Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Anfechtung der Willenserklärung

Anfechtung nach § 123 BGB bei reinem Motivirrtum

Anfechtung nach § 123 BGB bei reinem Motivirrtum

21. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V will K eine seiner wertlosen Sammelkarten verkaufen. Daher spiegelt V dem K wahrheitswidrig vor, dass die Karte einen hohen Sammlerwert hat und K mit einem Weiterverkauf Gewinn machen wird. K ist begeistert und willigt ein.

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Einordnung des Falls

Anfechtung nach § 123 BGB bei reinem Motivirrtum

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann seine Willenserklärung wegen Eigenschaftsirrtums anfechten (§ 119 Abs. 2, § 142 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Eigenschaftsirrtum stellt eine Ausnahme von der Regel dar, dass die Motive, die den Erklärenden zum Vertragsschluss bewegen, nicht zur Anfechtung berechtigen. Dazu muss der Erklärende jedoch über verkehrswesentliche Eigenschaften der Sache geirrt haben. Eigenschaft einer Sache sind alle wertbildenden Faktoren. Nicht umfasst ist jedoch der Wert der Sache selbst. Hier irrt K über den Sammlerwert der Karte. Damit ist er nicht zur Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums berechtigt.
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2. K kann seine Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB).

Ja!

V täuscht über die Tatsache, dass K die Karte an einen Sammler mit hohem Gewinn weiterverkaufen kann. Die Gewinnerwartung stellt dabei lediglich das Motiv zum Vertragsschluss dar. Grundsätzlich berechtigt ein bloßer Motivirrtum nicht zur Anfechtung. Nach § 123 Abs. 1 BGB ist jedoch als Täuschung jedes Verhalten anzusehen, das bei einem anderen einen Irrtum erregt oder aufrechterhält. Dabei ist es (im Gegensatz zu § 119 BGB) unerheblich, um welche Art von Irrtum es sich handelt. Auch ein durch arglistige Täuschung entstandener Motivirrtum berechtigt zur Anfechtung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DGR

DGR

3.1.2022, 19:23:35

Aber der Sammlerwert ist doch eine

Verkehrswesentliche Eigenschaft

bei SAMMELkarten. Der Sammlerwert ist ja ungleich dem

tat

sächlichen Wert. Das sieht man ja auch an Geld: Bestimmte 2€ Stücke die selten sind haben einen hohen Sammlerwert, wobei der echte Wert hingegen nur 2€ beträgt

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.1.2022, 10:05:57

Hallo Senpai, auch wenn der Wert der Sammelkarten letztlich eine Eigenschaft darstellt, wird im Hinblick auf den Wert eines Gegenstandes § 119 Abs. 2 BGB

teleologisch

reduziert. Nach der herrschenden Meinung sind insoweit lediglich wertbestimmende Faktoren (zB Zustand der Karte, Seltenheit der Karte, echt oder gefälscht). Zur Begründung wird angeführt, dass der Wert des Gegenstandes Schwankungen unterliege und letztlich in die Risikosphäre des Käufers falle (vgl. Armbrüster, in: MüKo-BGB, 9.A. 2021, § 119 RdNr. 143). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BenKenobi

BenKenobi

29.11.2023, 16:52:57

Ein hoher Sammlerwert geht aber in der Regel auf eine Seltenheit der Sache zurück, sonst gäbe es nach der Verkehrsauffassung kein besonderes Sammlerinteresse bezüglich der Sache. Ich sehe daher gute Gründe dafür, dass die Behauptung eines hohen Sammlerwerts aus Sicht eines objektiven Empfängers eine Seltenheit indiziert und mithin einen

Eigenschaftsirrtum

begründet. Diese Überlegung wäre aber wohl eher etwas für eine mündliche Prüfung, als für eine Klausur.

UN

Unterfertigter

1.4.2024, 01:31:12

Der hohe Wert indiziert nicht nur die Seltenheit, er bedingt sie. Der Wert setzt sich immer aus Angebot und Nachfrage zusammen. Wenn es morgen Diamanten regnet, sind die nichts mehr wert. Ebenso mit Geld. Deswegen lässt sich hier mE bei realitätsnaher Auslegung nur schwer argumentieren, dass der Käufer nicht wegen eines

Eigenschaftsirrtum

s bzgl der Seltenheit anfechten kann

Pilea

Pilea

4.1.2024, 13:27:43

Hier verdecken die Buttons noch die Schrift.

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

2.4.2024, 11:24:48

Wie sieht der Fall aus, wenn man darauf abstellt, dass K darüber irrt, dass es sich um eine Sammlerkarte handelt und nicht (wie hier) über den Sammlerwert (der hier sowieso nicht konkret bestimmt wurde). Dass es sich um eine Sammlerkarte handeln würde bzw. K es denkt wäre dann doch als Eigenschaft iSd § 119 Abs. 2 BGB zu charakterisieren, oder sehe ich das falsch. Dies wäre dann doch auch ein wertbildender Faktor und nicht der Wert der Sache selbst. Vielen Dank

PAUL1

paul1ne

16.7.2024, 10:05:30

Ich würde dir auch zustimmen darin, dass der Irrtum über den Sammlerwert nicht zur Anfechtung berechtigt, wohl aber der Irrtum über die Seltenheit der Karte als wertbildender Faktor. Aber ich will mich auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, vielleicht denken wir beide auch falsch😅

Trowa Barton

Trowa Barton

15.8.2024, 20:06:04

Das Problem, dass hier nicht erklärt wird wie darüber getäuscht wurde. Als Leser nimmt man natürlich eine lebensnahe Sachverhaltsauslegung vor und unterstellt, dass der getäuschte nicht minderbemittelt ist. Die Ausführung, dass Seltenheit ein wertbildender Faktor ist und damit zur Anfechtung berechtigen würde, stimmt aber auf jeden Fall.

HAGE

hagenhubl

21.10.2024, 10:24:21

Auch hier hätte K stutzig werden müssen. Wäre die Aussage des V wahr, hätte er die Karte selbst an den anderen Käufer verkauft und den höheren Gewinn eingesteckt.

BEN

benjaminmeister

14.11.2024, 19:27:10

@[hagenhubl](233869) auch der Naive wird durch das Anfechtungsrecht geschützt. Stimme den anderen hier auch zu, wenn man auf die Eigenschaft "Sammelkarte" abstellt wird man wohl zu einem

Eigenschaftsirrtum

kommen. § 119 Abs. 2 BGB wird dann aber vom Gewährleistungsrecht verdrängt (nicht hingegen § 123 Abs. 1 BGB).


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