+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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T geht irrig davon aus, dass O ihm €100 schuldet. Er geht gerichtlich gegen O vor. Als die Klageabweisung droht, fälscht T Beweismittel. O wird auf Grundlage dessen zur Zahlung verurteilt.

Einordnung des Falls

Fälliger, einredefreier Anspruch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die von T erstrebte Bereicherung war rechtswidrig.

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Ja, in der Tat!

Neben der Rechtswidrigkeit der Tat, muss zusätzlich auch die erstrebte Bereicherung rechtswidrig sein. Ein Betrug kommt somit nicht in Betracht, wenn der Täter einen fälligen und einredefreien Anspruch hat und diesen mittels Täuschung durchsetzt. T geht irrig davon aus, dass O ihm €100 schuldet. In Wahrheit hat er keinen fälligen und einredefreien Anspruch gegen O.

2. Hat sich T nach § 263 StGB strafbar gemacht.

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Nein!

Neben der Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung muss der Täter mit Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit der Bereicherung gehandelt haben. T ging davon aus, er habe einen fälligen und einredefreien Anspruch. Dieser Irrtum führt nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB zu einem vorsatzausschließendem Tatbestandsirrtum.

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Jakob G.

Jakob G.

26.7.2022, 16:44:57

Im vorliegenden Fall wäre T dennoch strafbar aus Urkundenfälschung, § 267 StGB. Jedenfalls aus Var. 3.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.7.2022, 15:43:32

Hallo Jakob G, der Sachverhalt hat das gefälschte Beweismittel nicht näher spezifiziert. Sofern es sich dabei aber um eine Urkunde (=eine (1) zum Beweis geeignete, (2) verkörperte Gedankenerklärung, die (3) ihren Aussteller erkennen lässt) handelt (zB einen Darlehensvertrag), dann wäre sowohl die Herstellung als auch der Gebrauch dieser unechten Urkunde nach § 267 Abs. 1 Var. 1, 3 StGB strafbar. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

NIC

Nick

23.9.2022, 12:00:46

Da T weiß, das Klageabweisung droht, hätte er doch wissen können, dass er keinen Anspruch hat. Damit müsste doch zumindest bedingter Vorsatz in Bezug auf die Rechtswidrigkeit der Bereicherung vorliegen? Wäre es denn ansonsten durchgegangen? Ist der Richter dann Getäuschter und das Urteil die Verfügung?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.11.2022, 17:33:46

Hallo Nick, der Fall ist zugegebenermaßen etwas konstruiert. Aber allein der Umstand, dass die Klageabweisung droht, heißt nicht automatisch, dass der Anspruch nicht besteht. Vielmehr trifft den Kläger im Zivilprozess die Beweislast für die für ihn günstigen Umstände. D.h. es kann durchaus sein, dass er einen Anspruch hat, aber diesen nicht beweisen kann (zB bei einem mündlich geschlossenen Vertrags). Und ja, im Übrigen wären die Voraussetzungen vorgelegen. Da mit der Entscheidung des Gerichts der obsiegenden Partei die rechtliche Möglichkeit des Zugriffs auf das Vermögen des Opfers eingeräumt wird, spielt es keine Rolle, dass mit der Entscheidung ggf die materielle Rechtslage nicht verändert wird. Der geschaffene Titel (=das Urteil) stellt bereits eine schädigende Vermögensverfügung dar. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BL

Blotgrim

22.4.2023, 16:03:56

Wie würde es mit der Stoffgleichheit aussehen? Es wird ja das Gericht getäuscht, das verfügt ja aber nicht sondern der Beklagte

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2023, 12:40:53

Hallo Blotgrim, hier musst Du ein wenig aufpassen. Eine Identität muss zwischen dem Getäuschten, Irrenden und Verfügenden bestehen. Der Verfügende muss aber nicht zwingend den Schaden erleiden. Für die Annahme der Stoffgleichheit ist Voraussetzung, dass der Täter den Vorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten in der Weise anstrebt, dass der Vorteil die Kehrseite des Schadens ist. Durch die Verurteilung erlangt T einen (vorläufig) vollstreckbaren Titel gegen O über €100. Os Vermögen erleidet dagegen in dieser Höhe eine Verminderung. Somit besteht ein stoffgleicher Schaden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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