+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T will seinem Boss B seine Meinung sagen. Daher trinkt er sich Mut an und fährt - wie von vorneherein geplant - mit seinem Pkw zu B, obwohl er eine BAK von 3,4‰ aufweist.
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Einordnung des Falls
§ 316 StGB: Schuldunfähigkeit & a.l.i.c.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat vorsätzlich und rechtswidrig den Tatbestand der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) verwirklicht.
Ja, in der Tat!
§ 316 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter vorsätzlich ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr trotz alkohol- oder sonst rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit führt.
T hat seinen Pkw unter Beherrschung der dafür erforderlichen technischen Funktionen bewegt, mithin ein Fahrzeug geführt. Dies geschah im öffentlichen Straßenverkehr. Ferner war T mit einer BAK von mehr als 1,1‰ im Fahrtzeitpunkt nach gesicherten verkehrsmedizinischen Erkenntnissen unwiderlegbar nicht in der Lage, den Pkw sicher zu führen (sog. absolute Fahruntüchtigkeit). Da ihm diese Umstände bekannt waren, begegnet auch der Vorsatz keinen Bedenken. T handelte rechtswidrig.
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2. T war im Zeitpunkt der Trunkenheitsfahrt schuldunfähig (§ 20 StGB).
Ja!
Bei einer BAK von mindestens 3,0‰ zur Tatzeit ist regelmäßig Schuldunfähigkeit in Gestalt einer krankhaften seelischen Störung oder einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung (§ 20 StGB) gegeben. Hierbei sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzustellen.
Zum Zeitpunkt der Trunkenheitsfahrt wies T eine BAK von 3,4‰ auf. Es liegen keine anderweitigen Anzeichen vor, sodass zugunsten des T von Schuldunfähigkeit auszugehen ist (§ 20 StGB).
3. Die „Grundsätze der actio libera in causa“ (a.l.i.c.) wurden entwickelt, um trotz Schuldunfähigkeit eine Bestrafung aus dem jeweiligen Delikt begründen zu können.
Genau, so ist das!
Der Vollrausch (§ 323a StGB) hat eine Strafobergrenze von fünf Jahren. Daher kann die alleinige Bestrafung wegen Vollrausches unbefriedigend sein, wenn der Täter sich zielgerichtet für seine Tat in den Zustand der Schuldunfähigkeit versetzt. Zur Lösung dieses Problems wurden die Grundsätze der a.l.i.c. entwickelt. Eine vorsätzliche a.l.i.c. liegt vor, wenn sich der (bedingte) Vorsatz zur Zeit der Schuldfähigkeit auf die Defektsherbeiführung und die konkrete tatbestandsmäßige Handlung im Zustand der Schuldunfähigkeit bezog.
Da T sich absichtlich betrank, um in diesem Zustand zu B zu fahren, liegen diese Voraussetzungen vor.
Diese Rechtsfigur könnte aber gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen.
4. Nach h.M. ersetzt die „a.l.i.c. als Schuldmodell“ die fehlende Schuldfähigkeit im Tatzeitpunkt.
Nein, das trifft nicht zu!
Es gibt zwei Begründungsmodelle im Zusammenhang mit der Schuld. Zunächst geht die sog. Ausnahmetheorie von einer Ausnahme bei der Anwendung des § 20 StGB aus, wenn der Täter sich zielgerichtet berauscht. Da es sich hierbei um eine täterbelastende Analogie handelt, verstößt sie aber gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Nach der sog. Ausdehnungstheorie ist der Begriff „bei Begehung der Tat“ in § 20 StGB extensiv auszulegen, so dass auch vortatbestandliches Vorverhalten erfasst sei. Diese Ansicht kann aber nicht erklären, wieso dieser Begriff in § 20 StGB anders verstanden werden soll als in §§ 16, 17 StGB. Beide Begründungsmodelle sind daher abzulehnen.
5. T hat sich durch das „Sichbetrinken“ wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht (§ 316 Abs. 1 StGB i.V.m. vorsätzlicher a.l.i.c.).
Nein!
Es gibt zwei Begründungsmodelle im Zusammenhang mit dem Tatbestand. Die sog. Werkzeugtheorie verweist auf die Parallele zur mittelbaren Täterschaft und behauptet, der Täter benutze sich selbst als schuldunfähiges Werkzeug. Abgesehen davon, dass in § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB von der Tatbegehung „durch einen anderen“ die Rede ist, können eigenhändige Delikte - wie hier § 316 StGB - ohnehin nicht mittelbar täterschaftlich verwirklicht werden. Die h.M. vertritt die sog. Vorverlagerungstheorie, die an das Sichbetrinken anknüpft und bereits hierin die spätere Ausführungshandlung sieht. Aber auch diese Theorie führt vorliegend nicht weiter, weil sie bei verhaltensgebundenen Delikten - wie hier § 316 StGB - nicht angewendet wird.
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