Zuständigkeit am Erfüllungsort nach § 29 Abs. 1 ZPO
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B (Wohnsitz: Bitburg) engagiert Rechtsanwalt R (Wohnsitz: Trier). Nach verlorenem Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf weigert B sich, dem R sein Honorar (€4.000) zu zahlen. R möchte es einklagen. Trier und Bitburg liegen im Landgerichtsbezirk Trier und haben jeweils ein eigenes Amtsgericht.
Einordnung des Falls
Zuständigkeit am Erfüllungsort nach § 29 Abs. 1 ZPO
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn kein anderweitiger ausschließlicher Gerichtsstand besteht, kann R den B an dessen Wohnsitz - Bitburg - verklagen (§§ 12, 13 ZPO, allgemeiner Gerichtsstand).
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Genau, so ist das!
2. Vorliegend besteht ein anderweitiger ausschließlicher Gerichtsstand.
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Nein, das trifft nicht zu!
3. Neben dem allgemeinen Gerichtsstand besteht ein besonderer Gerichtsstand am Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung (§ 29 Abs. 1 ZPO).
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Ja!
4. Der Erfüllungsort (§ 29 Abs. 1 ZPO) liegt für alle Verpflichtungen aus dem Anwaltsvertrag am Ort der vertragscharakteristischen Leistung (der anwaltlichen Beratung).
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Nein, das ist nicht der Fall!
5. Der Erfüllungsort (§ 29 Abs. 1 ZPO) der Honorarzahlungspflicht liegt am Wohnsitz des B in Bitburg.
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Ja, in der Tat!
6. Zuständiges Gericht ist das Landgericht Trier.
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Nein!
7. R könnte sein Honorar auch vor dem Gericht des Vorprozesses (Landgericht Düsseldorf) einklagen (§ 34 ZPO).
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Ja, in der Tat!
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Saendrou
7.1.2021, 10:49:00
Sehr schöner Fall, in meinen Augen eignet der sich auch hervorragend für eine Zusatzfrage zum besonderen Gerichtsstand des Hauptprozess nach § 34 ZPO, den übersieht man ganz gerne Mal.

Tigerwitsch
4.5.2021, 20:28:04
Ich fände es auch super, wenn der besondere Gerichtsstand des § 34 ZPO in die Aufgabe implementiert werden würde. Ich muss gestehen, dass ich erst vor ein paar Tagen durch Zufall auf diesen Gerichtsstand aufmerksam wurde 😇🙈

Lukas_Mengestu
23.11.2021, 12:33:49
Klasse Hinweis, das haben wir nun ergänzt. Danke euch! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
chuck lawris
20.10.2021, 17:43:42
Wenn Geldschulden qualifizierte Schickschulden (Bringschulden) sind, § 270 Abs 1 und die Vorschrift des § 269 unberührt bleibt, § 270 Abs 4, ist dann nicht der Erfüllungsort derjenige, wo das Geld hinzubringen ist, also an den Ort des R, sodass der Erfüllungsort Ort in Trier ist?

Lukas_Mengestu
21.10.2021, 09:52:30
Hi chuck, hier hat sich glaube ich ein kleiner Denkfehler eingeschlichen. Die Schickschuld ist nicht gleichzusetzen mit der Bringschuld. Bei der Bringschuld liegt der Ort der Leistungshandlung (sog. Erfüllungsort bzw. Leistungsort) und der Ort, wo der Leistungserfolg eintritt (Erfolgsort), am selben Ort, nämlich am Sitz des Gläubigers (zB Vereinbarung darüber, dass der Schuldner dem Gläubiger das versprochene Paket persönlich vorbeibringt). Bei der Schickschuld fallen der Leistungsort und der Erfolgsort auseinander (zB Schuldner schickt das Paket per Post, dieses wird dem Gläubiger zugestellt). Ist eine Schickschuld vereinbart, so ist der Schuldner lediglich verpflichtet, seine Leistungshandlung an seinem Sitz zu erbringen (Abschicken des Paketes), während der Leistungserfolg nach wie vor beim Gläubiger eintritt (Übergabe und Übereignung). Relevant ist dies nicht nur für die Frage, an welchem Ort geklagt werden kann, sondern auch dafür, wann Erfüllung (§ 362 BGB) eintritt. Denn hier kommt es primär auf den Leistungserfolg an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
chuck lawris
21.10.2021, 14:32:25
Du hast Recht. Mein Fehler. Danke für die Antwort 👌

Blackpanther
13.1.2022, 20:33:48
Liegt nicht neben Geschäften des täglichen Lebens und Bauverträgen auch bei Arbeitsverträgen ein einheitlicher Erfüllungsort vor?

Lukas_Mengestu
14.1.2022, 10:14:45
Hallo Blackpanther, in der Tat liegt auch bei Arbeitsverhältnissen regelmäßig ein einheitlicher Erfüllungsort vor. Wir haben das mit aufgenommen. Allerdings bezieht sich das auf die Fälle des "Normalarbeitsverhältnis" bei dem der Arbeitnehmer in den Betrieb kommt. Anders wäre dies zu beurteilen, wenn man dauerhaft aus dem Homeoffice arbeitet oder man als Kundenvertreter ein größeres Gebiet abdeckt und keinen festen Arbeitssitz hat. Dann kommt es auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers an. Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten ergibt sich die örtliche Zuständigkeit zudem auch aus § 48 Abs. 1a ArbGG, wo ebenfallls auf den Bezirk der gewöhnlichen Tätigkeit abgestellt wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team