Öffentliches Recht

VwGO

Allgemeine Leistungsklage

Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage: Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis (vorbeugende Unterlassungsklage gegen erwarteten VA Fall 1)

Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage: Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis (vorbeugende Unterlassungsklage gegen erwarteten VA Fall 1)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Weil R Streit mit dem zuständigen Sachbearbeiter S hat, rechnet sie damit, dass S eine behördliche Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 GewO) für Rs Betrieb erlassen wird. R will das verhindern, weil selbst eine kurzfristige Schließung R finanziell ruinieren würde.

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Einordnung des Falls

Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage: Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis (vorbeugende Unterlassungsklage gegen erwarteten VA Fall 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R möchte den bevorstehenden Erlass der Gewerbeuntersagung und damit den Erlass eines Verwaltungsakts verhindern. Statthaft ist die vorbeugende Anfechtungsklage.

Nein!

Es gibt keine vorbeugende Anfechtungsklage. Die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist nur statthaft, wenn sich der Kläger gegen einen bereits erlassenen Verwaltungsakt wenden will. In diesen Fällen ist die allgemeine Leistungklage statthaft - gerichtet darauf, dass die Verwaltung den Erlass des Verwaltungsakts unterlässt (= vorbeugende Unterlassungsklage). Die behördliche Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 GewO) ist ein klassischer Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 (L)VwVfG). R möchte verhindern, dass dieser Verwaltungsakt erlassen wird.
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2. Der vorbeugende Rechtsschutz gegen den Erlass eines Verwaltungsakts ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis besteht.

Genau, so ist das!

Vorbeugender Rechtsschutz gegen den Erlass eines Verwaltungsakts ist grundsätzlich unzulässig. Es besteht ein Widerspruch zum Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG), wenn das Gericht eine Entscheidung trifft, bevor sich die Verwaltung abschließend mit der Sache beschäftigen konnte. Die vorgesehenen Rechtsmittel (Widerspruch, Anfechtungsklage, vorläufiger Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO) reichen im Normalfall für einen effektiven Rechtsschutz aus - insbesondere aufgrund des Suspensiveffekts der Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 VwGO) und den Möglichkeiten des § 80 Abs. 5 VwGO zur Verhinderung vollendeter Tatsachen. Bei Rechtsschutzbegehren, die vorbeugend gegen Verwaltungsakte - keine Realakte - vorgehen wollen, ist insofern ein besonders strenger Maßstab anzulegen.

3. Der Aufwand, der zur Begründung des besonderen Rechtsschutzbedürfnis betrieben werden muss, richtet sich u.a. danach, wie absehbar eine Rechtsverletzung des Klägers ist.

Ja, in der Tat!

Wenn ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen wurde, sondern nur vom Kläger erwartet wird, muss im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses "in die Zukunft geschaut" werden - also eine Prognose der zu erwartenden Folgen getroffen werden. Denn die Folgen des Verwaltungsakts sind tatsächlich noch nicht eingetreten. Zur Beurteilung, ob ein besonderes (= qualifiziertes) Rechtsschutzinteresse besteht, kommt es im ersten Schritt darauf an, ob der Erlass des Verwaltungsakts wahrscheinlich und eine Rechtsverletzung des Klägers zu erwarten ist. Ist die Rechtsverletzung des Klägers eher unwahrscheinlich wird es schwer fallen, das qualifizierte Rechtsschutzinteresse des Klägers zu begründen.

4. Die absehbare Gewerbeuntersagung wird R wahrscheinlich in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. Deswegen kann das qualifizierte Rechtsschutzinteresse ohne weitere Begründung angenommen werden.

Nein!

Selbst wenn eine Rechtsverletzung durch den erwarteten Verwaltungsakt wahrscheinlich ist, kann ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse nicht ohne weiteres angenommen werden. Denn dann läge dieses bei jeglicher Art von zu erwartenden belastenden Verwaltungsakten vor und der vorbeugende Rechtsschutz wäre keine Ausnahme mehr. Allein die Aussicht, dass eine Gewerbeuntersagung wahrscheinlich ergehen wird und R in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen könnte, reicht noch nicht aus, um ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse der R zu begründen. Es müssen darüber hinausgehende besondere Umstände vorliegen.

5. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn das Abwarten des Verwaltungsakts vollendete oder nur schwer rückgängig zu machende Tatsachen schaffen würde.

Genau, so ist das!

Ein besonderes Rechtsschutzinteresse besteht, wenn das Abwarten des Verwaltungsakts dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann. Dies ist der Fall, wenn der Erlass des Verwaltungsakts weitreichende, irreparable Schäden mit sich bringt, die der Betroffene nicht durch die Erhebung von Widerspruch und Anfechtungsklage und der damit grundsätzlich verbundenen aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) abwenden kann. Die Rspr. nimmt ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse bei präventiven Klagen gegen Verwaltungsakte nur sehr selten an.

6. R kann auf die nachträglichen Rechtsmittel verwiesen werden. Es besteht kein besonderes Rechtsschutzinteresse.

Ja, in der Tat!

Ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse liegt vor, wenn der Erlass des Verwaltungsakts schwer rückgängig zu machende Tatsachen schaffen würde. R kann durch sofortigen Widerspruch und Klageerhebung die aufschiebende Wirkung erreichen (vgl. §§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, 80 Abs. 1 und 5 VwGO) und so schwerwiegende finanzielle Folgen abwenden. Da der Verwaltungsakt für R schon absehbar ist, kann sie Klage und vorläufigen Rechtsschutz bereits vorbereiten und unverzüglich handeln. Insbesondere unter Berücksichtigung des Gewaltenteilungsprinzips muss R auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden.
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