisch am besten aufgehoben ist. Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde würde ich es so wie Tigerwitsch sagt im Rahmen der materiellen
Verfassungsmäßigkeitdes Gesetzes unterbringen.
iustus
27.7.2021, 10:31:25
Vielen Dank ☺️
Geasoph
5.10.2021, 11:05:25
Wie kommt man in der Lösung auf den 20.12.20? Vielen Dank für den Fall! Wir hatten den kürzlich als Probeklausur im Examenskurs:)
Lukas_Mengestu
6.10.2021, 10:07:32
Super Geasoph, hattest Du den Fall davor schon durchgespielt? Das Datum des 20.12.2020 ergibt sich einfach daraus, dass dies so in der Verordnung angelegt war. Wir haben das zur besseren Verständlichkeit aber nun direkt in den Sachverhalt gepackt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Philipp Paasch
26.9.2022, 23:07:42
An welcher Universität denn? :-)
Volldeliktisch
13.12.2021, 12:59:40
Die erste Antwort ist nicht korrekt, da nicht auf § 4 Abs. 1 S. 2 AGVwGO-RLP hingewiesen wird. Das OVG-RLP ist nach dieser Vorschrift nicht für Verfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO erstinstanzlich zuständig, wenn die angegriffene VO durch die LReg RLP erlassen wurde. Für eine Corona-VO ist dies jedoch regelmäßig der Fall. Die Rechtslage entspricht hier Berlin und Hamburg.
Lukas_Mengestu
13.12.2021, 14:23:25
Vielen Dank für Deinen Beitrag, Volldeliktisch. Wie Du völllig richtig erwähnt hast, hängt die Frage, ob eine Rechtsverordnung mittels des
Normenkontrollantrages angegriffen werden kann, davon ab, ob dies im Landesrecht vorgesehen ist. In Bayern, wo der Fall spielt, ist dies der Fall, da § 5 AGVwGO dem BayVerfassungsgerichtshof die entsprechende Kompetenz einräumt. Um den Rahmen nicht zu sprengen, sind wir hier aber nicht auf die Rechtslage in allen 16 Bundesländern eingegangen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team