Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Erlöschen des Schuldverhältnisses
Grundfall: Leistung erfüllungshalber
Grundfall: Leistung erfüllungshalber
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A renoviert Bs Haus und verlangt nach Abnahme die vereinbarten €5000. B ist gerade nicht flüssig. B gibt A ihren goldenen Siegelring und vereinbart mit ihr, sie solle sich hieraus zunächst befriedigen. A bekommt auf ebay-Kleinanzeigen nur €4000.
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Einordnung des Falls
Grundfall: Leistung erfüllungshalber
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hatte A anfangs einen Anspruch darauf, dass B den geschuldeten Werklohn zahlt (§ 631 Abs. 1 Alt. 2 BGB)?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist mit Übergabe des Siegelrings As Werklohnforderung durch Erfüllung erloschen (§ 362 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Kann der Schuldner seine Leistungspflicht auch durch eine andere als die geschuldete Leistung erfüllen, wenn der Gläubiger zustimmt?
Ja, in der Tat!
4. Ist durch die Übergabe des Siegelrings As Werklohnforderung durch Leistung an Erfüllung statt erloschen (§ 364 Abs. 1 BGB)?
Nein!
5. Kann A vor Verwertung des Siegelrings von B die Werklohnforderung verlangen?
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Kann A nach Verwertung des Siegelrings die verbleibenden €1000 von B verlangen?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
18.7.2022, 18:16:39
Wie verhält es sich in Fällen, in denen der Wert des hingegebene Gegenstand erkennbar deutlich unter jenem der Forderung liegt? Ist der Anspruch dann auch in voller Höhe gehemmt?
Lukas_Mengestu
8.8.2022, 19:20:30
Hallo QuiGonTim, das ist letztlich anhand der Parteivereinbarungen zu bestimmen. Sofern sich daraus ergibt, dass die Parteien erst einmal schauen wollen, was der Gegenstand einbringt, so dürfte insgesamt von einem
Zurückbehaltungsrechtauszugehen sein. Ist dagegen zB klar, dass maximal die Hälfte der Forderung damit beglichen werden kann, so spricht vieles dafür, dem Gläubiger bzgl. der anderen Hälfte ein sofortiges FOrderungsrecht zuzubilligen, insbesondere da er eigentlich überhaupt nicht verpflichtet ist, sich auf die
Leistung erfüllungshalbereinzulassen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lea
7.12.2023, 11:49:47
Bedeutet das, wenn jemand sich teilweise nicht daraus befriedigen kann, kommt die ursprüngliche Forderung wieder vollständig zum Einsatz und der Gläubiger muss den Teil dann über das Bereicherungsrecht wieder herausgeben ?
Nora Mommsen
7.12.2023, 16:50:10
Hallo Lea, danke für deine Frage! Kann aus einer
Leistung erfüllungshalbernur ein Teil der Forderung befriedigt werden, lebt die alte Forderung wieder auf - aber eben nur in der Höhe, in der diese noch nicht befriedigt wurde. In diesem Fall also 1000 €. Den aus der Verwertung erlangten Betrag darf der Gläubiger dann aber behalten. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Skinnynorris
18.4.2024, 08:29:32
Hallo! Die
Leistung erfüllungshalberist gesetzlich nicht explizit geregelt, oder? So wie ich es verstehe, ergibt sie sich aus 364 Abs. 2 BGB. Ist das korrekt? Dann wäre ein entsprechender Hinweis an dieser Stelle vielleicht hilfreich.
Nora Mommsen
18.4.2024, 15:46:03
Hallo Skinnynorris, danke für deine Frage! Genauso ist es, explizit geregelt ist es nicht. Der § 364 Abs. 2 BGB enthält eine Auslegungsregel, wem das Verwertungsrisiko tragen soll. Im Zweifel ist von einer
Leistung erfüllungshalberauszugehen. Wir ergänzen das noch entsprechend :) Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Lillz
20.8.2024, 11:24:21
Die klassischen Fällen, in denen es um die Inzahlungnahme eines Pkw geht werden als Annahme an Erfüllungs statt behandelt, die Begründung ist, dass das SV teilweise in Höhe des Verkaufspreises erlischt, hier ist der Fall sehr ähnlich gelagert, es wird aber eine
Annahme erfüllungshalberangenommen. Wie ist die Abgrenzung vorzunehmen, mir erscheint das irgendwie willkürlich?
Tobias Krapp
22.8.2024, 12:15:18
Hallo Lillz, eine Leistung an Erfüllungs statt,
erfüllungshalberund - als dritte Möglichkeit - nur
sicherungshalbersetzen jeweils eine Abrede zwischen den Parteien voraus. Fehlt eine eindeutige Bestimmung der Abrede, ist der Charakter der Abrede durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Hierfür sind alle Umstände des Einzelfalls heranzuziehen. Man muss sich bei der Auslegung die Folgen vergegenwärtigen: Bei der Leistung an Erfüllungs statt erlischt, wie du richtig sagst, unmittelbar der Anspruch des Gläubigers in der entsprechenden Höhe (oder sogar ganz). Der Gläubiger verliert also sein ursprüngliches Forderungsrecht und muss dann gegebenfalls weitere Schritte zur Befriedigung unternehmen, zB das Eintreiben einer Forderung, den Verkauf einer Sache. Und dabei trägt er das volle Risiko: Ist zB die Forderung nicht eintreibbar oder wird die Sache unter Wert verkauft, kann er sich nicht mehr an den ursprünglichen Schuldner halten, da sein Anspruch schon erloschen ist! Da das nachteilig für ihn ist, ist Leistung an Erfüllungs statt nur sehr zurückhaltend anzunehmen. § 364 II BGB enthält auch eine entsprechende Zweifelsregelung gegen die Leistung an Erfüllungs statt. Zwar gilt diese nur für den Fall, dass der Schuldner eine neue Verbindlichkeit übernimmt. Man kann diese Zweifelsregelung aber aus den obigen Gründen insoweit verallgemeinern, als dass der Gläubiger regelmäßig sein ursprüngliches Forderungsrecht nicht aufgeben will. Anderes gilt aber, wenn besondere Umstände in der Auslegung dafür sprechen. Die von dir angesprochene Inzahlungnahme eines Pkw ist ein hervorragendes Beispiel dafür: Bei der Inzahlungnahme wird zwischen den Parteien ein fester Anrechnungsbetrag vereinbart. Der Käufer sagt dem Verkäufer also nicht sinngemäß "Verkauf das mal, und dann zahl ich den Rest", sondern es wird von vornherein der ursprüngliche Kaufpreis um eine vereinbarte Summe reduziert, und nur diese reduzierte Summe soll endgültig bezahlt werden. Das spricht dafür, dass der Verkäufer das Verwertungsrisiko (und auch etwaige Gewinnchancen) tragen soll. In unserem Fall ist es genau anders: Hier haben die Parteien vereinbart, dass sich A "zunächst" aus dem Ring befriedigen soll. Dieses "zunächst" ist Signalwort für die obige sinngemäße Absprache "Verkauf das mal, dann zahl ich den Rest". "Zunächst" wohnt keine Endgültigkeit, sondern eher eine Art Rangfolge/Reihenfolge inne. Das passt in der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB perfekt zur
Leistung erfüllungshalber. Zur Vertiefung mit Einzelfällen kann ich übrigens MüKo BGB §
364 BGBRn. 7 ff. empfehlen :) Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Frederieke
7.11.2024, 23:29:08
Wie ist das denn mit dem Eigentum bei
Leistung erfüllungshalber? Hat der Gläubiger dann ein Recht zum Besitz und behält der Schuldner das Eigentum?
Linne_Karlotta_
15.11.2024, 13:50:29
Hallo @[Frederieke](239723), danke für deine Frage. Ob eine der Schuldner
erfüllungshalberoder an Erfüllungs statt leistet, spielt für den (dinglichen) Eigentumsübergang keine Rolle. Beachte generell, dass du die Frage, ob ein Schuldverhältnis durch Erfüllung erloschen ist, streng von der Frage nach dem Eigentumsübergang trennen musst (
Trennungsprinzip). Schauen wir uns aber mal die sachenrechtliche Ebene an: Der Schuldner übergibt eine Sache an den Gläubiger mit dem Ziel, hierdurch eine Schuld zu begleichen. Unabhängig davon, auf welche Weise die Schuld beglichen werden soll, einigen sich Schuldner und Gläubiger (zumindest durch schlüssiges Verhalten) darauf, dass das Eigentum an der Sache auf den Gläubiger übergeht (§ 929 S. 1 BGB). Denn, wenn die Parteien die Übergabe der Sache zu dem Zweck wollen, dass hierdurch die Schuld des Schuldner getilgt wird, dann muss der Gläubiger die volle
Verfügungsgewaltüber die Sache erlangen. Damit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Parteien auch einen Eigentumsübergang wollen. Gerade bei der
Leistung erfüllungshalber, soll der Gläubiger ja darauf befriedigt werden, dass er mit der übergebenen Sache problemlos – wie ein Eigentümer – weiterverfahren kann (hier in diesem Fall war es der Verkauf der Sache). Dieses Ergebnis darf man aber auf keinen Fall (!) nur mit Verweis auf die schuldrechtliche Ebene begründen – vielmehr benutzt man die schuldrechtliche Vereinbarung bei der Auslegung des Verhaltens der Parteien (§§ 133, 157 BGB), um zu ermitteln, ob ein Eigentumsübergang gewollt ist (Anknüpfungspunkt für die sachenrechtliche Prüfung ist also die „Einigung“). Sollte es im Einzelfall einmal abweichende, ausdrückliche Vereinbarungen der Parteien bzgl. des Eigentumsübergangs geben, musst du diese zwingen beachten. Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Frederieke
15.11.2024, 18:56:03
Danke erstmal für die Antwort. Wie ist es denn dann, wenn die
Leistung erfüllungshalbernicht klappt, also bspw. der Gläubiger das zu einem schlechten Preis oder gar nicht weiterveräußert und der Schuldner dann die Sache zurückwill. Hat er dann auch irgendeinen sachenrechtlichen Anspruch?