Schönheitsreparaturklauseln in AGB, starre Fristen


mittel

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V vermietet eine renovierte Wohnung an M für monatlich €500. In dem Formularmietvertrag steht in § 3 der AGB, dass der Mieter Malerarbeiten an Wänden und Decken in Küche und Bad alle drei Jahre vorzunehmen hat. § 4 der AGB sieht vor, dass Wohn- und Schlafzimmer in der Regel alle fünf Jahre gestrichen werden sollen, wenn dies aufgrund der Abnutzung erforderlich ist.

Einordnung des Falls

Schönheitsreparaturklauseln in AGB, starre Fristen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V kann von M alle drei Jahre Malerarbeiten an Wänden und Decken verlangen.

Nein!

Malerarbeiten stellen grundsätzlich Schönheitsreparaturen dar, die per AGB abgewälzt werden können. Starre Fristen zur Ausführung von Schönheitsreparaturen benachteiligen den Mieter jedoch unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Benachteiligung liegt darin, dass dem Mieter durch starre Fristen der Einwand abgeschnitten wird, dass Reparaturen nach dem tatsächlichen Abnutzungszustand der Wohnung noch nicht erforderlich sind. Dieser Einwand stünde dem Vermieter hingegen nach dem gesetzlichen Leitbild zu (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). V kann von M nicht alle drei Jahre Malerarbeiten an Wänden und Decken verlangen, da § 3 der AGB aufgrund der starren Fristen M unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist.

2. V kann von M das Streichen von Wohn- und Schlafzimmer verlangen, wenn dies aufgrund der Abnutzung erforderlich ist.

Nein, das ist nicht der Fall!

Weiche Fristen bei Schönheitsreparaturklauseln mit Formulierungen wie „im Allgemeinen“ oder „in der Regel“ sind grundsätzlich wirksam, da die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen von ihrem konkreten Bedarf abhängig gemacht wird. Achtung! Die Formulierung von § 4 der AGB stellt eine weiche Frist dar, sodass die Schönheitsreparaturklausel isoliert wirksam wäre. Bei Schönheitsreparaturen handelt es sich jedoch um eine einheitliche Rechtspflicht, die sich nicht in Einzelmaßnahmen aufspalten lässt und deren Ausgestaltung insgesamt zu bewerten ist. Da § 3 der AGB unwirksam ist, ist die gesamte Pflicht zur Schönheitsreparatur unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das entspricht dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unangemessener formularvertraglicher Regelungen. Der BGH und die Literatur benennen dies als "Prinzip der Gesamtinfektion". Eine unwirksame Klausel zu Schönheitsreparaturen "infiziert" alle weiteren Schönheitsreparaturklauseln..

3. M kann von V die Vornahme von Schönheitsreparaturen verlangen.

Ja, in der Tat!

Da die Schönheitsreparaturklauseln unwirksam sind und die Pflicht daher nicht auf M abgewälzt wurde, bleibt es beim gesetzlichen Regelfall. Danach hat der Vermieter die Mietsache im vertragsgemäßen Zustand zu erhalten (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB). M kann daher von V die Vornahme von Schönheitsreparaturen verlangen.

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Nebenbesitzer einer Fräsmaschine

Nebenbesitzer einer Fräsmaschine

22.6.2021, 22:02:15

Hallo, bei der zweiten Antwort wurde "Mieter" und "Vermieter" wohl aus Versehen vertauscht.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.6.2021, 17:28:35

Hallo Nebenbesitzer, der "Tausch" der Parteien in der letzten Frage ist bewusst erfolgt, um zu verdeutlichen, welche praktischen Konsequenzen eine unwirksame Schönheitsreparaturklausel hat. Denn hierdurch tritt der gesetzliche Regelfall wieder in Kraft, wonach eben der Vermieter zur Instandhaltung verpflichtet ist und der Mieter einen entsprechenden Anspruch hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

frausummer

frausummer

19.1.2023, 14:02:28

Eine Sache habe ich mich dazu immer gefragt: anstatt die Klauseln gesondert in AGB zu packen, könnte man diese doch auch einfach normal in den Vertragstext einpflegen. Wäre damit nicht das Problem der AGB Prüfung für die Vermieterin umgangen und sie könnte, auch angesichts des bescheidenen Wohnungsmarkts für Mietende, so einfach Schönheitsreparaturen in dem Turnus wie sie diese gerne ausgeführt hätte, verlangen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.1.2023, 15:25:17

Hallo frausummer, eine AGB Prüfung enthält immer den vorgelagerten Schritt das Vorliegen von AGB zu prüfen. Dabei ist nicht die konkrete Form des Vertrags oder der Einbinung entscheidend, sondern ob es sich um einen Vertragsbestandteil handelt, der für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurde - über den keine echten (!) Verhandlungen stattgefunden haben. Dabei könnte die Vermietern auch jedes Mal aus dem Gedächtnis die Klauseln rezitieren und im Beisein des Mieters niederschreiben. Dies ändert nichts an der AGB Qualität, wenn diese die sonstigen Kriterien erfüllen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

frausummer

frausummer

25.1.2023, 15:30:01

Danke für die Antwort. Gestattet mir eine Nachfrage: in der Praxis läuft es doch damit darauf hinaus, dass der gesamte Vertrag meist einer AGB Prüfung unterliegen wird, da Vermietende wohl kaum für jeden einzelnen Mietenden einen individuellen Vertrag aufsetzen werden. (Was sollte man da auch ständig unterschiedliches reinschreiben?) Letztlich ist dann aber die Mietende dafür verantwortlich dem Vermieter nachzuweisen, dass es sich hierbei um AGB handelt und diese unwirksam sind, richtig?

REA🇺🇦

RealOmnimodo 🇺🇦

22.8.2023, 08:43:04

Habe ich das richtig verstanden, dass § 4 AGB an sich wirksam wäre, aber im Zusammenspiel mit § 3 AGB unwirksam ist? Wo ist das zu erörtern? Im Rahmen der unangemessenen Benachteiligung iSv § 307 I, II? Und reicht die Begründung mit der einheitlichen Rechtspflicht aus?

LELEE

Leo Lee

23.8.2023, 10:50:01

Hallo RealOmnimodo, genauso ist es! Prüfen würdest du es dann unter Inhaltskontrolle --> (und dort nach §§ 309, 308 BGB) beim § 307 BGB. Zu der Frage mit der Begründung: Meiner Erfahrung nach reicht es in Klausuren aus (wenn das Thema mal rankommen sollte), wenn du das so wie im Erklärungstext darstellst. Weitergehende Kenntnisse im Mietrecht i.V.m. AGB-Recht wird in Klausuren i.d.R. nicht erwartet (außer in bestimmten Schwerpunktbereichen natürlich) :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Sophiechen.2002

Sophiechen.2002

4.9.2023, 08:50:10

In der Frage, ob V von M die Streichung des Schlafzimmers aufgrund von Abnutzung verlangen kann wird noch kein Bezug auf die 5-Jahres-Klausel genommen, sodass es wie eine viel genereller gestellte Frage klingt.

Steinfan

Steinfan

22.4.2024, 12:46:40

In der Literatur hat sich für diese Konstellation der Begriff der „Infizierung“ bzw. „Gesamtinfektion“ oder „Infektionseffekt“ etabliert. Da ich finde, dass dieser Begriff einprägsam ist und das Problem gut veranschaulicht (eignet sich auch gut als Zwischenüberschrift im Gutachten), könnte man den Begriff in der Lösung einbringen. Der Begriff ist z.B. auch im ÖR bekannt; Stichwort „Infizierung“ des VA durch rechtswidrige Nebenbestimmung. LG

Nora Mommsen

Nora Mommsen

22.4.2024, 17:44:49

Danke dir Steinfan! Das haben wir ergänzt. Der Begriff ist ja eine durchaus prägnante Merkhilfe. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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