Strafrecht

BT 7: Nachtatdelikte u.a.

Strafvereitelung (§ 258 StGB)

Verhältnis der Begünstigung zu § 145d StGB

Verhältnis der Begünstigung zu § 145d StGB

3. Juni 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist betrunken Auto gefahren und hat so einen Unfall verursacht (§§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2, 316 StGB). As Ehefrau F, die als Beifahrerin im Auto saß, will verhindern, dass A seine Fahrerlaubnis verliert. Sie gibt sich gegenüber Polizistin P als Fahrerin aus. P glaubt F.

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Einordnung des Falls

Verhältnis der Begünstigung zu § 145d StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat F sich wegen Strafvereitelung strafbar gemacht, indem sie behauptete, sie habe das Auto gefahren und den Unfall verursacht (§ 258 Abs. 1 StGB)?

Nein!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 258 Abs. 1 StGB sind: (1)Strafbare Vortat eines anderen (2)Ganz oder teilweise Vereitelung der Bestrafung oder Maßnahme F müsste subjektiv vorsätzlich bezüglich der Vortat und absichtlich oder wissentlich bezüglich des Vereitelns gehandelt haben. Zudem müsste die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein und kein persönlicher Strafausschließungsgrund nach § 258 Abs. 5 und 6 StGB eingreifen.Eine Vortat des A liegt vor. Indem F gegenüber der Polizei behauptete, sie sei die Fahrerin gewesen, hat sie verhindert, dass A einer Maßnahme - dem Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB - unterworfen wurde. F handelte absichtlich, rechtswidrig und schuldhaft. Allerdings ist A als Ehemann ein Angehöriger der F im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1a StGB. F bleibt deswegen gem. § 258 Abs. 6 StGB straffrei.
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2. F könnte sich wegen Vortäuschens einer Straftat strafbar gemacht haben, indem sie gegenüber der Polizei behauptete, sie habe das Auto gefahren und den Unfall verursacht (§ 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB sind: (1)Adressat: Behörde oder eine zur Entgegennahme von Anzeigen zuständige Stelle (2)Tathandlung: Täuschung über den Beteiligten an einer rechtswidrigen Tat F müsste wissentlich bezüglich der Unrichtigkeit der Behauptung und im Übrigen vorsätzlich gehandelt haben. Zudem müsste die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein.Beachte: Nach § 145d Abs. 1 StGB ist das Vortäuschen einer Straftat formell subsidiär zur Bestrafung nach §§ 258, 258a und 164 StGB. Bejahst Du die Strafbarkeit nach einer dieser Normen, tritt § 145d StGB hinter diese zurück.

3. Die ganz h.M. wendet die persönlichen Strafausschließungsgründe aus § 258 Abs. 5 und Abs. 6 StGB analog auf § 145d StGB an.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der ganz h.M. können die persönlichen Strafausschließungsgründe nicht analog auf § 145d StGB angewandt werden. Dagegen spreche die unterschiedliche Schutzrichtung der Normen. Zudem wolle der Gesetzgeber die Selbst- und Angehörigenbegünstigung nur in Ausnahmefällen straffrei stellen. Eine planwidrige Regelungslücke bestehe mithin nicht.F hat den Tatbestand des § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB in rechtswidriger und schuldhafter Weise erfüllt. § 258 Abs. 6 StGB kommt als persönlicher Strafausschließungsgrund nicht analog zur Anwendung. F hat sich demnach nach § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LASE

LaserLasse69

4.6.2024, 16:52:34

Welche Straftat täuscht F denn vor wenn sie gegenüber der Polizei aussagt, sie sei gefahren? Da sie selber nicht betrunken ist scheidet ein § 315c I Nr. 1a ja aus und für sonstige Verkehrsdelikte sehe ich keine Anhaltspunkte. Oder habe ich da etwas übersehen?

Dogu

Dogu

29.7.2024, 18:21:24

So wie ich Abs. 2 Nr. 1 StGB verstehe geht es nicht darum, eine nicht vorhandene

rechtswidrige Tat

vorzutäuschen, sondern über den

Beteiligte

n einer tatsächlich vorhandenen

rechtswidrig

en Tat zu täuschen. Und eine solche tatsächliche Tag gibt es hier.

LASE

LaserLasse69

31.7.2024, 14:13:41

Aber die alkoholbedingte

Fahruntüchtigkeit

ist doch hier konstitutiv für die Strafbarkeit. Wenn F also vortäuscht sie sei gefahren gibt sie ja nicht vor, sie habe den § 315c I Nr. 1a begangen, sondern behauptet, dass dieser gar nicht begangen worden sei. Geht man zudem beim Normzweck des § 145d davon aus, dass die

Behörde

n vor unnötigen Ermittlungsarbeiten gewahrt werden sollen, ist dieses Schutzgut nicht wirklich betroffen. Denn wenn die Polizisten nach einer Atemalkoholkontrolle feststellen, dass F nicht alkoholisiert ist werden sie ja keine weiteren Ermittlungen etwaiger Strafbarkeit anstellen. Unterm Strich entlastet F also die Polizei.

Dogu

Dogu

31.7.2024, 22:26:41

Achso. Ja das klingt überzeugend.

L.G

L.Goldstyn

5.8.2024, 20:35:30

Hallo LaserLasse, sehr gute Überlegungen, die – soweit ich das einschätzen kann – vollkommen richtig sind. Rengier behandelt genau das vorliegende Beispiel: F ist nach einem Gaststättenbesuch mit seinem Pkw im Zustand der

Fahruntüchtigkeit

in Schlangenlinien nach Hause gefahren und angezeigt worden. Um der Bestrafung gemäß § 316 zu entgehen und den Führerschein nicht zu verlieren, geben F und seine fahrtüchtige Ehefrau E gegenüber der bald eintreffenden Polizei übereinstimmend an, dass E gefahren sei. In diesem Fall lenken F und E den Verdacht von dem Täter F auf die E, in deren Person die Tat gerade keine Straftat darstellt. Sie wollen keine unnützen (weiteren) Ermittlungen, sondern die Einstellung der polizeilichen Tätigkeit bewirken. Daher erfüllen weder F noch E § 145d II Nr. 1 (BGHSt 19, 305; OLG Celle NStZ 1981, 440). In Betracht kommen bei E eine (versuchte)

Strafvereitelung

und bei F eine Anstiftung oder Beihilfe dazu, wobei § 258 VI bzw. V zur Straffreiheit führt. (Rengier StrafR BT II, § 51. Vortäuschen einer Straftat (§ 145d) Rn. 13, beck-eBibliothek) Auch andere Literaturquellen stimmen dem zu. Meine Vermutung ist, dass Jurafuchs hier nur auf die Frage der Übertragbarkeit der § 258 Abs. 5, 6 StGB auf § 145d StGB eingehen wollte. Du hast aber völlig recht, dass das gewählte Beispiel dafür nicht wirklich geeignet ist.

OKA

okalinkk

23.4.2025, 21:35:25

Dann sollte das in der Aufgabe aber geändert werden

OKA

okalinkk

23.4.2025, 18:56:44

Nur zur Vollständigkeit: 164 I StGB scheitert, da die Selbstbezichtigung nach dieser Norm (anders als bei 145d) straflos ist?

LELEE

Leo Lee

14.5.2025, 12:04:59

Hallo okalinkk, vielen Dank für die sehr gute Frage! Genauso ist es: Da 164 StGB klar im Wortlaut darauf abstellt, dass die Straftat "gegen einen anderen" begangen werden muss, schetiert der § 164 I bei einer Selbstbezichtigung. (diese Lücke schließt dann 145d)! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Müko-StGB 5. Auflage, Zopfs § 164 Rn. 16 f. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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