Bei Mittäterschaft 4

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A und B planen einen Bankraub. Dabei stellt A die Materialien zur Verfügung und plant das Vorgehen. B soll die Tat dann ausführen als Mann fürs „Grobe“. Dabei sollen die beiden in dauerhaftem Funkkontakt stehen. A und B sprechen ab, dass B die Tat am 21.12. begeht. B will gerade bewaffnet in die Bank stürmen, als er gegen die verschlossene Tür läuft, da mittlerweile der 25.12. ist und B das abgesprochene Datum verschlafen hat.

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Einordnung des Falls

Bei Mittäterschaft 4

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

Ja!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Raub ist ein Verbrechen und daher bereits im Versuch strafbar (§§ 249 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB). Die Regelung in § 249 Abs. 2 StGB stellt lediglich eine Strafzumessungsregelung dar und ändert nicht die Deliktsqualität des Raubes (§ 12 Abs. 3 StGB).
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2. A und B haben „Tatentschluss“ bezüglich eines Raubes.

Genau, so ist das!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. A und B sind entschlossen einen Raub zu begehen.

3. A und B haben auch „Tatentschluss“ bezüglich der mittäterschaftlichen Begehung.

Ja, in der Tat!

Da der Grund für die Zurechnung der Tatbeiträge der gemeinsame Tatplan ist, muss dieser auch beim Versuch vorliegen. Geht der Täter von alleiniger Tatausführung aus, so erfolgt auch die Versuchsprüfung unabhängig von Beiträgen der anderen Person. Zudem sind alle objektiven Tatbestandsmerkmale zu prüfen. Relevant ist daher auch, ob die Täter von einem gemeinsamen Tatplan ausgehen und ob eine Täterschaft gewollt ist, was sich nach der Abgrenzung Täterschaft/Teilnahme richtet. Mit der Tatherrschaftslehre ist zu fordern, dass die Täter jeweils Vorsatz in Bezug auf die eigene Tatherrschaft haben. Sonst kommt nur Teilnahme in Betracht. Nach herrschender Meinung ist eine Mitwirkungshandlung im Vorbereitungsstadium ausreichend, wenn diese eine wesentliche Funktion innehat. Dass A die Materialien zur Verfügung stellt und das Vorgehen plant, reicht aus.

4. B hat durch das Losstürmen „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.

Ja!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. B hat mit dem Losstürmen auf die Bank die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ überschritten und ist davon ausgegangen, dass keine wesentlichen Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich waren.

5. Nach der Rechtsprechung wird der Versuchsbeginn durch einen der Täter den Mittätern grundsätzlich zugerechnet.

Genau, so ist das!

Bei Mittäterschaft ist umstritten, wann der Versuch beginnt. Die Rechtsprechung und ein beachtlicher Teil der Literatur gehen von einer Gesamtlösung aus, wonach der Versuchsbeginn eines Täters den anderen Mittätern zugerechnet wird. Dies folge aus dem Prinzip der gegenseitigen Zurechnung (§ 25 Abs. 2 StGB). Dabei ist auf die Tathandlung abzustellen, die unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung münden soll. Die Vorbereitungshandlungen der A sind für sich genommen daher nicht ausreichend. Vorliegend wird das Losstürmen des B der A im Rahmen des § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich zugerechnet.

6. Da B sich nicht an das abgesprochene Datum gehalten hat, scheidet eine Zurechnung bei A aus.

Ja, in der Tat!

Die vorliegende Fallkonstellation wurde bisher nicht entschieden. Nach den allgemeinen Regeln der Mittäterschaft ist eine Zurechnung jedoch nur in dem Rahmen möglich, in dem nicht von einer ausdrücklichen Abrede abgewichen wird und die Mittäter ein Abweichen nicht billigend in Kauf genommen haben, wovon vorliegend nicht ausgegangen werden kann. Da auch die Gesamtlösung den Versuchsbeginn über § 25 Abs. 2 StGB zurechnet, ist diese Regelung grundsätzlich auch auf den Versuchsbeginn anwendbar. Für die Rechtsprechung stellt sich dann jedoch auch die Frage, wie praxistauglich die rein dogmatische Lösung ist, da hier eine Strafbarkeit der A zufällig scheint.

7. Nach der Einzellösungstheorie hat A unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, wenn man auf die Vorstellung des einzelnen Mittäters abstellt.

Ja!

Nach der Einzellösungstheorie ist der Versuchsbeginn für jeden Täter einzeln zu prüfen und liegt erst dann vor, wenn der Täter zu seinem Tatbeitrag unmittelbar angesetzt hat. Nach herrschender Meinung ist eine Mitwirkungshandlung im Vorbereitungsstadium ausreichend, wenn diese eine wesentliche Funktion innehat.Aufgrund der detaillierten Planung der A hat sie ihr Minus bei der Ausführungshandlung durch ein Plus in der Vorbereitungsphase ausgeglichen und ihren objektiven Tatbeitrag bereits erfüllt.Da eine Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB nicht erfolgen soll, ist unklar, ob ein Exzess nach dieser Ansicht beachtlich wäre.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jurafuchsu

Jurafuchsu

22.2.2021, 09:20:32

Wieso hat A hier unmittelbar angesetzt aber in vorherigen Fall nicht?

Vulpes

Vulpes

22.2.2021, 11:07:34

Im ersten Fall hat T den Sicherheitsmann weder genötigt, noch zur Wegnahme angesetzt, sondern lediglich auf ihn gewartet. Das Jetzt-gehts-los hätte ich hier erst bejaht, wenn er den Sicherhejtsmann sieht und sich entscheidet aktiv zu werden. In diesem Fall ist er drauf und dran gewesen bewaffnet in die Bank einzudringen und die dort Beschäftigten auszurauben. Er hat sich subjektiv also schon entschieden und objektiv zur Verwirklichung angesetzt, als er durch die Tür rennen wollte. Wäre die Tür offen gewesen hätte er unmittelbar mit der Nötigung begonnen und die Wegnahme vollzogen. Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen 😊

GEL

gelöscht

27.3.2021, 19:37:44

Hallo Jurafuchsu, entschuldige bitte das Missverständnis. Ich bin da wohl von einem falschen "vorherigen Fall" ausgegangen. In den Fällen in denen ein Täter nur im Vorbereitungsstadium tätig wird, kann ein Versuch jedoch erst dann bejaht werden, wenn einer der tatnahen Täter unmittelbar ansetzt, da sonst der Versuchsbeginn zu weit nach vorne gezogen würde. Dies ist aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zwingend. Daher ist davon auszugehen, dass die Vertreter dieser Ansicht ein

unmittelbares Ansetzen

aus allgemein anerkannten Erwägungen ebenso ablehnen würden. Ich hoffe diese Antwort hilft Dir weiter. 🙂 Sie ist so auch so ähnlich im letzten Hinweis der - vorherigen - Aufgabe enthalten. Viele Grüße Adrian, für das Jurafuchs-Team

MAR

Martymcfly

24.3.2021, 19:14:48

Sorry, aber das versteh ich nicht. Wieso hat A nach der Einzeltheorie unmittelbar angesetzt? Mit welcher Handlung? Die Vorbereitungshandlung ist doch für das unmittelbare ansetzen nicht relevant. Als B unmittelbar ansetzt wird A dann doch die Vorbereitungshandlung relevant, oder wie? Dieses Ergebnis sollte dann klar gegen die Anwendung der Einzeltheorie sprechen, oder?

GEL

gelöscht

29.3.2021, 19:05:23

Hallo Martymcfly, danke für Deine Frage. 🙂 Nach herrschender Meinung ist eine Mitwirkungshandlung im Vorbereitungsstadium ausreichend, wenn diese eine wesentliche Funktion innehat. Hier geht die ganze Planung auf die Kappe vom A, mithin hat er das Minus bei der Aufführung ausgeglichen. Der Hinweis hat diese Informationen aber nicht enthalten, deswegen haben wir den Fall überarbeitet. Viele Grüße Adrian, für das Jurafuchs-Team

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

14.6.2022, 19:13:24

Das finde ich aber auch komisch, die Vorbereitungshandlungen ein paar Fälle zuvor waren doch identisch? Und da wurde ein

unmittelbares Ansetzen

auch abgelehnt und nicht auf das Plus im Vorbereitungsstadium hingewiesen..

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.7.2022, 12:43:21

Hallo imponderabilie, der Unterschied liegt in den unterschiedlichen Theorien. Hier wurde das unmittelbare Ansetzen durch die Vorbereitungshandlung im Rahmen der Einzellösung bejaht. Die Gesamtlösung sieht dies nicht als ausreichend an und stellt auf die Tatbeiträge der Mittäter ab. Dieser Fall sollte die Unterschiede zwischen den Ansichten aufzeigen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JUL

Julia

1.7.2022, 19:49:32

Ich verstehe leider nicht warum A hier, obwohl er nur im Vorbereitungsstadium teilnahm, unmittelbar angesetzt haben soll. Auch wenn man auf jeden Mittäter einzeln guckt, dann -wie in den Fällen vorher auch richtig gesagt, nur hier irgendwie nicht- kann wegen den Rechtsstaatsgesichtspunkt nicht eine Vorverlagerung des unmittelbaren Ansetzens in den Vorbereitungsstadium zulässig sein. Weshalb es dann auch auf das unmittelbare Ansetzen des Tatnäheren ankommt (ähnlich wie bei der Gesamtlösung). Tatnäher ist hier B, jedoch war sein

unmittelbares Ansetzen

am falschen Tag und nicht mehr vom Tatplan gedeckt, sodass eigentlich doch auch nach dieser Lösung A nicht unmittelbar angesetzt hat? Für mich macht die letzte Frage, besonders die Subsumtion/Antwort leider keinen Sinn, weil es wird doch nach dem unmittelbaren Ansetzen gefragt und nicht, ob Mittäterschaft auch grundsätzlich möglich ist, wenn einer nur im Vorbereitungsstadium den Beitrag leistet.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.7.2022, 12:51:11

Hallo Julia, der relevante Unterschied ist in den verschiedenen Theorien zu finden. Der BGH folgt der Gesamtlösung. Diese wird in den vorherigen Fällen aufgegriffen. Danach kann ein Handeln im Vorbereitungsstadium nicht zum unmittelbaren Ansetzen führen, sondern nur das unmittelbare Ansetzen zur

Tathandlung

. Dieses kann aber unter Mittätern zugerechnet werden, auch wenn einer nur im Vorbereitungsstadium tätig geworden ist, sofern der Beitrag eine wesentliche Funktion erfüllt hat. Nach der Einzellösung, die in diesem Fall dargestellt wird, ist jeder Mittäter getrennt zu betrachten. Jeder muss selbst die Schwelle zum § 22 StGB überschreiten. Da die Frage des Versuchsbeginns bei Mittätern umstritten ist, und die Ansichten wie von dir aufgezeigt zu unterschiedlichen Lösungen führen, macht es Sinn sich damit auseinanderzusetzen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Tim

Tim

5.7.2024, 22:58:42

Hallo Nora, ich finde es indem vorliegenden Fall schwierig, weil im Sachverhalt steht es solle während der Tat dauerhafter Funkkontakt bestehen, so besteht der nun ja wohl nicht, weil B soweit vom ursprünglichen Plan abweicht. Liebe Grüße Tim

Pepe & Partner

Pepe & Partner

18.5.2023, 12:25:24

Ich muss mich leider meinen Vorrednerinnen und Vorrednern anschließen: Der Fall ist, so wie er hier beschrieben wird, zu dünn, um die letzte Antwort der Einzellösung logisch begründen zu können. Bitte konkretisiert den SV dahingehend, weil es, so wie es dort steht, ambivalent gerade zu den vorherigen Fällen erscheint. Besten Dank!

Carl Wagner

Carl Wagner

19.5.2023, 19:31:48

Vielen Dank für deine Anmerkung Pepe & Partner! Tatsächlich ist es hier ein Streit im Streit. Zunächst gilt grundsätzlich, dass Vorbereitungshandlungen kein

unmittelbares Ansetzen

zur (Straf-)"Tat" sind. Insoweit kann ich nachvollziehen, dass A ja nur "Vorbereitung" gemacht hat und deswegen nach der Einzellösungstheorie "gar nicht selbst unmittelbar angesetzt hat". Das würde so stimmen, wenn man der strengen Tatherrschaftsl

ehre

folgt. Auf dieser basiert auch originär von Roxin entwickelt die Einzellösung (vgl. Quellennachweise bei Peters/Bildner, JuS 2020, 731, Fn. 21). Die Einzellösung wurde dann aber auch in anderen Varianten vertreten. Insbesonderen wenn man der weiten Tatherrschaftsl

ehre

(hM) folgt, muss man dann konsequent in seiner Klausur die Einzellösung an die weite THL anpassen. Da du bereits unter "Tatentschluss" dich inzident für die weite oder strenge THL entscheiden musstest, musst du dann beim unmittelbaren Ansetzen, dieses Verständnis zugrunde legen. Ich hoffe, dass löst für dich die Problematik. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

26.2.2024, 22:31:26

Liebes Team, nach meinem Empfinden wurde die Frage durch den letzten Post nicht wirklich hinreichend beantwortet. Den Bewertungen nach zu urteilen sehe ich das nicht alleine so. Darum wäre es schön, wenn ihr die Frage noch einmal beantworten könntet. Danke für Eure Mühe!

medoLaw

medoLaw

26.2.2024, 22:56:43

Was fehlt dir denn am Sachverhalt? Er organisiert die Materialien und plant das Vorgehen. Dadurch hat er sein Minus bei der eigentlichen Tatausführung in der Vorbereitung ausgeglichen. Also was muss da denn noch mehr stehen, um das zu begründen? 🤔

Liese

Liese

10.5.2024, 11:00:45

Liebes Jurafuchs-Team, ich finde eure Darstellung der Einzellösung im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens etwas widersprüchlich. In den vorherigen Aufgaben wurde dargestellt, dass auch Vertreter der Einzellösung davon ausgehen, dass ein Mittäter, der seine Beiträge einzig im Vorbereitungsstadium erbringt, erst mit dem Ansetzen eines tatnahen Mittäters unmittelbar ansetzt. Sollte es innerhalb der Einzellösung dahingehend unterschiedliche Strömungen geben, sollte dies deutlich gemacht werden. Vielen Dank im Voraus!


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