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Klassisches Klausurproblem

A und B planen einen Bankraub. Dabei stellt A die Materialien zur Verfügung und plant das Vorgehen. B soll die Tat dann ausführen als Mann fürs „Grobe“. Dabei sollen die beiden in dauerhaftem Funkkontakt stehen. A und B sprechen ab, dass B die Tat am 21.12. begeht. B will gerade bewaffnet in die Bank stürmen, als er gegen die verschlossene Tür läuft, da mittlerweile der 25.12. ist und B das abgesprochene Datum verschlafen hat.

Einordnung des Falls

Bei Mittäterschaft 4

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch eines Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

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Ja!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Raub ist ein Verbrechen und daher bereits im Versuch strafbar (§§ 249 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB). Die Regelung in § 249 Abs. 2 StGB stellt lediglich eine Strafzumessungsregelung dar und ändert nicht die Deliktsqualität des Raubes (§ 12 Abs. 3 StGB).

2. A und B haben „Tatentschluss“ bezüglich eines Raubes.

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Genau, so ist das!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. A und B sind entschlossen einen Raub zu begehen.

3. A und B haben auch „Tatentschluss“ bezüglich der mittäterschaftlichen Begehung.

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Ja, in der Tat!

Da der Grund für die Zurechnung der Tatbeiträge der gemeinsame Tatplan ist, muss dieser auch beim Versuch vorliegen. Geht der Täter von alleiniger Tatausführung aus, so erfolgt auch die Versuchsprüfung unabhängig von Beiträgen der anderen Person. Zudem sind alle objektiven Tatbestandsmerkmale zu prüfen. Relevant ist daher auch, ob die Täter von einem gemeinsamen Tatplan ausgehen und ob eine Täterschaft gewollt ist, was sich nach der Abgrenzung Täterschaft/Teilnahme richtet. Mit der Tatherrschaftslehre ist zu fordern, dass die Täter jeweils Vorsatz in Bezug auf die eigene Tatherrschaft haben. Sonst kommt nur Teilnahme in Betracht. Nach herrschender Meinung ist eine Mitwirkungshandlung im Vorbereitungsstadium ausreichend, wenn diese eine wesentliche Funktion innehat. Dass A die Materialien zur Verfügung stellt und das Vorgehen plant, reicht aus.

4. B hat durch das Losstürmen „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.

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Ja!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. B hat mit dem Losstürmen auf die Bank die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ überschritten und ist davon ausgegangen, dass keine wesentlichen Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich waren.

5. Nach der Rechtsprechung wird der Versuchsbeginn durch einen der Täter den Mittätern grundsätzlich zugerechnet.

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Genau, so ist das!

Bei Mittäterschaft ist umstritten, wann der Versuch beginnt. Die Rechtsprechung und ein beachtlicher Teil der Literatur gehen von einer Gesamtlösung aus, wonach der Versuchsbeginn eines Täters den anderen Mittätern zugerechnet wird. Dies folge aus dem Prinzip der gegenseitigen Zurechnung (§ 25 Abs. 2 StGB). Dabei ist auf die Tathandlung abzustellen, die unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung münden soll. Die Vorbereitungshandlungen der A sind für sich genommen daher nicht ausreichend. Vorliegend wird das Losstürmen des B der A im Rahmen des § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich zugerechnet.

6. Da B sich nicht an das abgesprochene Datum gehalten hat, scheidet eine Zurechnung bei A aus.

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Ja, in der Tat!

Die vorliegende Fallkonstellation wurde bisher nicht entschieden. Nach den allgemeinen Regeln der Mittäterschaft ist eine Zurechnung jedoch nur in dem Rahmen möglich, in dem nicht von einer ausdrücklichen Abrede abgewichen wird und die Mittäter ein Abweichen nicht billigend in Kauf genommen haben, wovon vorliegend nicht ausgegangen werden kann. Da auch die Gesamtlösung den Versuchsbeginn über § 25 Abs. 2 StGB zurechnet, ist diese Regelung grundsätzlich auch auf den Versuchsbeginn anwendbar. Für die Rechtsprechung stellt sich dann jedoch auch die Frage, wie praxistauglich die rein dogmatische Lösung ist, da hier eine Strafbarkeit der A zufällig scheint.

7. Nach der Einzellösungstheorie hat A unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, wenn man auf die Vorstellung des einzelnen Mittäters abstellt.

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Ja!

Nach der Einzellösungstheorie ist der Versuchsbeginn für jeden Täter einzeln zu prüfen und liegt erst dann vor, wenn der Täter zu seinem Tatbeitrag unmittelbar angesetzt hat. Nach herrschender Meinung ist eine Mitwirkungshandlung im Vorbereitungsstadium ausreichend, wenn diese eine wesentliche Funktion innehat.Aufgrund der detaillierten Planung der A hat sie ihr Minus bei der Ausführungshandlung durch ein Plus in der Vorbereitungsphase ausgeglichen und ihren objektiven Tatbeitrag bereits erfüllt.Da eine Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB nicht erfolgen soll, ist unklar, ob ein Exzess nach dieser Ansicht beachtlich wäre.

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