Klavierkauf als verdecktes Waffengeschäft (falsa demonstratio non nocet)


mittel

Diesen Fall lösen 63,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V und K verhandeln über eine Waffenlieferung. Aus Geheimhaltungsgründungen vereinbaren beide Codenamen für verschiedene Waffentypen. Das Sturmgewehr AK-47 wollen sie „Klavier“ nennen. V macht K ein Angebot über 100 Klaviere.

Einordnung des Falls

Klavierkauf als verdecktes Waffengeschäft (falsa demonstratio non nocet)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei der Auslegung des Angebots des V ist der „wirkliche Wille“ (§ 133 BGB) des V maßgeblich.

Ja, in der Tat!

Anders als bei nicht-empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen entgegen dem Wortlaut des § 133 BGB grundsätzlich nicht der „wirkliche Wille“ des Erklärenden maßgeblich. Ausnahmsweise ist jedoch bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen der wirkliche Wille des Erklärenden maßgeblich, wenn der Erklärungsempfänger erkennt, was der Erklärende gewollt hat. So ist es hier: V und K haben mit Codewörtern kommuniziert.

2. V hat K ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über 100 echte Klaviere gemacht.

Nein!

Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist ausnahmsweise der wirkliche Wille des Erklärenden maßgeblich, wenn der Erklärungsempfänger erkennt, was der Erklärende gewollt hat.Da K und V ein gemeinsames Verständnis darüber hatten, was unter „Klavier“ zu verstehen ist, ist das Angebot des V nicht nach objektiviertem Empfängerhorizont auszulegen, sondern es ist der wirkliche Wille des V entscheidend. V wollte dem K 100 Sturmgewehre vom Typ AK-47 zum Kauf anbieten. Die falsche Bezeichnung schadet nicht (falsa demonstratio non nocet), da V und K die Erklärung „Klavier“ nicht im gemeingebräuchlichen Sinne, sondern in einem anderen Sinne (AK-47) verstanden haben.

Jurafuchs kostenlos testen


DO

DonQuiKong

25.2.2020, 07:12:28

Bei der vorletzten Frage finde ich die Antwort verwirrend. Es bleibt doch der objektive Empfängerhorizont relevant, es müssen lediglich die geheimen Absprachen berücksichtigt werden, die der objektive Dritte selbstverständlich kennt.

SVE

Sven

20.8.2020, 10:14:27

Sehe ich auch so!

🌿

🌿

31.8.2020, 16:59:21

Ich stimme Ihnen da zu.

GEL

gelöscht

27.3.2021, 11:01:42

Hallo zusammen 🙂 grundsätzlich werden empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 133 BGB (wirklicher Wille des Erklärenden) und § 157 BGB (normative Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont) ausgelegt. Der § 157 BGB ist notwendig um den Rechtsverkehr zu schützen. Er schützt dabei den Empfänger, der die Erklärung nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte. Die Sicht eines objektiven Dritten ist insbesondere dann entscheidend, wenn die Erklärung falsch verstanden wurde.

GEL

gelöscht

27.3.2021, 11:02:04

Allerdings ist der Empfänger, anders als wenn er sie falsch verstanden hätte, nicht schutzwürdig. Im Fall von

falsa demonstratio

non nocet ist somit nicht mehr auf § 157 BGB abzustellen. Es wäre auch nicht sachgerecht zu einer anderen Lösung zu kommen, obwohl kein Missverständniss vorliegt. Folglich kann bei der Auslegung einer korrekt verstandenen Auslegung allein auf § 133 BGB (wirklicher Wille des Erklärenden) abgestellt werden. Viele Grüße Adrian, für das Jurafuchs-Team

Anastasia

Anastasia

30.3.2021, 15:43:06

Wie wäre es, wenn K sich verschrieben hätte und 200 „Klaviere“ angeboten hätte?

Harun

Harun

23.10.2021, 22:27:00

Es wären trotzdem AK 47 gemeint. Der K hätte lediglich ein Irrtum bei der Anzahl und würde mAn die Willenserklärung anfechten können nach §119 Abs. 1 BGB

MO

mokand

18.2.2022, 19:27:39

Was wäre in folgendem Fall und spricht das nicht doch für den objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Absprache?: V macht ein Angebot an den K und möchte, weil der K auch noch richtige Klaviere verkauft, tatsächlich Klaviere kaufen. Dabei vergaß er, dass das Codewort eigentlich eine andere Bedeutung hat. Der K schickt daraufhin Gewehre. Das ist dann ja nicht der wirkliche Wille des V. Müsste an dieser Stelle nicht trotzdem der K schutzwürdig sein?

Blackpanther

Blackpanther

1.4.2022, 14:49:11

Hallo mokand, ich glaube in diesem Fall würden natürlicher Wille (§ 133) und Verstandenes (§ 157) auseinanderfallen, sodass nicht allein nach § 133 ausgelegt werden kann (wie bei der

falsa demonstratio

non nocet), sondern "standardmäßig" §§ 133, 157 angewendet werden müssen. Aus Sicht eines obj. Betrachters in der Rolle des Empfängers (also mit Kenntnis des Codes) wurden Gewehre bestellt. Möchte V echte Klaviere, muss er seine Willenserklärung gemäß §§ 142 I, 119 I Alt. 1 wegen Irrtums über die Bedeutung des Gesagten, anfechten.

Blackpanther

Blackpanther

1.4.2022, 14:52:04

Wenn ich es richtig verstanden habe, kommt man bei der

falsa demonstratio

non nocet auch über § 157 zum richtigen Ergebnis, weil der Maßstab eben objektiv aus Sicht des Empfängers ist. Lernziel der Aufgabe hier ist aber klarzustellen, dass man auch nur mit § 133 zur richtigen Lösung kommt, weil der natürliche Wille ausreichend ist, wenn auch der Empfänger den natürlichen Willen kennt.

JUL

juliptrs

22.3.2020, 21:03:02

Es ist immer der wirklichen Wille maßgeblich, wenn dieser erkannt wird (Vorrang der natürlichen Auslegung)

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

22.3.2020, 21:52:26

Hi, danke für Deinen Beitrag. Sehen wir auch so. Widerspricht auch nicht unserer Darstellung, oder? Es dürfte nur nicht der Normalfall sein, dass der wirkliche Wille erkannt wird.

GilgameshTG

GilgameshTG

9.7.2022, 19:06:42

Halte die Lösung weiterhin für verwirrend. Bei der Frage zur Versteigerung, bei der der Bietende den Katalog hochhält, wird deutlich gemacht, dass dem obj. Empfänger etwaiges Sonderwissen zugetragen wird. So erkennt in dem Fall der objektive Empfänger aufgrund der Erfahrung/Absprache mit dem Bietenden, dass der Katalog eine Erklärung darstellt. Hier handelt es sich mEn um fast die gleiche Konstellation, nur statt der Absprache zum erklärenden Verhalten bezieht sich hier die Absprache auf den Wortlaut. Dementsprechend würde ich hier über den 157 lösen und sagen, dass der obj. Empfänger die Absprache kennen würde und die Erklärung somit als Waffenbestellung zu verstehen ist.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2022, 12:00:00

Hallo Gilgamesh, die Konstellation der "falsa demonstratia", also der

übereinstimmenden

Falschbezeichnung, ist eine Sonderkonstellation in der es nicht auf den objektiven Empfänger ankommt, da der Empfänger nicht schutzwürdig ist. Vielmehr wird in diesem Fall der Privatautonomie Vorrang gewährt und der wirkliche Wille der Parteien beachtet. Würde man in dieser Situation am objektiv Erklärten festhalten so bekäme keine Partei ihren Willen. In dem von dir angesprochenen Katalogfall ist der objektive Empfänger grundsätzlich schutzwürdig. Ihm wird lediglich zugunsten des Erklärenden das vorhandene Sonderwissen zugerechnet. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

TI

Timurso

27.1.2023, 23:30:09

Ich halte die Lösung für nicht richtig. Auch bei einer Absprache von Codewörtern sind empfangsbedürftige Willenserklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Nur ist dann eben die Kenntnis des Codeworts Teil dieses objektiven Empfängerhorizonts. Ein objektiver Empfänger in der konkreten Situation des Erklärungsempfängers (also in Kenntnis der Vereinbarung) versteht vorliegend AK-47 statt Klavier. Insofern sehe ich keinen Grund, eine Ausnahme von §§ 133, 157 BGB zu machen.

MAX

Maxi97

22.4.2023, 02:05:24

Sehe ich auch so, müsste man mE korrigieren!

Johannes Krü.

Johannes Krü.

13.7.2023, 10:41:31

Nein an sich nicht, denn §133,157 BGB Auslegung nach objektivem empfängerhorizont geht von der Prämisse aus, dass ein schutzwürdiges Interesse eines Dritten vorliegt. Dies ist aber hier bei dieser sog.

falsa Demonstratio

non nocet nicht der Fall. Denn beide wissen was mit dem Codewort gemeint ist, sodass kein schutzwürdiges Interesse der Parteien mehr vorliegt in Bezug auf das Codewort „Klavier“. Daher erfolgt hier die Auslegung nach § 133 BGB mit der Erforschung des tatsächlichen Willens

Juratiopharm

Juratiopharm

17.7.2023, 20:33:27

Auch wenn diese Herangehensweise möglicherweise nicht falsch ist, dürfte des durchaus hM sein, dass die normative Auslegung nur bei Schutzbedürftigkeit des Empfängers anzuwenden ist und so liegt es bei der

falsa demonstratio

grade nicht. Ebenso im Übrigen wenn der Empfänger das tatsächlich gewollte erkennen konnte. Hier darf es sich nicht hinter dem objektiven Empfängerhorizont verstecken.

ajboby90

ajboby90

27.11.2023, 23:34:07

Richtig, bei der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont wird die Erklärung so ausgelegt, wie ein vernünftiger Dritter, der genau >>dasselbe Vorwissen wie der Empfänger hat<<< (also auch eventuelle geheime Absprachen kennt) sie verstehen durfte. Deshalb wird in diesem Beispiel der Grundsatz von

falsa demonstratio

eigentlich gar nicht gebraucht. Tatsächlich soll dieser sowieso nur bei der VERSEHENTLICHEN Falschbezeichnung gelten! Ansonsten würde man bei den Lösungen der typischen Scheingeschäfte über Grundstücke Probleme bekommen.

JI

jingerale

16.1.2024, 20:10:15

mE hätte der Text (1.? Frage) lauten müssen „bei der Auslegung des Angebots von V ist ausnahmsweise [Anm.: das Wort hat mir gefehlt] der wirkliche Wille entscheidend, § 133“ da ich dachte, es ginge um den Grundsatz bei empfangsbedürftigen WE, habe ich „stimmt nicht“ angeklickt


© Jurafuchs 2024