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Recht zum Besitz? - gutgläubiger Ersterwerb des Anwartschaftsrechts

Recht zum Besitz? - gutgläubiger Ersterwerb des Anwartschaftsrechts

2. Juli 2025

12 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

L leiht sich von ihrer Freundin E deren Ausgabe von „Der Untergang“. L veräußert und übergibt dieses an den gutgläubigen K, behält sich das Eigentum aber bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vor. Noch vor Zahlung des vollen Kaufpreises erfährt E davon und verlangt das Buch von K heraus.

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Einordnung des Falls

Recht zum Besitz? - gutgläubiger Ersterwerb des Anwartschaftsrechts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat K ein Anwartschaftsrecht an dem Buch gutgläubig erworben?

Genau, so ist das!

Ein Anwartschaftsrecht erwirbt, wer wer bei einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtsgeschäfts schon so viele Erfordernisse für den Erwerb erfüllt, dass die andere Partei den Rechtserwerb nicht mehr einseitig verhindern kann. Beim gutgläubigen Erwerb einer Sache unter Eigentumsvorbehalt, tritt der Eigentumserwerb mit der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises ein (§§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). Der Erwerber muss lediglich im Zeitpunkt des Besitzerwerbs gutgläubig sein. Es liegt alleine an K, den ausstehenden Kaufpreis zu bezahlen. K ging im Zeitpunkt des Besitzerwerbs auch davon aus, dass L Eigentümerin des Buches ist.
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2. E kann von K unstreitig Herausgabe des Buchs verlangen (§ 985 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt voraus: (1) Anspruchsteller ist Eigentümer, (2) Anspruchsgegner ist Besitzer, und zwar (3) ohne Recht zum Besitz. Vorliegend ist E (noch) Eigentümerin und K Besitzer. Problematisch ist aber, ob aus dem Anwartschaftsrecht ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) folgt. Das ist in Lit. und Rspr. sehr umstritten. Der BGH und die wohl h.L. lehnen die Gleichsetzung des Anwartschaftsrechts mit einem absoluten Besitzrecht ab und sehen das Eigentumsrecht als vorrangig. Das Anwartschaftsrecht sei eben nur ein Minus zum Vollrecht, das sich gegenüber dem Eigentümer als Vollrechtsinhaber nicht durchsetzen könne. Es sei allein zur Sicherung des Eigentumserwerbs gedacht, den der Anwartschaftsinhaber aber durch Kaufpreiszahlung ohnehin herbeiführen könne. Ein T.d.L. will hingegen den Schutzzweck des Anwartschaftsrechts auch auf den Besitz an der Sache ausdehnen. Vertreter dieser Auffassung betonen die Wesensgleichheit des Anwartschaftsrechts, das dem Inhaber nur dann wirklich nutze, wenn es auch starken dinglichen Schutz gewähre.

3. Kann K durch Zahlung des Kaufpreises an L noch Eigentum an dem Buch erlangen, wenn er es zuvor an E herausgegeben hat?

Ja!

Der Vorbehaltskäufer erwirbt das Eigentum automatisch in dem Zeitpunkt, in dem er die letzte Kaufpreisrate bezahlt (§ 158 Abs. 1 BGB). Es kommt nicht darauf an, dass er in diesem Zeitpunkt noch Besitzer der Sache bzw. gutgläubig ist. K wird damit Eigentümer, sobald er an L den vollen Kaufpreis bezahlt hat. Ab diesem Zeitpunkt könnte er seinerseits von E wieder Herausgabe des Buchs verlangen (§ 985 BGB). Da der Anwartschaftsberechtigte also weiterhin die Möglichkeit hat, Eigentum zu erwerben, geht der BGH davon aus, dass die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs des ursprünglichen Eigentümers jedenfalls dann treuwidrig (§ 242 BGB) ist, wenn der Bedingungseintritt ohnehin kurz bevorsteht (unnötiges Hin- und Her). Dem ursprünglichen Eigentümer (E) stehen gegen den Verkäufer (L) in diesem Fall aber (1) vertragliche Schadensersatzansprüche, (2) Ansprüche aus angemaßter GoA und (3) aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB zu.
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