Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Schuld

Trunkenheitsfahrtfall – Fahrlässige und vorsätzliche a.l.i.c. bei verhaltensgebundenen Straßenverkehrsdelikten

Trunkenheitsfahrtfall – Fahrlässige und vorsätzliche a.l.i.c. bei verhaltensgebundenen Straßenverkehrsdelikten

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Der durstige A macht auf einer längeren Autofahrt einen Zwischenstopp an einer Raststätte, wo er 5 Liter Bier und mehrere Schnäpse trinkt. Wie dabei billigend in Kauf genommen, überfährt er auf der Weiterfahrt gänzlich betrunken (BAK: 3,2 ‰) und unfähig, das Unrecht seines Tuns einzusehen, fahrlässig zwei Fahrradfahrer.

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Einordnung des Falls

Trunkenheitsfahrtfall – Fahrlässige und vorsätzliche a.l.i.c. bei verhaltensgebundenen Straßenverkehrsdelikten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat sich wegen fahrlässiger Tötung der beiden Radfahrer strafbar gemacht, indem er sie überfuhr (§ 222 StGB).

Nein!

Die schuldhafte Begehung eines Fahrlässigkeitsdelikts setzt voraus, dass der Täter bei Tatbegehung schuldfähig gemäß § 20 StGB ist. Danach handelt ohne Schuld, wer bei Begehung der Tat etwa wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. A wies, als er die Radfahrer überfuhr, eine BAK von 3,2 Promille auf. Aufgrund derer war er ausweislich des Sachverhalts nicht mehr fähig, das Unrecht seines Handelns einzusehen.
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2. Dennoch könnte in Fällen, wie dem vorliegenden, eine Strafbarkeit des Täters wegen eines Tötungsdelikts nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein.

Genau, so ist das!

In Fällen, in denen der Täter im schuldfähigen Zustand eine Ursache für eine Tat setzt, die er später im schuldunfähigen Zustand verwirklicht, muss eine Strafbarkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein. Denn dann greift die Rechtsfigur der "actio libera in causa (a.l.i.c.)", weil die Tat zwar in ihrem Vollzug (in actu) unfrei, aber in ihrer Ursache (in causa) frei ist. Der Anhaltspunkt für die Strafbarkeit bildet also die Verursachungshandlung im schuldfähigen Zustand. Die Begründung der a.l.i.c. ist allerdings umstritten. Zu unterscheiden sind noch im Rahmen der Schuld zu prüfende Ausnahme- und Ausdehnungsmodelle sowie selbstständig zu prüfende Tatbestandsmodelle.

3. Im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte ist der Rückgriff auf die Rechtsfigur der a.l.i.c. allerdings unnötig. A hat sich gemäß § 222 StGB durch das Sich-Betrinken strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Nach der herrschenden Vorverlagerungstheorie besteht die Idee der a.l.i.c. darin, dass der Täter bereits durch das Sich-Versetzen in einen schuldunfähigen Zustand vorsätzlich eine Ursache für die spätere Tat gesetzt hat, sodass darin schon der Beginn der Tat zu sehen ist. Im Fahrlässigkeitsbereich genügt indessen ohnehin schon jeder Fahrlässigkeitsbeitrag im Vorfeld, sodass die Defektbegründung ohne Weiteres als relevante Tathandlung herangezogen werden kann, ohne dass es dafür der Rechtsfigur der a.l.i.c. bedürfte. Als A sich zu betrinken begann, hätte er erkennen können, dass er noch weiter fahren würde und trunkenheitsbedingt mitunter tödliche Unfälle verursachen könnte.

4. Eine Strafbarkeit des A wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a), Abs. 3 Nr. 1, § 11 Abs. 2 StGB scheitert grundsätzlich an dem schuldausschließenden Zustand des A.

Ja!

A hat vorsätzlich im Straßenverkehr ein Auto geführt, obwohl er angesichts einer BAK von 3,2 Promille absolut fahruntauglich war, wodurch er die beiden Radfahrer in konkrete Lebensgefahr gebracht hat. Allerdings kann ihm diese Tat nicht persönlich vorgeworfen werden, da er zur Zeit der Trunkenheitsfahrt schuldunfähig war (vgl. oben).

5. Auch hier kommt allerdings eine Anwendung der Rechtsfigur der a.l.i.c. in Betracht. Nach einer Ansicht könnte so die Strafbarkeit des A mit einer Ausnahme vom Schuldgrundsatz begründet werden.

Genau, so ist das!

Nach dem Ausnahmemodell scheidet in Fällen der a.l.i.c. eine Anwendbarkeit des § 20 StGB ausnahmsweise aus. Denn derjenige Täter, der sich auf einen Strafbarkeitsmangel beruft, den er selbst vorsätzlich herbeigeführt hat, handele rechtsmissbräuchlich. A könnte sich demnach nicht auf den § 20 StGB berufen, weil er beim Sich-Betrinken billigend in Kauf genommen hat, dass er noch weiter fahren würde und trunkenheitsbedingt mitunter tödliche Unfälle verursachen könnte. Eine Ausnahme von einer strafrechtlichen Norm contra legem stellt allerdings einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG dar. Ferner widerspricht diese Ansicht dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip ("nulla poena sine culpa").

6. Gemäß einer von einer anderen Ansicht präferierten, weiten Auslegung des Begriffs, ist A indes schon nicht "bei Begehung der Tat" schuldunfähig gewesen.

Ja, in der Tat!

Nach dem Ausdehnungsmodell ist der Begriff "bei Begehung der Tat" in § 20 StGB extensiv auszulegen, sodass der gesamte Zeitraum von Beginn der Defektbegründung bis hin zur Vollendung der tatbestandsmäßigen Handlung einzubeziehen sei. Grundlage ist ein normatives Schuldverständnis, nach dem dem Täter das Strafbarkeitsmerkmal Schuld wertend zugeschrieben werden müsse. A war bei Beginn des Sich-Betrinkens noch nicht in einem schuldunfähigen Zustand. Gegen diese Ansicht spricht, dass der Begriff "bei Begehung der Tat" in § 8 S. 1 StGB legal definiert ist. Ein von den §§ 8 S.1, 16, 17 StGB abweichendes Verständnis des Begriffs verstieße ebenfalls gegen Art. 103 Abs. 2 GG.

7. Nach den Tatbestandsmodellen wäre jedoch eine Strafbarkeit des A gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a), Abs. 3 Nr. 1, § 11 Abs. 2 StGB i.V.m. den Grundsätzen der a.l.i.c. denkbar.

Ja!

Nach den Tatbestandsmodellen fungiert eine Strafbarkeit des T gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a), Abs. 3 Nr. 1, § 11 Abs. 2 StGB i.V.m. den Grundsätzen zur a.l.i.c. als eigenständiger Prüfungspunkt. Nach dem Modell der mittelbaren Täterschaft macht sich A durch das Sich-Betrinken zu einem schuldlos handelnden Werkzeug seiner selbst. Er beginge die Tat durch sich selbst. Die herrschende Vorverlagerungstheorie sieht die relevante Tathandlung auch schon in dem Sich-Betrinken des A. Zu diesem Zeitpunkt hat A die Ursache für den für ihn vorhersehbaren fahruntüchtigkeitsbedingten Unfall gesetzt und sowohl diesen als auch seine Weiterfahrt billigend in Kauf genommen.

8. Bei verhaltensgebundenen Delikten wie dem § 315c StGB sind jedoch nach Ansicht des BGH die Grundsätze der Tatbestandsmodelle zur a.l.i.c. nicht anwendbar.

Genau, so ist das!

BGH: Anders als einfache Erfolgsdelikte, wie z.B. §§ 212, 223 StGB, verbieten die verhaltensgebundenen Delikte der §§ 315c, 316 StGB und § 21 StVG ein Verhalten, das nicht als Herbeiführung eines dadurch verursachten, von ihm trennbaren Erfolges begriffen werden kann. Denn die Verkehrsstraftaten setzen voraus, dass der Täter ein Fahrzeug "führt". Diese beginnt mit dem Bewegungsvorgang des Anfahrens selbst. Wenn aber schon das Anlassen des Motors nicht tatbestandsmäßig ist, kann erst Recht nicht das Sich-Berauschen in Fahrbereitschaft den Beginn der Trunkenheitsfahrt darstellen. Ferner stellen die Verkehrsstraftaten eigenhändige Delikte dar, die nicht in mittelbarer Täterschaft begangen werden können (RdNr. 18ff.).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SN

Sniter

23.1.2023, 12:18:11

Liebes Jurafuchs-Team, die letzte Frage dieses Falls beschäftigt mich. Hier wird betont, dass der BGH die Anwendung der ALIC bei verhaltensgebundenen Delikten ablehnt. Gibt es denn dazu relevante Gegenstimmen? Ich meine klar, irgendeine aA gibt es immer, aber ich dachte das wäre whM.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.1.2023, 13:52:17

Hallo Sniter, du hast Recht. Dies ist in der Tat für

verhaltensgebundene Delikte

ganz herrschende Meinung. Mit der Frage soll nochmal herausgestellt werden, dass sich der BGH in seiner Rechtsprechung damit explizit auseinandergesetzt und die Anwendung abgelehnt hat. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SN

Sniter

6.2.2023, 09:38:58

Liebes Jurafuchs-Team, in diesem Fall hat der Täter einen Tatzeit-BAK von 3,2 Promille und es geht um ein Tötungsdelikt. Sicherlich liegt der Fokus des Falls auf der ALIC, aber ist die Schuld bei Tötungsdelikten (wozu denke ich auch § 222 zählt) nicht erst bei mehr als 3,3 Promille ausgeschlossen? Dementsprechend müsste der Täter wegen § 222 zu bestrafen sein, weil er die Radfahrer überfahren hat. Auf das Sich-Betrinken kommt es dann gar nicht an...

Paul

Paul

6.2.2023, 11:45:55

Hallo Sinter, die Grenze von 3,3 Promille BAK ist kein starres Kriterium und entfaltet lediglich eine Indizwirkung.(Vgl. MüKoStGB/Streng StGB § 20 Rn. 68f) Der Leitsatz aus BGH NJW 1997, 2460 lautet dahingehend „Es gibt keinen gesicherten medizinisch–statistischen Erfahrungssatz darüber, daß ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen ist“. In dem vorliegenden Fall wird die Schuldunfähigkeit daher durch die Angaben im Sachverhalt klargestellt („unfähig, das Unrecht seines Tuns einzusehen“).

Kai

Kai

6.11.2024, 12:01:30

Hey, ich bin auch über die Promillegrenze gestolpert. Klar, die 3,3 haben nur Indizwirkung für das Vorliegen eines biologischen Befundes. Hier gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte, die andeuten würden, dass der Fahrer einen solchen hätte, auch ohne die 3,3 Promille zu überschreiten. Die Schuldfähigkeit entsteht im Rahmen der gemischten Methode ja gerade dadurch, dass ein biologischer Befund vorliegt und der Täter deswegen (!) unfähig ist, das Unrecht seines Tuns einzusehen. Liegt schon kein biologischer Befund vor (was hier aufgrund des BAK-Werts unter 3,3 und mangels weiterer Indizien auch nicht anzunehmen ist), ist der Täter mE auch nicht schuldunfähig, obwohl er das Unrecht nicht mehr einsehen. Insbesondere führt das zu Verwunderung, da man für diesen Fall im SV auch ohne Probleme 3,3 als BAK-Wert hätte nutzen können. Bei 3,2 denkt man sich als Nutzer: Aha, über den 3,0 für die normale Schuldfähigkeit, aber gerade unter den 3,3, die bei Tötungsdelikten erforderlich ist. Da muss ein Problem liegen. Sofern ich alles richtig verstanden habe und nicht irgendwo einem Denkfehler unterliege, wäre es tatsächlich sinnvoll, den BAK-Wert einfach hochzusetzen, zumal in der Erklärung der entsprechenden Frage überhaupt nicht näher auf die Indizwirkung hins. des biologischen Befunds eingegangen, sondern lediglich die Schuldunfähigkeit aufgrund der Unfähigkeit, das Unrecht zu erkennen, angenommen wird.

Jonas22

Jonas22

29.6.2023, 23:02:29

Wie müsste ich das dann in der Klausur prüfen? Muss ich dann auch den ganzen Streit bezüglich der Alic führen? Oder reicht es darzustellen, warum dies im Ergebnis bei verhaltensgebundenen Delikten abgelehnt wird?

antoniasophie

antoniasophie

4.1.2024, 10:55:01

Interessiert mich auch! 🤔

IS

IsiRider

15.1.2024, 12:49:08

Zusammenfassend auch für mich interessant. Wann muss man die Alic gar nicht ansprechen, auch wenn Alkohol im Spiel ist?

NF

NF

30.6.2023, 18:13:11

Zum

Vorsatz

: Schließen die Formulierungen "Billigend in Kauf nehmen" und "Fahrlässig" sich nicht gegenseitig aus?

OBJE

objektivezurechnung

23.9.2023, 16:47:16

Frage ich mich auch… in der zugrundeliegenden Entscheidung steht jedenfalls - wenn ich es richtig sehe - nichts davon, dass der Täter den Erfolg billigend in Kauf genommen hat

REUS04

Reus04

28.9.2023, 12:23:54

„Strafbarkeit des A wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gem. §§

315c

Abs. 1 Nr. 1 a), Abs. 3 Nr. 1, §11 Abs.2 StGB scheitert an dem schuldausschließenden Zustand des A“ Warum wird hier „§

315c

Abs. 3 Nr.1“ zitiert? Der bezieht sich doch auf die Fahrlässigkeit oder?

REUS04

Reus04

28.9.2023, 12:30:00

Und anschließende Frage: Kommt die Strafbarkeit des A wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs gem. §

315c

III Nr.1 in Betracht?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

28.9.2023, 14:44:10

Hallo Reus04, danke für deine beiden Fragen. Der §

315c

Abs. 3 Nr. 1 StGB normiert eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, wie von dir auch richtig erkannt. Allerdings erfordert auch die Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit eine Handlung in schuldfähigem Zustand. Ist der A schuldunfähig, scheiden sowohl

Vorsatz

als auch Fahrlässigkeit aus. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FL

Flohm

13.11.2023, 13:47:58

Könnte mir bitte nochmal jemand erklären warum die fahrlässige Alic abgelehnt wird ?

LELEE

Leo Lee

19.11.2023, 12:05:22

Hallo Flohm, das ist eine sehr gute Frage! Um diese zu beantworten, müssen wir uns zunächst kurz anschauen, weshalb es die ALIC überhaupt gibt. Die gibt es deshalb, weil wir z.B. gem. § 212 I bestrafen wollen trotz Schuldunfähigkeit. Nach dem herrschenden TB-Modell sagen wir dann, dass die „Tötung“ nicht bereits erst mit dem eigentlichen Töten, sondern schon vorher mit dem Trinken begonnen hat (das Trinken führt das „Töten“ also herbei). D.h., wir benutzen die ALIC, um die Wortlauthürde etwas zu überwinden. Deshalb ist auch die Grenze dort erreicht, wo der TB nicht einen bestimmten Zustand (bei 212 = Tod), sondern eine ganz bestimmte Verhaltensweise bestraft. Der „Tod“ kann durch das Sichbetrinken kausal herbeigeführt werden, ein Autofahren kann jedoch nicht mit dem Sichbetrinken gleichgesetzt werden (das ist dann auch nach den Alic-Vertretern „zu viel). Bei der Fahrlässigkeit haben wir dieses Problem mit dem Wortlaut noch weniger als bei § 212 bspw., denn bei § 222 wird derjenige bestraft, wer den Tod fahrlässig „verursacht“. Dh., hier muss der Täter einfach irgendwie dafür sorgen, dass jemand (fahrlässiger Weise) stirbt. Wie genau dieser Tod in fahrlässiger Weise herbeigeführt wird, ist egal. Somit kann der Tod durch fahrlässiges Runterwerfen eines Steins passieren oder eben – wie hier – durch das fahrlässige Sichbetrinken, was dann schließlich zum Tod bzw. zur Verursachung des Todes führt. Deshalb brauchen wir – weil der Wortlaut schon „weit genug“ ist – eben keine ALIC bei der Fahrlässigkeit. Wir kommen auch „schon so“ zum Ziel. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von Wessels/Beulke/Satzger AT 52. Auflage, Rn. 672 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

ROB

Robinski

22.6.2024, 14:05:22

Ich verstehe nicht, warum hier nicht ein Totschlag iVm den Grundsätzen der alic in Betracht kommt, wenn er das Überfahren der Radfahrer billigend in Kauf genommen hat? Kommt eine alic nur bei

Vorsatz

ersten und zweiten Grades in Betracht?

LELEE

Leo Lee

23.6.2024, 10:56:18

Hallo Robinski, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, dass die ALIC vorliegend nicht in Betracht käme. Beachte allerdings, dass eine ALIC nicht nur Dolus I und II ausreichen lässt, sondern auch der

Eventualvorsatz

ausreicht. D.h., dass derjenige, der trinkt und weiß, dass er später Auto fahren muss, billigend in Kauf nimmt, dass er auch später dadurch Menschen umfahren könnte, auch für den

Eventualvorsatz

bzgl. ALIC bestraft wird. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Kinderhäuser/Zimmermann, Strafrecht AT 9. Aufl., § 23 Rn. 28 ff. sehr empfehlen (das Buch findest du hier auf Jurafuchs unter Entdecken  Bücher) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

AS

as.mzkw

17.9.2024, 14:13:17

Ich schließe mich der Frage von @[Robinski](194197) an. Wieso wird direkt mit § 222 StGB und nicht mit § 212 StGB begonnen, obwohl der SV explizit davon spricht, dass der Täter den Tod der Radfahrer billigend in Kauf nimmt?

F. Rosenberg 🦅

F. Rosenberg 🦅

13.11.2024, 12:11:56

Ausgehend von der Antwort des Moderators @[Leo Lee](213375) wäre es also bei dem Fall angebracht gewesen, zunächst die

Vorsatz

tat (§ 212 I) zu prüfen, um das Problem der alic ansprechen zu können. Bei Verneinung der Strafbarkeit gem. § 212 I würde man die Straßenverkehrsdelikte anprüfen und mangels Schuldfähigkeit ebenfalls verneinen. Schließlich kommt man zur Prüfung der Fahrlässigkeitstat (hier: § 222) sowie des Vollrauschs (§ 323a).

G0D0FM

G0d0fMischief

20.9.2024, 10:51:08

Wäre es möglich, dass ihr die Theorie der a.l.i.c. (und des ETBI) als einzelne Aufgaben nochmal separat abfragt. Ihr macht das jeweils nur in einer „großen“ Aufgabe, nur wäre es schön wenn man die Theorie jeweils noch einmal selbstständig darstellen müsste. Dadurch kann man üben in der Klausur selbstständig den Streit zu formulieren.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

20.9.2024, 15:06:37

Hallo G0d0fMischief, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team


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