1. A könnte den objektiven Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung erfüllt haben, indem er Z narkotisierte und mit einem Skalpell operierte (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5 StGB).
Ja!
Der objektive Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) setzt eine Körperverletzungshandlung voraus. Dazu gehören die körperliche Misshandlung (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB) und die Gesundheitsschädigung (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB) einer anderen Person.
Die gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) ist eine Qualifikation zur einfachen Körperverletzung. In Betracht kommen hier:
(1) Beibringung von Gift (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB)
(2) Begehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2) und
(3) Begehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Sofern im Sachverhalt Angaben dazu sind, dass der Arzt im Team operiert hat (was in der Realität typischerweise der Fall sein wird), käme auch noch eine gemeinschaftliche Begehung mit einem anderen Beteiligten in Betracht (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) zu prüfen.
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2. A müsste Z zunächst körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben. Erfüllt ein ärztlicher Heileingriff unstreitig immer den objektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB?
Nein, das ist nicht der Fall!
In der Regel sollen ärztliche Heileingriffe natürlich nicht zur Strafbarkeit des Arztes führen. Umstritten ist aber, wie das zu begründen ist.Nach st. Rspr. erfüllen Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit auch dann den Tatbestand des § 223 StGB, wenn sie als ärztliche Heileingriffe und lege artis durchgeführt werden. Denn nur so würde das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gewahrt und eigenmächtige Eingriffe ausgeschlossen. Die Strafbarkeit von Ärzten entfällt (erst) auf der Rechtfertigungsebene, wenn der Patient in den Eingriff einwilligt.
Die h.L. sieht bei Eingriffen, die auf Wiederherstellung oder Erhalt des körperlichen Wohls abzielen und dies im Erfolgsfall auch erreichen oder zumindest körperliche Beschwerden linderen keine objektive Körperverletzung. Denn diese Handlung sei ihrem sozialen Sinngehalt nach nicht auf Verletzung ausgerichtet. Hier kannst Du ohne nähere Ausführungen der Argumente direkt mit der Rspr. unter den objektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB subsumieren. 3. Z war tatsächlich kerngesund und musste nicht operiert werden. Ist in diesem Fall ein Streitentscheid zwischen den Ansichten der Rspr. und der h.L. nötig?
Nein, das trifft nicht zu!
Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften (= pathologischen) Zustandes.
Nach st. Rspr. ist jeder ärztliche Eingriff als tatbestandliche Körperverletzung zu werten. Nach der h.L. kommt es darauf an, ob der Eingriff auf die Wiederherstellung oder den Erhalt körperlichen Wohls abzielt oder körperliche Beschwerden lindern soll. Durch das Öffnen des Bauchraumes für die OP hat A in Ts körperliche Integrität eingegriffen (körperliche Misshandlung). Durch die entstandenen Wunden wurde ein behandlungsbedürftiger, also pathologischer Zustand hervorgerufen (Gesundheitsschädigung). Da Z kerngesund und die OP damit nicht indiziert war, ist sowohl nach der Rspr. als auch h.L. der objektive Tatbestand der Körperverletzung erfüllt.
4. Z wurde für die OP narkotisiert. Ist ein Narkosemittel ein Gift im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB?
Ja!
Ein Gift ist jeder anorganische oder organische Stoff, der durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu beeinträchtigen vermag. Auf den Aggregatzustand des Stoffes kommt es dabei nicht an.Das Narkosemittel hat P für einen nicht unerheblichen Zeitraum sediert. Es ist zudem generell geeignet die Gesundheit eines Menschen zu beeinträchtigen. Ein Narkosemittel ist ein Gift im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB.
5. Ohne Narkose wäre die OP für Z sehr schmerzhaft gewesen. Ist es deshalb denkbar, dass das Narkosemittel unter dem Gesichtspunkt der Risikoverringerung nicht vom Tatbestand erfasst wird?
Genau, so ist das!
Eine Risikoverringerung liegt dann vor, wenn ein drohender Erfolg abgeschwächt oder zeitlich hinausgeschoben wird, ohne dass vom Täter eine neue, andersartige Gefahr gesetzt wird. In diesen Fällen wird der Taterfolg dem Täter objektiv nicht zugerechnet.Durch die Narkotisierung hat A dafür gesorgt, dass Z starke Schmerzen erspart bleiben und die Körperverletzung so erheblich abgemildert. Dies entspricht wertungsgemäß einer Risikoverringerung.Andererseits mildert A durch die Narkose nur das Risiko ab, das er selbst geschaffen hat und kontrolliert: die OP. Es könnte deswegen als unbillig gesehen werden, ihn durch die Annahme einer Risikoverringerung zu privilegieren.
Im Ergebnis sind beide Ansichten vertretbar. Wenn Du dieses Problem in der Klausur erkennst und erörterst, ist das schon juristische Spitzenklasse. Der BGH ist in seinem Beschluss nicht auf die Narkose eingegangen.
6. Das Skalpell, das A für den Eingriff genutzt hat, könnte grundsätzlich ein gefährliches Werkzeug sein (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.Ein Skalpell bei einer OP ist grundsätzlich geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Allerdings ist es umstritten, ob das von einem Arzt fachgerecht geführte Skalpell ein gefährliches Werkzeug ist.
7. A hat das Skalpell fachgerecht und nicht zum Angriff oder zur Verteidigung verwendet. Könnte dies dafür sprechen, das Skalpell als gefährliches Werkzeug abzulehnen?
Ja!
Der BGH hat lange – auf Grundlage des § 223a StGB a.F. – argumentiert, dass das gefährliche Werkzeug nur ein Unterfall der Waffe sei. Der Täter müsse es deshalb waffenähnlich, also zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken benutzen. Danach sei das fachgerecht geführte Skalpell gerade kein gefährliches Werkzeug.
8. Mit der Neufassung des § 224 StGB Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB ist die Waffe zum Unterfall eines gefährlichen Werkzeugs geworden. Spricht das dafür, dass ein Täter das gefährliche Werkzeug weiterhin waffenähnlich benutzen muss?
Nein, das ist nicht der Fall!
Der BGH hat lange – auf Grundlage des § 223a StGB a.F. – argumentiert, dass ein gefährliches Werkzeug nur dann vorläge, wenn der Gegenstand waffenähnlich benutzt, also zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken benutzt wird. Der BGH hat diese Rspr. geändert! Die alte Argumentation sei seit der Neufassung des § 223a a.F. in § 224 StGB nicht mehr tragfähig, da jetzt die Waffe einen Unterfall des gefährlichen Werkzeugs darstelle (RdNr. 31). Es müsse deswegen kein Angriffs- oder Verteidigungsmittel sein. Dafür spräche auch die Systematik: bei anderen Delikten, die ein gefährliches Werkzeug beinhalten, werde keine Angriffs-/Verteidigungsfunktion verlangt (RdNr. 33). Zudem ziele der Telos der Norm gerade auf die konkret gefährliche Verwendung im Einzelfall ab.
9. Auf Grundlage der aktuellen Rspr. des BGH ist der Skalpell, den A für die OP verwendete, ein gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB.
Ja, in der Tat!
Ein gefährliches Werkzeug i. S. v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und nach seiner konkreten Art der Benutzung geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Es kommt mithin nicht darauf an, wer mit welchem Zweck den fraglichen Gegenstand gebraucht, sondern vielmehr, ob der Gegenstand im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Demnach können auch medizinische Werkzeuge unter den Begriff des gefährlichen Werkzeugs fallen.
Der Skalpell wird dazu genutzt, um den Bauchraum aufzuschneiden. Er sind mithin nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. A hat den objektiven Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB erfüllt.
10. In der OP könnte zudem eine das Leben gefährdende Behandlung liegen (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).
Ja!
Eine Behandlung ist lebensgefährdend, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen.Die OP an Z war potenziell lebensgefährlich. Obwohl sie glimpflich ablief, war sie generell geeignet, Z in Lebensgefahr zu bringen. Damit ist auch der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllt. Unproblematisch ist hier As Vorsatz bezüglich der Verwirklichung sämtlicher objektiven Tatbestandsvoraussetzungen. A kam es gerade darauf an, die OP auf diese Weise durchzuführen.
11. As Handeln könnte allerdings durch eine Einwilligung gerechtfertigt (= nicht rechtswidrig) sein. Hat Z selbst wirksam in die OP eingewilligt?
Nein, das ist nicht der Fall!
Voraussetzungen für eine rechtfertigende Einwilligung sind:
(1) Disponibles Rechtsgut
(2) Einwilligungsfähigkeit
(3) Einwilligungserklärung
(4) Keine Willensmängel
(5) Keine Sittenwidrigkeit (§ 228 StGB)
(6) Subjektives Rechtfertigungselement.Z ist Träger des Rechtsguts seiner körperlichen Unversehrtheit, welches ein disponibles Rechtsgut. Als Baby ist Z aber nicht fähig, in eine Körperverletzung einzuwilligen. Bei Kindern sind deshalb in der Regel die Eltern zu Einwilligung in medizinische Eingriffe berechtigt (§§ 1626, 1629 BGB). Grundsätzlich können auch Minderjährige in eine Körperverletzung einwilligen, sofern sie die erforderliche Reife besitzen, die Reichweite der Erklärung zu überblicken.
12. M ist zwar psychisch erkrankt, aber dennoch einsichts- und urteilsfähig bezüglich der Auswirkungen ihres Tuns. War sie danach zunächst einwilligungsfähig?
Ja, in der Tat!
Zunächst müsste die Person, die die Einwilligung erklärt hat, überhaupt einwilligungsfähig gewesen sein. Voraussetzung dafür ist nicht eine bestehende Geschäftsfähigkeit nach dem BGB, sondern lediglich eine natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit.
M leidet unter dem sog. Münchhausen-Stellvertretersyndrom. Diese Erkrankung führt dazu, dass M Krankheitssymptome ihrer Kinder erfindet oder dramatisiert, um so als besorgte und aufopferungsvolle Mutter wahrgenommen zu werden und Wertschätzung zu erhalten. Das Syndrom führt aber i.d.R. nicht zur Einwilligungsunfähigkeit. Eher ist das Gegenteil der Fall: Den Handelnden ist durchaus bewusst, was sie mit der Erklärung ihrer Einwilligung erreichen. M war einwilligungsfähig. Zudem lagen auch keine Willensmängel vor. M hat auch ausdrücklich ihre Einwilligung in den Eingriff erklärt.
13. Zwar hat M ihre Einwilligung erklärt, die Einwilligung könnte aber sittenwidrig und damit unwirksam sein (§ 228 StGB).
Ja!
Eine sittenwidrige Einwilligung ist unwirksam (§ 228 StGB). Diese liegt vor, wenn die Einwilligung im konkreten Fall gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Aus § 1627 S. 1 BGB ergibt sich dass die Eltern die Personensorge zum Wohle des Kindes ausüben müssen und infolgedessen nur das Recht haben, das Kind zu pflegen, nicht aber ihm zu schaden (§ 1631 Abs. 1 BGB). Jedes Überschreiten oder Missbrauchen dieses Einwilligungsrechts durch den gesetzlichen Vertreter macht die erteilte Einwilligung daher unwirksam (§ 228 StGB). Ms Einwilligung in die gefährliche Körperverletzung des Z ist unwirksam.Wenn Du einen unbestimmten Rechtsbegriff, wie die Sittenwidrigkeit, ausfüllen musst, argumentiere am besten mit anderen Normen. So hat Deine Argumentation eine starke Grundlage und Du zeigst Systemverständnis!
Aber keine Panik – wenn Du mal auf keine passende Norm für Deine Argumentation kommst, argumentiere frei: „Z wurde durch die gefährliche OP in Lebensgefahr gebracht. Dabei war der Eingriff medizinisch nicht indiziert, was M auch wusste. Eine wirksame Einwilligung widerspräche dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und ist somit sittenwidrig (§ 228 StGB). Es liegt keine wirksame Einwilligung in die OP vor.“
14. As Strafbarkeit entfällt nicht bereits deswegen, weil M in die Operation eingewilligt hat. Wusste A zum Zeitpunkt des Eingriffs, dass Ms Einwilligung unwirksam war?
Nein, das ist nicht der Fall!
Ist eine erklärte Einwilligung unwirksam, musst Du dir immer die Frage stellen, ob das für den Täter (hier A) erkennbar war.
Glaubt der Täter, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes gegeben sind, obwohl sie tatsächlich nicht vorliegen, handelt es sich um einen sog. Erlaubnistatbestandsirrtum (sog. ETbI). Es ist umstritten, wie dieser rechtlich zu behandeln ist. A ging zum Zeitpunkt des Eingriffs davon aus, dass M wirksam in diesen eingewilligt hat. Da Ms Einwilligung aber nach § 228 StGB unwirksam war, nahm A damit einen Rechtfertigungsgrund an, dessen tatsächliche Voraussetzungen in dieser konkreten Situation nicht vorlagen. A unterlag einem Erlaubnistatbestandsirrtum.
15. As Strafbarkeit könnte entfallen, weil er glaubte, M hätte wirksam in den Eingriff eingewilligt. Ist die rechtliche Behandlung dieses sog. Erlaubnistatbestandsirrtum umstritten?
Ja, in der Tat!
Nach der
(1) strengen Schuldtheorie (BGH) ist ein ETbI wie ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB) zu behandeln. Die Strafbarkeit entfällt dann nur bei Unvermeidbarkeit des Irrtums.
(2) Die vorsatzauschließende eingeschränkte Schuldtheorie sieht dagegen eine große Nähe des ETbI zu § 16 StGB und wendet diesen deswegen analog an. Danach entfalle beim ETbI der Vorsatz.
(3) Nach der Lehre von den negativen Tatbstandsmerkmalen müsse § 16 StGB direkt angewandt werden. Somit entfalle bei einem ETbI der Vorsatz des Täters.
(4) Nach der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie, bleibe beim ETbI das Vorsatzunrecht zwar bestehen, es entfalle aber die sog. Vorsatzschuld. Der Täter handelt damit schuldlos.Der ETbI ist ein Klassiker bei Klausurerstellern. Hier solltest Du mit den Theorien und den jeweiligen Argumenten gut vertraut sein. Alles zum ETbI kannst Du hier wiederholen. Im zweiten Examen musst Du diesen Streit nicht mehr führen, folge einfach der st.Rspr. des BGH. 16. Der Irrtum des A war unvermeidbar (§ 17 StGB). Scheidet daher nach allen Ansichten As Strafbarkeit aus?
Ja!
Nach den unterschiedlichen Theorien entfällt bei A entweder der Vorsatz oder die Schuld. Fest steht also, dass A nach allen Theorien straflos bleibt. In Bezug auf As Strafbarkeit wäre ein Streitentscheid also entbehrlich. Hier käme aber eine Strafbarkeit der M nach den Grundsätzen der Teilnahme (§§ 26, 27 StGB) in Betracht. Diese setzt eine vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat voraus. An dieser Stelle ist es dann also doch relevant, welcher Theorie Du folgst.
Klausurtaktisch lohnt es sich, der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie zu folgen. So vermeidest Du, dir eventuelle Probleme bei der Prüfung der Strafbarkeit eines Teilnehmers abzuschneiden.
17. A hat sich nicht nach §§ 223, 224 StGB strafbar gemacht. Kommt für A dennoch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht (§ 229 StGB)?
Genau, so ist das!
Objektive Voraussetzungen des § 229 StGB sind:
(1) Körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung
(2) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
(3) Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgs
(4) Pflichtwidrigkeitszusammenhang
A müsste zudem rechtswidrig, schuldhaft und subjektiv sorgfaltspflichtwidrig gehandelt haben. Außerdem müsste der Taterfolg subjektiv vorhersehbar gewesen sein.
18. A hat die erforderliche Diagnostik durchgeführt und nach den von M beschriebenen Symptomen lege artis gehandelt, als er die OP durchführte. Hat er seine Sorgfaltspflicht objektiv verletzt?
Nein, das trifft nicht zu!
Eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung begeht, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unberücksichtigt lässt. Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt ergeben sich aus den Anforderungen, die bei einer Betrachtung der Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind.
A hat aus ärztlicher Sicht richtig gehandelt, als er bei der beschriebenen Symptomatik die OP durchgeführt hat. Er hat seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt.Aus dem Sachverhalt ergibt sich auch nicht, dass A hätte erkennen müssen, dass M die Symptome nur erfand. Auch dahingehend ist ihm kein Verstoß vorzuwerfen.Niemand wird von Dir erwarten zu beurteilen, was aus ärztlicher Sicht richtig oder falsch ist. Steht im Fall also, die Entscheidung zum Eingriff und die OP seien lege artis erfolgt, kannst Du das bedenkenlos annehmen.
19. M könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft strafbar gemacht haben, indem sie A vorspiegelte, Z sei schwer krank, woraufhin A die Z mit einem Skalpell operierte (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB).
Ja!
Objektive Voraussetzungen dafür sind:
(1) Erfolgseintritt: Körperverletzung
(2) Verursachungsbeitrag
(3) Zurechnung der Verwirklichung von Tatbestandsmerkmalen durch den Tatmittler
M müsste zudem vorsätzlich bezüglich der Tatbestandsverwirklichung und der die Tatherrschaft begründenden Umstände, sowie rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
20. M hat A falsche Symptome bei Z vorgespiegelt. Liegt darin ein Verursachungsbeitrag im Sinne des § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB?
Genau, so ist das!
M hat A vorgespiegelt, Z hätte schwere Symptome, weswegen A die fehlerhafte Diagnose stellte und Z operierte. Das Vortäuschen der Krankheitsgeschichte ist ein tauglicher Verursachungsbeitrag.
21. M müsste die tatbestandliche gefährliche Körperverletzung des A auch täterschaftlich zugerechnet werden (§ 25 Abs. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
Dafür muss täterschaftliches Handeln von der Teilnahme abgegrenzt werden.
Die h.L. wendet dazu die Tatherrschaftslehre an: Täter ist demnach, wer das Geschehen in den Händen hält. Bei der mittelbaren Täterschaft geschähe dies über die Wissens- oder Willensherrschaft oder über eine funktionale Tatherrschaft.
Die Rspr. ergänzt das Merkmal der Tatherrschaft in seiner normativen Kombinationslehre um drei weitere: demnach müssten auch Tatinteresse, Umfang der Tatbeteiligung und Tatherrschaftswille bei der Abgrenzung wertend berücksichtigt werden.
22. Nach beiden Theorien hatte M im vorliegenden Fall Tatherrschaft und handelte als Täterin.
Ja!
M hat A die Symptome vorgespielt. Sie wusste, dass Z nicht wirklich krank ist, A wusste das nicht. M hatte damit eine Wissensüberlegenheit gegenüber A. Damit hat sie die Tat beherrscht. Sie hat die Tat auch initiiert, hatte das vorwiegende Tatinteresse und Tatherrschaftswillen. Insofern sind ihr die Handlungen des A täterschaftlich zuzurechnen.M handelte auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Nach den Feststellungen des Urteils des LG Paderborn ist sie auch voll schuldfähig. Wenn Du die mittelbare Täterschaft hier abgelehnt hättest, wäre eine Teilnahme der M in Form einer Anstiftung (§ 26 StGB) zu prüfen gewesen. An dieser Stelle würde es dann relevant werden, welcher Theorie Du beim ETbi gefolgt bist.
23. M könnte sich zudem wegen rohen Misshandelns von Schutzbefohlenen in mittelbarer Täterschaft gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben.
Genau, so ist das!
§ 225 StGB schützt unter anderem die körperliche Unversehrtheit und psychische Integrität Minderjähriger.Ein rohes Misshandeln im Sinne von § 225 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB liegt vor, wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühlloser Gesinnung zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert. Eine gefühllose Gesinnung ist gegeben, wenn der Täter bei der Misshandlung das – notwendig als Hemmung wirkende – Gefühl für das Leiden des Misshandelten verloren hat, das sich bei jedem menschlich und verständig Denkenden eingestellt hätte. BGH: Die durch die bewusst unwahren anamnestischen Angaben der M veranlassten operativen Eingriffe waren mit erheblichen Handlungsfolgen für ihre Tochter verbunden. Zudem würde kein besonnener und vernünftig denkender Mensch ein Kind einer solchen Prozedur mit anschließenden erheblichen Einschränkungen unnötig aussetzen (RdNr. 39ff.). Die von M begangenen Taten stehen in Tateinheit zueinander (§ 223, § 224 Abs. 1 Nr. 5, § 225 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB). A bleibt straffrei.