Öffentliches Recht
VwGO
Allgemeine Leistungsklage
Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage: Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis (vorbeugende Unterlassungsklage gegen erwarteten VA Fall 1)
Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage: Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis (vorbeugende Unterlassungsklage gegen erwarteten VA Fall 1)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Weil R Streit mit dem zuständigen Sachbearbeiter S hat, rechnet sie damit, dass S eine behördliche Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 GewO) für Rs Betrieb erlassen wird. R will das verhindern, weil selbst eine kurzfristige Schließung R finanziell ruinieren würde.
Diesen Fall lösen 80,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage: Qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis (vorbeugende Unterlassungsklage gegen erwarteten VA Fall 1)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R möchte den bevorstehenden Erlass der Gewerbeuntersagung und damit den Erlass eines Verwaltungsakts verhindern. Statthaft ist die vorbeugende Anfechtungsklage.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der vorbeugende Rechtsschutz gegen den Erlass eines Verwaltungsakts ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Genau, so ist das!
3. Der Aufwand, der zur Begründung des besonderen Rechtsschutzbedürfnis betrieben werden muss, richtet sich u.a. danach, wie absehbar eine Rechtsverletzung des Klägers ist.
Ja, in der Tat!
4. Die absehbare Gewerbeuntersagung wird R wahrscheinlich in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. Deswegen kann das qualifizierte Rechtsschutzinteresse ohne weitere Begründung angenommen werden.
Nein!
5. Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn das Abwarten des Verwaltungsakts vollendete oder nur schwer rückgängig zu machende Tatsachen schaffen würde.
Genau, so ist das!
6. R kann auf die nachträglichen Rechtsmittel verwiesen werden. Es besteht kein besonderes Rechtsschutzinteresse.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
Jurafuchs kostenlos testen
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Pacta sunt servanda
14.3.2023, 10:27:02
Die Behörde wird nach 80 Abs 2 nr. 4 regelmäßig den sofortigen Vollzug anordnen. Die Lösung über einen Widerspruch ist damit aus meiner Sicht hier praxisfern.
Nora Mommsen
14.3.2023, 11:45:36
Hallo pacta sunt servanda, danke für den Hinweis. Du hast Recht, dass in der Praxis die Behörde häufig direkt eine Anordnung sofortiger Vollziehung erlassen wird. Nichts destotrotz ist es zum Einen nicht zwingend, zum Anderen unbedingt erforderlich das Grundprinzip des einstweiligen Rechtsschutzes zu verstehen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Swagni
22.2.2024, 09:07:31
Hallo, in einem vorherigen Beispiel wurde darauf abgestellt, dass bereits eine kurzfristige Untersagung den R in den finanziellen Ruin treiben würde und deshalb der Verweis auf repressiven Rechtsschutz unzumutbar wäre. Warum wird das hier anders bewertet?
Nils
20.4.2024, 14:49:37
Sehe ich genauso!
Nils
20.4.2024, 14:54:10
Wahrscheinlich ist hier der Unterschied, dass es um den Erlass eines VA geht, bei dem Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, und nicht um ein Realhandeln der Behörde.
Linne_Karlotta_
6.8.2024, 09:44:22
Hallo in die Runde, ich bin mir leider nicht sicher, auf welches Beispiel ihr anspielt, da es m.E. nur diesen einen Fall mit R gibt. Ich hoffe, die nachfolgenden Ausführungen helfen euch dennoch weiter: Wir haben hier in der Aufgabe absichtlich angeführt, dass bereits eine kurzfristige Schließung R in den Ruin treiben würde. Damit wollten wir aufzeigen, dass das eben noch nicht (per se) ausreichend ist, um das qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Denn es kommt gerade darauf an, dass der nachträgliche Rechtsschutz unzumutbar ist, d.h. keinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gewährleistet, z.B. weil der Kläger vor vollendeten Tatsachen steht, wenn er das Handeln der Behörde abwartet. Es reicht also nicht aus, dass eine Rechtsverletzung eintritt (selbst, wenn diese von einigem Gewicht ist). In den Fällen, in denen der Erlass eines
Verwaltungsakts erwartet wird, kann i.d.R. auf einen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden: Entweder hat der Widerspruch oder die Anfechtungsklage des Betroffenen aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO), d.h. in unserem Fall: Der
Verwaltungsaktdürfte nicht vollzogen werden und R könnte weiterhin sein Gewerbe betreiben (sprich: Keine Schließung – kein finanzieller Ruin). Für den Fall, dass die Behörde die sofortige Vollziehung anordnet (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder die aufschiebende Wirkung aus anderen Gründen entfällt, stünde dem Kläger der einstweilige Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO zu. In beiden Fällen ist es dem Kläger also zumutbar, auf den repressiven Rechtsschutz verwiesen zu werden. Irreparable Schäden sind daher i.d.R. nie zu erwarten, wenn lediglich der Erlass eines
Verwaltungsakts erwartet wird. Das ist – wie ihr schon richtig sagt – anders, wenn ein Realhandeln der Behörde befürchtet wird. Hier fehlt nämlich der „Zwischenschritt“ des Erlasses eines
Verwaltungsakts (der erstmal niemandem tatsächlich schadet). Durch ein Realhandeln werden direkt tatsächliche, nicht nur rechtliche Zustände geschaffen, die im Einzelfall schwer rückgängig zu machen sind. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team