Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Kalkulationsirrtum, offen (§ 119 Abs. 1 BGB)
Definition: Kalkulationsirrtum, offen (§ 119 Abs. 1 BGB)
22. Februar 2025
13 Kommentare
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Was versteht man unter einem „offenen Kalkulationsirrtum“ (§ 119 Abs. 1 BGB)?
Ein offener Kalkulationsirrtum liegt vor, wenn die Kalkulation nicht verborgen bleibt (verdeckter Kalkulationsirrtum), sondern zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht wird. Das Reichsgericht ging davon aus, dass beim offenen Kalkulationsirrtum ein zur Anfechtung berechtigender „erweiterter Inhaltsirrtum“ vorliege. Dem ist der BGH entgegengetreten: Auch ein offener Kalkulationsirrtum sei grundsätzlich unbeachtlicher Motivirrtum. Allerdings kann die Auslegung (§ 157 BGB) ergeben, dass der rechnerisch richtige Preis Vertragsbestandteil geworden ist (und eine Anfechtung deshalb gar nicht nötig ist).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Lena
23.11.2021, 22:31:47
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Lukas_Mengestu
24.11.2021, 10:08:19
Danke für den Hinweis, Lena. Meinst du an der Stelle, wo "
verdeckter Kalkulationsirrtum" in Klammern steht? Da sollte tatsächlich
verdeckter Kalkulationsirrtumals Gegenbegriff hin. In der Tat ist es aber etwas missverständlich, denn ein
verdeckter Kalkulationsirrtumliegt ja nur vor, wenn die Kalkulation verborgen bleibt. Wir haben das insofern nun etwas abgeändert, um das deutlicher zu machen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
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juramen
28.12.2021, 22:39:13
Lieber Lukas, Mir ist trotz euer Abänderung gerade derselbe Fehler unterlaufen, da sich der gesamte Kontext, auf den offenen
Kalkulationsirrtumbezieht. Eventuell könnte man das nochmal überarbeiten oder den Gegensatz einfach rausnehmen?
nemotenetor
12.8.2024, 15:13:27
QuiGonTim
17.9.2023, 08:02:46
Wie geht man mit dem offenen
Kalkulationsirrtumeigentlich in der Klausur um? Die Auslegung der Willenserklärung nimmt doch regelmäßig vor, bevor man die Anfechtung anspricht.
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Macke
17.9.2023, 15:16:55
Das habe ich mich auch gefragt.
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Nora Mommsen
26.9.2023, 15:34:24
Hallo ihr beiden, nicht notwendigerweise kommt es immer erst zur Auslegung. Prüft man beispielsweise einen Anspruch aus
Bereicherungsrechtdurch, kommt es erst zur Prüfung des Rechtsgrunds. Da könnte dann ein Vertrag bestehen über den Kauf/Verkauf von Sache X. Dieser könnte aber angefochten worden sein. Dann prüft ihr die unterschiedlichen Möglichkeiten durch und lehnt beispielsweise eine Anfechtung ab, weil es sich bei einem offenen
Kalkulationsirrtumeben nicht um einen anfechtungsbegründenden Irrtum handelt. Dies wäre auch abzugrenzen vom verdeckten
Kalkulationsirrtuman der Stelle. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
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schwemmely
27.11.2024, 09:45:06
Ich hätte hier nochmal eine Nachfrage für die Klausur: Hat man den offenen
Kalkulationsirrtum, so grenzt man zuerst zum verdeckten ab, indem man den Unterschied aufzeigt und fragt sich, ob beim offenen nicht doch ein anfechtungsbergündender Irrtum vorliegt. Dies verneint man dann jedoch (es bleibt ein
Motivirrtum), aber geht man danach weiter und fragt, ob dieser nach der Auslegung §§
133, 157 BGBtheoretisch zum Bestandteil der Vertragsverhandlungen wurde (im Rahmen der
falsa demonstratio non nocet), wenn ja ist am Ende dann der richtige Betrag Bestandteil geworden. Wenn nicht, liegt dann ein Dissens vor?
Niklas3461
12.7.2024, 12:52:39
Die Kalkulation ist der Gegenseite mitgeteilt worden. Diese ist falsch. Nach aktueller BGH Rspr. muss ausgelegt werden gem. §§
133, 157ob die Kalkulation Grundlage des Rechtsgeschäfts geworden ist oder der Endpreis. Wenn sie Grundlage geworden ist, so ist der Vertrag mit dem richtigen Ergebnis der Kalkulation zustande gekommen, kann aber unter Umständen von der Gegenseite angefochten werden. Foxy korrigiert daraufhin: Dass dies genau gegen die Definition gehe. Aber hier wird eindeutig von der Möglichkeit der Anfechtung der Gegenseite gesprochen, wenn der Vertrag mit dem richtigen Ergebnis der Kalkulation zustande kommt. Es wäre mega, wenn ihr mir hier einmal erklären könntet warum meine Definition falsch ist. Vielen Dank schon für die aufgewendete Zeit. Niklas
Timurso
12.7.2024, 13:38:33
Deine müsste passen. Ich glaube, der KI gefällt einfach nicht, dass du überhaupt was von Anfechtung erzählst bzw. kann nicht zwischen der einen und der anderen Partei unterscheiden.
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NatürlichBlond
13.12.2024, 16:52:12
Hi ihr beiden, ich sehe das so: Deine Definition @[Niklas3461](215434) ist richtig bis auf den letzten Halbsatz ("kann unter Umständen von der Gegenseite angefochten werden"). Fall: Partei A stellt Kalkulation auf (1+1=X), teilt dies Partei B mit (Angebot). Partei B bestätigt 1+1=X (Annahme). Die Kalkulation ist Basis des Rechtsgeschäfts geworden. Das Reichsgericht hätte gesagt, ein fehlerhaftes Ergebnis (bspw. A denkt, X=5) würde A zur Anfechtung berechtigen. Der BGH sagt Nein, denn die Kalkulation ist Teil des Vertrages, dh der Vertrag ist auf Basis der Kalkulation (mit dem richtigen Ergebnis) zustande gekommen. Was die Parteien zum Ergebnis denken, ist irrelevant, also gibt es auch kein Anfechtungsrecht wegen Irrtums, auf keiner Seite. Die Situation ist mMn vergleichbar mit dem Konzept des Angebots
ad incertas personas(der Vertragspartner ist bestimmbar, aber bei Abgabe des Angebots noch unbestimmt - der Rechenweg ist bei Vertragsschluss bestimmt, das Ergebnis bestimmbar) und dem Konzept des
falsa demonstratia non nocet(A und B erklären beide "X" und meinen damit das Ergebnis von 1+1; halten aber X=5 für das Ergebnis, was offenkundig falsch ist). Letzteres mMn nur dann vergleichbar, wenn sich beide Parteien gleich irren (nicht: A denkt x=5 und B denkt X=3). Anders läge der Fall mMn nur dann, wenn die Kalkulation selbst, dh der Rechenweg, falsch wäre (zB 1-1 statt 1+1). Der Umgang damit wäre dann aber wieder stark vom Parteiwillen im
Einzelfallabhängig. Viele Grüsse