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Recht zum Besitz? - gutgläubiger Ersterwerb des Anwartschaftsrechts

Recht zum Besitz? - gutgläubiger Ersterwerb des Anwartschaftsrechts

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

L leiht sich von ihrer Freundin E deren Ausgabe von „Der Untergang“. L veräußert und übergibt dieses an den gutgläubigen K, behält sich das Eigentum aber bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vor. Noch vor Zahlung des vollen Kaufpreises erfährt E davon und verlangt das Buch von K heraus.

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Einordnung des Falls

Recht zum Besitz? - gutgläubiger Ersterwerb des Anwartschaftsrechts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat K ein Anwartschaftsrecht an dem Buch gutgläubig erworben?

Genau, so ist das!

Ein Anwartschaftsrecht erwirbt, wer wer bei einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtsgeschäfts schon so viele Erfordernisse für den Erwerb erfüllt, dass die andere Partei den Rechtserwerb nicht mehr einseitig verhindern kann. Bei dem gutgläubigen Erwerb einer Sache unter Eigentumsvorbehalt, tritt der Eigentumserwerb (§§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1, 158 Abs. 1 BGB) mit der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises ein. Der Erwerber muss lediglich im Zeitpunkt des Besitzerwerbs gutgläubig sein.Es liegt alleine an K, den ausstehenden Kaufpreis zu bezahlen. K ging im Zeitpunkt des Besitzerwerbs auch davon aus, dass L Eigentümerin des Buches ist.
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2. E kann von K unstreitig Herausgabe des Buchs verlangen (§ 985 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt voraus: (1) Anspruchsteller ist Eigentümer, (2) Anspruchsgegner ist Besitzer und zwar (3) ohne Recht zum Besitz.Vorliegend ist E (noch) Eigentümerin und K Besitzer. Problematisch ist aber, ob aus dem Anwartschaftsrecht ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) folgt. Das ist in Literatur und Rechtsprechung sehr umstritten. Der BGH lehnt die Gleichsetzung des Anwartschaftsrecht mit einem absoluten Besitzrecht ab und sieht das Eigentumsrecht als vorrangig. Die Gegenansicht will hingegen den Schutzzweck des Anwartschaftsrechts auch auf den Besitz an der Sache ausdehnen.

3. Kann K durch Zahlung des Kaufpreises an L noch Eigentum an dem Buch erlangen, wenn er es zuvor an E herausgegeben hat?

Ja!

Der Vorbehaltskäufer erwirbt das Eigentum automatisch in dem Zeitpunkt, in dem er die letzte Kaufpreisrate bezahlt (§ 158 Abs. 1 BGB). Es kommt nicht darauf an, dass er in diesem Zeitpunkt noch Besitzer der Sache bzw. gutgläubig ist.K wird damit Eigentümer, sobald er an L den vollen Kaufpreis bezahlt hat. Ab diesem Zeitpunkt könnte er seinerseits von E wieder Herausgabe des Buchs verlangen (§ 985 BGB).Da der Anwartschaftsberechtigte also weiterhin die Möglichkeit hat, Eigentum zu erwerben, geht der BGH davon aus, dass die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs des ursprünglichen Eigentümers jedenfalls dann treuwidrig (§ 242 BGB) ist, wenn der Bedingungseintritt ohnehin kurz bevorsteht (unnötiges Hin- und Her). Dem ursprünglichen Eigentümer (E) stehen gegen den Verkäufer (L) in diesem Fall aber (1) vertragliche Schadensersatzansprüche, (2) Ansprüche aus angemaßter GoA und (3) aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB zu.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DIAA

Diaa

9.10.2023, 20:52:10

Verstehe ich das richtig: 1. Gutgläubiger Erwerb von Anwartschaft ist nach hm möglich, wenn es nur tatsächlich besteht. 2. Gutgläubiger Erwerb von Anwartschaft ist nach hm möglich, wenn Käufer sich als Eigentümer ausgibt und die Sache unter Eigentumsvorbehalt verkauft?

Dogu

Dogu

21.12.2023, 09:12:17

Bei 1. fehlt noch der Punkt: Veräußerer legt offen, dass er höchsten ein

Anwartschaftsrecht

an der Sache hat.

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

27.5.2024, 18:11:33

Ganz genau! Ist der Werber gut gläubig? 

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

27.5.2024, 18:19:07

Sorry, für den ersten Beitrag, da hat die Tastatur komplett gesponnen :D Man muss da nach differenzieren, worauf sich der gute Glaube des Erwerber bezieht beziehungsweise wovon er Kenntnis hat: 1. Ist er im guten Glauben hinsichtlich der Eigentümerstellung des Veräußerers, dann findet § 932 Anwendung (Ausnahme: § 935). Er könnte sogar Eigentum erwerben, so dass dies für ein AWR erst recht gelten muss. 2. Weiß der Erwerber hingegen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist, sondern bezieht sich sein guter Glaube nur auf das

Anwartschaftsrecht

, dann ist ein gutgläubiger Zweiterwerb nur möglich, wenn dieses AWR tatsächlich besteht.

KAT

katzenqueen

24.2.2024, 23:05:56

Die Frage, ob sich aus dem

Anwartschaftsrecht

ein Recht zum Besitz ergeben kann, lief gestern in RLP im 1. Examen

B🐝

Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝

24.7.2024, 16:55:14

Einfach als Frage gestellt oder in einem größeren Fall?


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