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Gutgläubiger Zweiterwerb der Briefgrundschuld

Gutgläubiger Zweiterwerb der Briefgrundschuld

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E überträgt G formwirksam eine tatsächlich nicht bestehende Briefgrundschuld. Im Grundbuch bleibt E als Gläubiger eingetragen. G weiß, dass die Briefgrundschuld nicht besteht. Trotzdem überträgt G die Grundschuld an I und übergibt den Grundschuldbrief. G ist durch öffentlich beglaubigte Abtretungserklärungen als Grundschuldgläubiger legitimiert.

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Einordnung des Falls

Gutgläubiger Zweiterwerb der Briefgrundschuld

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. I hat die Grundschuld nach § 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1, 398ff. BGB erworben.

Nein!

Der Zweiterwerb der Briefgrundschuld nach §§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1, 398ff. BGB setzt voraus: (1) Einigung über Abtretung, (2) Schriftliche Abtretungserklärung oder Eintragung in das Grundbuch, (3) Aushändigung des Grundschuldbriefs, (4) Berechtigung des Zedenten. I und G haben sich über die Abtretung geeinigt. Die Abtretungserklärung erfolgte in Schriftform. G hat I auch den Grundschuldbrief übergeben. G war jedoch Nichtberechtigter.
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2. Das BGB kennt die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs der Briefgrundschuld.

Genau, so ist das!

Hat der Inhaber einer Briefgrundschuld das Grundbuch nach 894 BGB berichtigen lassen und sich selbst als Inhaber der Grundschuld eintragen lassen, so kommt gutgläubiger Erwerb nach §§ 1192 Abs. 1, 1154, 892 BGB in Betracht. Ist der Inhaber nicht im Grundbuch eingetragen, so kommt gutgläubiger Erwerb nur nach § 1192 Abs. 1, 1155 BGB (lückenlose, den Inhaber legitimierende öffentlich beglaubigte Abtretungserklärungen) in Betracht. Die hypothekenrechtliche Norm des § 1155 BGB ist nach § 1192 Abs. 1 BGB anwendbar, da sie kein Ausdruck der Akzessorietät ist.

3. I Hat die Briefgrundschuld nach §§ 1192 Abs. 1, 1155, 398ff. BGB erworben.

Ja, in der Tat!

Der gutgläubige Zweiterwerb der Briefgrundschuld nach §§ 1192 Abs. 1, 1155, 398ff. BGB setzt voraus: (1) Erwerb durch Rechtsgeschäft, (2) Zedent ist im Besitz des Grundschuldbriefs, (3) Ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen, die auf eingetragenen Grundschuldinhaber zurückführt, (4) Kein Widerspruch im Grundbuch, (5) Kein Unrichtigkeitsvermerk im Grundschuldbrief, (6) Gutgläubigkeit des Zessionars. Dem Erwerb der Grundschuld liegt ein Rechtsgeschäft zugrunde (Abtretungsvertrag, § 398 S. 1 BGB). G war zum Zeitpunkt der Abtretung im Besitz des Grundschuldbriefs. Weiterhin liegt eine ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen vor, die auf den eingetragenen Grundschuldinhaber E zurückführt. Ein Widerspruch im Grundbuch oder ein Unrichtigkeitsvermerk im Grundschuldbrief existiert nicht. I war ferner gutgläubig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BEN

Ben

1.8.2022, 09:38:07

Warum ist hier 1154 Abs. 3 auf eine

Briefgrundschuld

anwendbar? Der Wortlaut spricht doch dagegen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.8.2022, 09:58:03

Hallo Ben, herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für Deine Nachfrage. Im vorliegenden Fall spielt § 1154 Abs. 3 BGB keine Rolle, da sich dieser allein auf die Situation bezieht, dass es keinen Hypotheken/Grundschuldbrief gibt, sondern eine reine Buchhypothek/-grundschuld besteht. Dass § 1154 BGB aber insgesamt auch auf die Grundschuld anwendbar ist, obwohl die Norm nur von der Abtretung der Forderung spricht, ergibt sich aus dem Verweis in § 1192 Abs. 1 BGB. Trotz des Wortlauts setzt § 1154 BGB keine Akzessorietät voraus (anders als zB §§ 1137-1139) und ist damit nicht hypothekentypisch. Aus diesem Grund wird die Norm auch auf die Grundschuld angewandt. Statt der Forderung wird indes die Grundschuld abgetreten (vgl. MüKoBGB/Lieder, 8. Aufl. 2020, BGB § 1154 Rn. 51; § 1192 RdNr. 3f.). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BEN

Ben

1.8.2022, 12:50:34

Ich finde wirklich den gesamten Abschnitt 7 über Grundschulden sehr gekünstelt. Kann mir die strikte Anwendung in der Praxis nur sehr schwer vorstellen, wenn es z.B. um einen "senilen Opa" geht (der geschäftsunfähig ist), der sich irgendeine Grundschuld oder Hypothek hat aufdrücken lassen, die dann gutgläubig weiterveräußert wird. Mich interessiert die Rechtsprechung dazu, habe aber momentan keine Zeit mich dazu zu belesen, weil ich diese Woche 4 Klausuren schreibe. Jedenfalls vielen Dank für die Antwort.

BEN

Ben

1.8.2022, 12:52:17

Verstehe natürlich dass es hier nur um die sachenrechtliche Ebene geht, aber eventuelle Ansprüche, die einen dann gegen den finanziellen Ruin verteidigen könnten, sind ja unter Umständen auch schwer durchsetzbar wenn es um die Beweislast usw. geht.

NI

Nils

13.7.2023, 14:17:12

Was kann I dann mit der erworbenen

Briefgrundschuld

anfangen?

Juratiopharm

Juratiopharm

9.11.2023, 15:06:10

Er kann die

Duldung

der Zwangsvollstreckung verlangen, wobei dem Eigentümer ein Anspruch aus § 280 I gegen G zusteht.

Nocebo

Nocebo

21.7.2024, 14:52:45

In der §§-Kette fehlt § 892 BGB, auf den § 1

155 BGB

ja lediglich verweist. Erst dieser regelt selbst den gutgläubigen Erwerb.

LS2024

LS2024

28.8.2024, 11:24:18

Und müsste nicht auch noch § 1154 BGB genannt werden? Die Form des § 1154 BGB muss ja auch beim gutgläubigen Erwerb eingehalten werden. Genauso bedarf es auch einer Übergabe des

Hypothekenbrief

s, was im Schema in der Aufgabe glaube ich gar nicht angesprochen wird.

MEG

Megx

19.11.2024, 11:47:59

Wie ist der erste Satz dieses Sachverhalts zu verstehen? Ich dachte durch formwirksame Übertragung der eigentlich nicht bestehenden GS erwirbt G gutgläubig die GS, aber im folgenden wird er als Nichtberechtigter bezeichnet. Was ist also genau passiert, als E die GS formwirksam an G übertragen hat? Hat er ihm nur den Brief gegeben? Ich verstehe das nicht 😭

Paulah

Paulah

19.11.2024, 14:04:02

Formwirksam bedeutet nicht unbedingt rechtswirksam. G weiß, dass die

Briefgrundschuld

nicht besteht und kann damit nicht gutgläubig erwerben.

MEG

Megx

19.11.2024, 17:23:36

Aber inwiefern wurde die GS denn dann übertragen? Wenn der gutgläubige Erwerb ausscheidet, dann wurde ja nichts übertragen. 🙈

Paulah

Paulah

19.11.2024, 22:49:22

Die

Briefgrundschuld

erlischt, wenn sie nur eine Forderung gesichert hat, die getilgt ist. E muss also jemandem einen Kredit gewährt haben, der abbezahlt wurde, trotzdem hat E hier noch den Brief gehabt. Er ist auch noch im Grundbuch als Gläubiger eingetragen. Der Schulder hat es also versäumt, eine Löschungsbewilligung vorzunehmen. Diesen Brief hat E dann an G übertragen. G ist aber dann Nichtberechtigter, weil er weiß, dass die Grundschuld nicht besteht und nicht gutgläubig erwerben konnte. Deshalb überträgt er die Grundschuld dann als Nichtberechtigter an den gutgläubigen I. Ich hoffe, das ist jetzt nicht strubbelig erklärt.

MEG

Megx

20.11.2024, 09:11:24

Ok also geht es im Kern erstmal um die Übertragung des Briefs. Ich glaube jetzt habe ich es kapiert, Dankeschön! :)


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