Fräsmaschinenfall (BGHZ 50, 45 = NJW 1968, 1382)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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V verkauft und übereignet eine Fräsmaschine unter Eigentumsvorbehalt an K. Noch vor vollständiger Kaufpreiszahlung übereignet K die Maschine zur Sicherung eines Kredites an C, wobei vereinbart wird, dass K die Maschine weiter benutzen darf. C tritt seinerseits alle Rechte aus der Sicherungsübereignung „sicherungshalber“ an D ab.

Einordnung des Falls

Fräsmaschinenfall (BGHZ 50, 45 = NJW 1968, 1382)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe der Maschine aus § 985 BGB haben.

Genau, so ist das!

Nach § 985 BGB kann (1) der Eigentümer von (2) dem Besitzer die Herausgabe verlangen, sofern (3) kein Recht zum Besitz besteht (§ 986 BGB). Hier ist bereits fraglich, ob V überhaupt noch Eigentümerin der Fräsmaschine ist.

2. V hat ihr Eigentum durch Übereignung an K verloren (§ 929 S.1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Übereignung nach § 929 S.1 BGB setzt voraus: (1) dingliche Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein, (4) Berechtigung. V und K haben einen Eigentumsvorbehalt vereinbart und sich über den Eigentumsübergang lediglich unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung geeinigt, §§ 929 S.1, 158 Abs.1 BGB. Die Bedingung (Restkaufpreiszahlung) ist hier noch nicht eingetreten. V ist weiterhin Eigentümerin.

3. V hat ihr Eigentum verloren, da C das Eigentum gutgläubig von K erworben hat (§§ 929 S.1, 930, 933 BGB).

Nein!

Ein gutgläubiger Eigentumserwerb gem. §§ 929 S.1, 930, 933 BGB setzt voraus: (1) dingliche Einigung, (2) Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 868 BGB), (3) Gutgläubigkeit (§ 932 BGB), (4) Übergabe (§ 933 BGB). Zwar haben sich C und K gem. § 930 BGB über die Einrichtung eines Besitzkonstituts geeinigt. Allerdings ist für den gutgläubigen Erwerb nach §§ 930, 933 BGB die Übergabe der Sache vom Veräußerer an den Erwerber erforderlich. Es hat hier aber gerade kein vollständiger Besitzverlust des Veräußerers stattgefunden, da K die Fräsmaschine weiter benutzen darf. C hat somit nicht gutgläubig das Eigentum nach §§ 929 S.1, 930, 933 erworben. V ist weiterhin Eigentümerin.

4. V könnte ihr Eigentum verloren haben, sofern ein wirksamer gutgläubiger Eigentumserwerb der D aufgrund der Vereinbarung zwischen C und D erfolgt ist (§§ 929 S.1, 931, 934 BGB).

Genau, so ist das!

Ein gutgläubiger Eigentumserwerb gem. §§ 929 S.1, 931, 934 BGB setzt voraus: (1) dingliche Einigung, (2) Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB), (3) Gutgläubigkeit (§ 932 BGB), (4) Übergabe an den Erwerber, sofern der Veräußerer nicht mittelbarer Besitzer ist (§ 934 2.Alt. BGB). Da es hier an einer Übergabe nach § 934 2.Alt. BGB fehlt, könnte D das Eigentum nur gutgläubig nach §§ 929 S.1, 931, 934 1.Alt. BGB erworben haben. Dafür müsste C mittelbarer Besitzer gewesen sein (§ 934 1.Alt. BGB). C hat mit K ein Besitzkonstitut (Sicherungsabrede) vereinbart, sodass C grundsätzlich mittelbarer Besitzer wurde. Das Besitzkonstitut ist auch nicht nach § 139 BGB nichtig, weil die Übereignung von K an C fehlgeschlagen ist. Grund: Wenn die Unwirksamkeit der Übereignung auch auf den schuldrechtlichen Sicherungsvertrag durchschlagen würde, wäre dies ein Verstoß gegen das Abstraktionsprinzip.

5. Nach einem Teil der Literatur scheitert der Eigentumserwerb daran, dass K hier zugleich an V und an C mittelt (Lehre vom Nebenbesitz).

Ja, in der Tat!

Nach der Lehre vom Nebenbesitz ist es möglich, zwei Personen gleichzeitig den Besitz zu mitteln. Dadurch entsteht ein gleichstufiger, mittelbarer Besitz mehrerer Personen. Die Übertragung eines solchen Nebenbesitzes reiche für die Übereignung nach §§ 929 S.1, 931, 934 BGB nicht aus.

6. Die hM lehnt die Lehre vom Nebenbesitz ab, sodass ein gutgläubiger Erwerb des D in Betracht kommt.

Ja!

Der BGH lehnt die Figur des Nebenbesitzes ab. Nur das zuletzt begründete Besitzmittlungsverhältnis sei wirksam. Dies folge zum einen aus dem Typenzwang im Sachenrecht, welches einen Nebenbesitz nicht kenne. Zum anderen sei der Nebenbesitz in sich widersprüchlich, da der mittelbare Besitzer, der nach a.A. zwei Personen gleichzeitig den Besitz mitteln soll (Nebenbesitz), nie den Willen haben könne, für mehrere zu besitzen und an alle im Sicherungsfall die Sache herauszugeben. K konnte nach hM hier nur für einen mittelbaren Besitzer besitzen. Durch die Sicherungsübereignung an C hat K zum Ausdruck gebracht, dass er nun nur noch für C den Besitz mitteln will und nicht mehr für V. Somit war C mittelbarer (Allein-)Besitzer. Folglich hat D von C gutgläubig das Eigentum an der Fräsmaschine gem. §§ 929 S.1, 931, 934 1.Alt. BGB erworben.

7. Dieses Ergebnis, dass D gutgläubig das Eigentum erworben hat, ist aufgrund eines Wertungswiderspruchs zu § 933 BGB, zu korrigieren.

Nein, das ist nicht der Fall!

Teilweise wird angenommen, das Ergebnis, dass hier nach § 934 1.Alt. BGB gutgläubig das Eigentum erlangt werde, müsse eingeschränkt werden, da ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 930, 933 BGB ausscheidet, solange der Erwerber nicht Besitzer wird. Eine solche Korrektur des vermeintlichen Widerspruchs zwischen § 933 BGB und § 934 Alt.1 BGB wird jedoch von der h.M. nicht vorgenommen. Die „Ungleichbehandlung“ sei vielmehr hinzunehmen, da eine Gleichstellung von mittelbarem und unmittelbarem Besitzer nach der gesetzlichen Wertung nur erfolgen solle, sofern sich der mittelbare Besitzer bei der Veräußerung seines Besitzes ganz entledige. Dies sei bei §§ 930, 933 BGB aber gerade nicht der Fall, da der unmittelbare Besitz beim Veräußerer verbleibt. Bei §§ 931, 934 1. Alt. BGB hingegen verliert der Veräußerer jegliche Besitzposition.

8. V hat sein Eigentum verloren, sodass ihm kein Herausgabeanspruch gegen K zusteht.

Ja, in der Tat!

V hat ihr Eigentum verloren, da D von C gutgläubig das Eigentum an der Fräsmaschine gem. §§ 929 S.1, 931, 934 1.Alt. BGB erworben hat. Mangels Eigentümerstellung steht ihr kein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB gegen K zu.

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