Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Leistung erfüllungshalber - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

Leistung erfüllungshalber - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K übergibt V zur Erfüllung einer Kaufpreisschuld (€ 1000) erfüllungshalber seinen gebrauchten Roller. V verkauft diesen an B für €1000 weiter. Später zeigt sich, dass der Roller von Anfang an mangelhaft war. B tritt berechtigt vom Vertrag zurück und gibt V den Roller zurück.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Leistung erfüllungshalber - Mangel beim hingegebenen Gegenstand

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist Ks Kaufpreisschuld durch Übergabe des Rollers an V erloschen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei der Leistung erfüllungshalber erlischt die Forderung des Gläubigers nicht bereits mit Übergabe des hingegebenen Gegenstandes, sondern erst mit der erfolgreichen Verwertung. Das Verwertungsrisiko liegt beim Schuldner.Durch die Übergabe des Rollers ist V zwar verpflichtet, sich vorrangig durch dessen Verwertung zu befriedigen. Seine ursprüngliche Forderung bleibt aber bestehen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Ist Ks Kaufpreisschuld durch Vs Verkauf des Rollers an B erloschen?

Nein, das trifft nicht zu!

Soweit der Gläubiger aus dem hingegebenen Gegenstand Befriedigung erlangt hat, erlischt seine Forderung (§ 362 BGB). Soweit eine Befriedigung bei Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt ganz oder teilweise nicht gelingt, wird die ursprüngliche Forderung nach der herrschenden Meinung wieder fällig. Gleiches gilt, wenn die Verwertung gelingt, der Gläubiger aber vom Dritterwerber in Anspruch genommen wird.Da B gegenüber V vom Vertrag zurückgetreten ist, wurde V nicht befriedigt. Somit kann er weiterhin von K €1000 fordern.

3. Kann V gegenüber K zusätzlich Mängelrechte (zB Reparatur des Rollers) geltend machen (§ 365 BGB)?

Nein!

Im Falle der Leistung erfüllungshalber, ist § 365 BGB nicht anwendbar. Die direkte Anwendung scheidet aus, da sich der Wortlaut der Norm, ausschließlich auf die Leistung an Erfüllung statt bezieht. Auch eine analoge Anwendung scheidet aus. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage voraus. Bis zur erfolgreichen Verwertung behält der Gläubiger seine ursprüngliche Forderung. Eines weitergehenden Schutzes bedarf er insoweit nicht, weswegen es an der vergleichbaren Interessenlage fehlt.Da K den Roller nur erfüllungshalber an V übergeben hat, stehen diesem keine Mängelrechte zu.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Hendrik

Hendrik

24.11.2021, 08:02:43

Hallo, eine Frage zur vorletzten Frage. Ist die Kaufpreisforderung V gegen K durch den Verkauf des Rollers zwischenzeitlich erlöschen und lebt durch den Rücktritt lediglich wieder auf oder wird die Kaufpreisforderung durch die erst später festgestellte aber zu Anfang vorliegende Mangelhaftigkeit als nie erloschen behandelt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.11.2021, 10:15:16

Hallo Hendrik, sehr gute Frage! Bei der

Leistung erfüllungshalber

erlischt die Forderung nur soweit, wie der Gläubiger befriedigt wird. Sofern V nach dem B den gesamten Kaufpreis zurückzahlen muss, ist insoweit keine

Befriedigung

eingetreten. Die Forderung gegenüber K wird insoweit behandelt, als sei sie nie erloschen (vgl. Weiler, Schuldrecht AT, § 13 RdNr. 25). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JO

jomolino

15.3.2022, 15:55:24

Das heißt aber vom Standpunkt ein Tag vor Erkennbarkeit der Mangelhaftigkeit ist die Forderung durchaus erloschen? Das wiederaufleben geschieht ex tunc?

T-J

T-J

22.12.2022, 19:00:57

Dieselbe Frage habe ich mir auch gestellt und gedacht, die Forderung wäre bis zum Rücktritt erloschen.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

5.8.2023, 21:00:21

Ja, die Forderung erlischt, sobald Verwertung eintritt. Wenn sich nach Verwertung ein Mangel zeigt und der Gläubiger vom Käufer in Anspruch genommen wird, liegt die

Befriedigung

nicht mehr vor und somit wird die Forderung so behandelt als wäre sie ex tunc nie erloschen.

VALA

Vanilla Latte

6.10.2023, 23:21:02

Dann trägt der Schuldner also bis Verjährung der Gewährleistungsansprüche das Risiko der Verwertung?

Josef K.

Josef K.

2.1.2024, 09:47:16

Hallo, ich beziehe mich auf ursprüngliche Frage von Hendrik: Überspringt die vorletzte Frage der Lektion dann nicht einen gedanklichen Prüfungspunkt, dem zunächst scheinbaren Erlöschen durch die Verwertung, als die Mangelhaftigkeit wohl noch unbekannt war, und kommt etwas irritierend, weil unvermittelt auf den eigentlich erst anschließend gedanklich vollziehbaren Schritt, wonach sich die angebotene

Leistung erfüllungshalber

, von Beginn an als für das Erlöschen der Forderung ungeeigneten herausstellt und der Anschein des Erlöschen durch

Leistung erfüllungshalber

als nicht schutzwürdig erachtet wird? Mit Gruß

FABI

Fabi

11.1.2024, 17:15:28

Liebes Jurafuchs-Team, ich habe zwei Fragen zum genannten Themenfeld, deren Antwort sich mir aus den Fragen nicht ganz erschließt: 1. Wie steht es um die Eigentumsverhältnisse bei der Leistung erfüllunghalber? Ich gehe aufgrund der vorangegangenen Aufgaben davon aus, dass der Schuldner hier Eigentümer bleibt; anders als bei § 364 I BGB. Da ich es in etwa so verstanden habe, das bei der

Leistung erfüllungshalber

quasi ein zusätzlicher Vertrag sui generis entsteht, könnte man darauf auch (neben ggf. §

985 BGB

) einen

Rückübereignungsanspruch

stützen können? Also wenn nun V beispielsweise weiterhin Erfüllung verlangt, aber das Moped nicht an K übergibt. 2. Wenn der Käufer des Mopeds sich im vorliegenden Beispiel für die Minderung statt Rück

übereignung

entscheiden würde, stünde dem V dann gegen K ein SE-Anspruch i.H. des Differenzbetrages zu und auf welche Normen könnte dies gestützt werden? § 365 BGB analog ist hier ja nicht anwendbar, also § 280 I, 241 II ggf. i.V.m. kleinem SE statt der Leistung aus § 283 (Unfallmoped)? Vorab vielen Dank für die Beantwortung! Viele Grüße Fabi

TI

Timurso

12.1.2024, 17:34:08

Zu 1.: Das kann sein, dass man den dann auch aus diesem Vertrag sui generis herleiten könnte, ähnlich eines

Rückübereignungsanspruch

s im Rahmen von Sicherungsrechten aus der

Sicherungsabrede

. Viel Relevanz wird diese Konstruktion jedoch nicht haben, da man das ja alles über das Eigentum abwickeln kann. Zu 2.: Nein, wenn gemindert wird, lebt der ursprüngliche Anspruch wieder auf. Für einen Schadensersatzanspruch bleibt daher kein Raum, der V kann den Differenzbetrag daher einfach aus seinem ursprünglichen Anspruch verlangen, der nicht erfüllt wurde.

Paulah

Paulah

31.1.2024, 10:04:55

In der zweiten Frage geht es darum, ob die Kaufpreisschuld durch den V e r k a u f des Rollers erloschen ist. Meiner Meinung nach ist sie das, jedenfalls zunächst. Erst später wird die Erfüllung durch die Anfechtung ex tunc beseitigt. Da schließe ich mich auch der Frage von Vanilla Latte in dem anderen Thread an: Trägt der Schuldner bis zur Verjährung der Gewährleistungsansprüche das Risiko der Verwertung?


© Jurafuchs 2024