Geschäftsunfähig
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ist geschäftsunfähig (§ 105 Abs. 1 BGB). Trotz dessen möchte er pflichtbewusst die gegenüber C bestehende Pflicht i.H.v. €1000 begleichen. Deshalb erteilt er einen Überweisungsauftrag an seine Bank B, welche diesen unwissend ausführt. B verlangt nun das überwiesene Geld.
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Einordnung des Falls
Geschäftsunfähig
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat aufgrund des Girovertrags einen vertraglichen Anspruch gegen A auf Aufwendungsersatz in Höhe von €1000 (§§ 675c Abs. 1, 670 BGB).
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. C hat die €1000 durch Leistung des A erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. C hat die €1000 durch Leistung der B erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
4. B hat einen Anspruch auf Herausgabe der €1000 gegen C aus Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).
Ja!
5. Rechtsscheingesichtspunkte werden hier außer Acht gelassen.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
IsiRider
15.12.2023, 15:49:51
Seit wann gibt es die neue Rspr.?
kaan00
15.1.2024, 16:56:43
Bitte das Urteil verlinken!
rlaw
25.1.2024, 10:01:28
https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz111_382.htm
Lukas_Mengestu
15.3.2024, 13:27:08
Hallo ihr Lieben, die Zahlungsdiensterichtlinie ist im Jahr 2009 in Kraft getreten. Im Hinblick zu dem sich daraus entwickelten Streit hat der BGH 2015 dann Stellung bezogen und seine Rechtsprechung teilweise aufgegeben (BGH, Urteil vom 16.06.2015 - XI ZR 243/13 = https://openjur.de/u/839638.html). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
LS2024
8.3.2024, 13:33:19
Die Anweisung ist ja sowohl bei widerrufener Anweisung (§ 130 I 2 BGB) als auch bei der Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden von Anfang an unwirksam. Laut dem BGH sind die Fälle aber unterschiedlich zu behandeln, nur im ersten Fall kann die Bank gegen den Anweisenden per Leistungskondiktion vorgehen. Nun verstehe ich, dass nach dem Zahlungsdiensterecht ohne wirksame Autorisierung kein Anspruch aus dem Zahlungsdienstevertrag besteht. Aber bei einer widerrufenen Anweisung bestünden doch auch keine vertraglichen Ansprüche gegen den Anweisenden, oder? Wo liegt also der Unterschied, der die Andersbehandlung durch den BGH rechtfertigt?
LS2024
13.3.2024, 13:25:18
Die Rechtfertigung liegt in den Besonderheiten der Zahlungsdienste. Die Bank hätte keine Zahlungsansprüche gegen den vermeintlich Anweisenden. Dieses Argument könnte man möglicherweise auch auf den Widerruf übertragen. Das hat der BGH noch nicht entschieden. Insofern gibt es für die Andersbehandlung keine wirkliche Rechtfertigung.
LS2024
13.3.2024, 13:28:58
Kommt es hier überhaupt auf die Spezifika des Rechts der Zahlungsdienste an? Es entspricht zumindest nicht meinem Rechtsgefühl, dass die Anweisung dem Geschäftsunfähigen zurechenbar ist.
Lukas_Mengestu
15.3.2024, 13:37:01
Hallo LS2024, der BGH hatte früher differenziert: (1) In Fällen, in denen es an einer wirksamen Anweisung gefehlt hat, sollte die Anweisung nicht zurechenbar sein. Damit fehlte es an der Leistung und der Angewiesene konnte direkt gegen den Empfänger über die
Nichtleistungskondiktionvorgehen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB). Zur unwirksamen Anweisung zählte u.a. Fälschung/Verfälschung des Überweisungsauftrages, aber auch die Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden. Schon nach der alten Rechtsprechung stand dem Angewiesenen (=Bank) also ein Anspruch zu. In der Tat hat sich also durch die Zahlungsdiesnsterichtlinie nichts geändert. (2) Abweichend davon hat er die Rechtslage beurteilt, wenn ein Widerruf nicht beachtet wurde, eine Zuvilüberweisung erfolgte. Die Mitveranlassung des Kontoinhabers sollte dazu führen, dass ihm die Anweisung dennoch zurechenbar war. Somit sei eine Direktkondiktion gegen den Empfänger hier ausgeschlossen. Diese Trennung wurde nunmehr gänzlich aufgegeben, sodass es stets an einer Leistung des Zahlers fehlt. Damit ist der Weg frei für die Direktkondiktion der Bank. schau Dir hierzu gerne einmal das folgende Urteil an: BGH, Urteil vom 16.06.2015 - XI ZR 243/13 RdNr. 24 (https://openjur.de/u/839638.html). Im Ergebnis vereinfacht sich damit die Prüfung. Unabhängig des Grundes der fehlenden Autorisierung fehlt es an einer Leistung des Zahlers. Ich hoffe, jetzt ist es noch etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
LS2024
20.5.2024, 13:26:04
Danke für diese sehr hilfreiche Antwort.
Flohm
22.4.2024, 17:16:41
Kann man das im Examen einfach so prüfen / vertreten oder muss man noch einen Streit darüber führen ?
Maximilian Puschmann
13.5.2024, 19:39:52
Hallo Flohm, wenn ein solcher Klassiker in der Form nochmal im Examen drankommt, würde ich (nach meiner Ansicht) den Streit schnell skizzieren. Er ist noch in den Köpfen der Prüfer und zeigt, dass du souverän mit der Materie bist. Beste Grüße Max - für das Jurafuchs-Team
Jimmy105
12.11.2024, 22:01:50
Ganz am Ende liegt ein Tippfehler vor. Die Erstattungspflicht der Bank gegenüber dem "vermeintlichen" Zahler bestimmt sich nach §675u S.2
Linne_Karlotta_
13.11.2024, 17:49:00
Hallo Jimmy105, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team