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Gutgläubiger Zweiterwerb der Briefgrundschuld

Gutgläubiger Zweiterwerb der Briefgrundschuld

9. November 2025

33 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E überträgt G formwirksam eine tatsächlich nicht bestehende Briefgrundschuld. Im Grundbuch bleibt E als Gläubiger eingetragen. G weiß, dass die Briefgrundschuld nicht besteht. Trotzdem überträgt G die Grundschuld an I und übergibt den Grundschuldbrief. G ist durch öffentlich beglaubigte Abtretungserklärungen als Grundschuldgläubiger legitimiert.

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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. I hat die Grundschuld nach § 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1, 398ff. BGB erworben.

Nein!

Der Zweiterwerb der Briefgrundschuld nach §§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1, 398ff. BGB setzt voraus: (1) Einigung über Abtretung, (2) Schriftliche Abtretungserklärung oder Eintragung in das Grundbuch, (3) Aushändigung des Grundschuldbriefs, (4) Berechtigung des Zedenten. I und G haben sich über die Abtretung geeinigt. Die Abtretungserklärung erfolgte in Schriftform. G hat I auch den Grundschuldbrief übergeben. G war jedoch Nichtberechtigter.
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2. Das BGB kennt die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs der Briefgrundschuld.

Genau, so ist das!

Hat der Inhaber einer Briefgrundschuld das Grundbuch nach 894 BGB berichtigen lassen und sich selbst als Inhaber der Grundschuld eintragen lassen, so kommt gutgläubiger Erwerb nach §§ 1192 Abs. 1, 1154, 892 BGB in Betracht. Ist der Inhaber nicht im Grundbuch eingetragen, so kommt gutgläubiger Erwerb nur nach § 1192 Abs. 1, 1155 BGB (lückenlose, den Inhaber legitimierende öffentlich beglaubigte Abtretungserklärungen) in Betracht. Die hypothekenrechtliche Norm des § 1155 BGB ist nach § 1192 Abs. 1 BGB anwendbar, da sie kein Ausdruck der Akzessorietät ist.

3. I Hat die Briefgrundschuld nach §§ 1192 Abs. 1, 1155, 398ff. BGB erworben.

Ja, in der Tat!

Der gutgläubige Zweiterwerb der Briefgrundschuld nach §§ 1192 Abs. 1, 1155, 398ff. BGB setzt voraus: (1) Erwerb durch Rechtsgeschäft, (2) Zedent ist im Besitz des Grundschuldbriefs, (3) Ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen, die auf eingetragenen Grundschuldinhaber zurückführt, (4) Kein Widerspruch im Grundbuch, (5) Kein Unrichtigkeitsvermerk im Grundschuldbrief, (6) Gutgläubigkeit des Zessionars. Dem Erwerb der Grundschuld liegt ein Rechtsgeschäft zugrunde (Abtretungsvertrag, § 398 S. 1 BGB). G war zum Zeitpunkt der Abtretung im Besitz des Grundschuldbriefs. Weiterhin liegt eine ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen vor, die auf den eingetragenen Grundschuldinhaber E zurückführt. Ein Widerspruch im Grundbuch oder ein Unrichtigkeitsvermerk im Grundschuldbrief existiert nicht. I war ferner gutgläubig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BEN

Ben

1.8.2022, 09:38:07

Warum ist hier 1154 Abs. 3 auf eine

Briefgrundschuld

anwendbar? Der Wortlaut spricht doch dagegen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.8.2022, 09:58:03

Hallo Ben, herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für Deine Nachfrage. Im vorliegenden Fall spielt § 1154 Abs. 3 BGB keine Rolle, da sich dieser allein auf die Situation bezieht, dass es keinen Hypotheken/Grundschuldbrief gibt, sondern eine reine

Buchhypothek

/-grundschuld besteht. Dass §

1154 BGB

aber insgesamt auch auf die Grundschuld anwendbar ist, obwohl die Norm nur von der

Abtretung

der Forderung spricht, ergibt sich aus dem Verweis in § 1192 Abs. 1 BGB. Trotz des Wortlauts setzt §

1154 BGB

keine Akzessorietät voraus (anders als zB §§ 1137-1139) und ist damit nicht hypothekentypisch. Aus diesem Grund wird die Norm auch auf die Grundschuld angewandt. Statt der Forderung wird indes die Grundschuld abgetreten (vgl. MüKoBGB/Lieder, 8. Aufl. 2020, BGB § 1154 Rn. 51; § 1192 RdNr. 3f.). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BEN

Ben

1.8.2022, 12:50:34

Ich finde wirklich den gesamten Abschnitt 7 über Grundschulden sehr gekünstelt. Kann mir die strikte Anwendung in der Praxis nur sehr schwer vorstellen, wenn es z.B. um einen "senilen Opa" geht (der geschäftsunfähig ist), der sich irgendeine Grundschuld oder Hypothek hat aufdrücken lassen, die dann gutgläubig weiterveräußert wird. Mich interessiert die Rechtsprechung dazu, habe aber momentan keine Zeit mich dazu zu belesen, weil ich diese Woche 4 Klausuren schreibe. Jedenfalls vielen Dank für die Antwort.

BEN

Ben

1.8.2022, 12:52:17

Verstehe natürlich dass es hier nur um die

sachenrecht

liche Ebene geht, aber eventuelle Ansprüche, die einen dann gegen den finanziellen Ruin verteidigen könnten, sind ja unter Umständen auch schwer durchsetzbar wenn es um die Beweislast usw. geht.

NI

Nils

13.7.2023, 14:17:12

Was kann I dann mit der erworbenen

Briefgrundschuld

anfangen?

Juratiopharm

Juratiopharm

9.11.2023, 15:06:10

Er kann die

Duldung der Zwangsvollstreckung

verlangen, wobei dem Eigentümer ein Anspruch aus § 280 I gegen G zusteht.

Nocebo

Nocebo

21.7.2024, 14:52:45

In der §§-Kette fehlt §

892 BGB

, auf den § 1

155 BGB

ja lediglich verweist. Erst dieser regelt selbst den gutgläubigen Erwerb.

LS2024

LS2024

28.8.2024, 11:24:18

Und müsste nicht auch noch §

1154 BGB

genannt werden? Die Form des §

1154 BGB

muss ja auch beim gutgläubigen Erwerb eingehalten werden. Genauso bedarf es auch einer Übergabe des Hypothekenbriefs, was im Schema in der Aufgabe glaube ich gar nicht angesprochen wird.

HARD

hardymary

19.12.2024, 12:20:08

wie kann man offensichtlich so falsch so lange die normenketten stehen lassen?? @[Jurafuchs](137809)

BEN

benjaminmeister

16.3.2025, 18:10:43

Stimme den Vorpostern soweit zu: Es fehlt bei der ersten Übertragung nicht nur die Informationen, dass die Briefübergabe erfolgt ist (außer man liest in "formwirksam" auch die Übergabe rein), trotzdem könnte man das klarstellen), sondern auch, dass bei der zweiten Übertragung die Übertragungserklärung die Schriftform gewahrt hat.

LI

Linder

12.7.2025, 21:39:43

Normkette ist immer noch falsch!

NME

nmew

20.7.2025, 14:18:58

Dito!

MEG

Megx

19.11.2024, 11:47:59

Wie ist der erste Satz dieses Sachverhalts zu verstehen? Ich dachte durch formwirksame Übertragung der eigentlich nicht bestehenden GS erwirbt G gutgläubig die GS, aber im folgenden wird er als Nichtberechtigter bezeichnet. Was ist also genau passiert, als E die GS formwirksam an G übertragen hat? Hat er ihm nur den Brief gegeben? Ich verstehe das nicht 😭

Paulah

Paulah

19.11.2024, 14:04:02

Formwirksam bedeutet nicht unbedingt rechtswirksam. G weiß, dass die

Briefgrundschuld

nicht besteht und kann damit nicht gutgläubig erwerben.

MEG

Megx

19.11.2024, 17:23:36

Aber inwiefern wurde die GS denn dann übertragen? Wenn der gutgläubige Erwerb ausscheidet, dann wurde ja nichts übertragen. 🙈

Paulah

Paulah

19.11.2024, 22:49:22

Die

Briefgrundschuld

erlischt, wenn sie nur eine Forderung gesichert hat, die getilgt ist. E muss also jemandem einen Kredit gewährt haben, der abbezahlt wurde, trotzdem hat E hier noch den Brief gehabt. Er ist auch noch im Grundbuch als Gläubiger eingetragen. Der Schulder hat es also versäumt, eine Löschungsbewilligung vorzunehmen. Diesen Brief hat E dann an G übertragen. G ist aber dann Nichtberechtigter, weil er weiß, dass die Grundschuld nicht besteht und nicht gutgläubig erwerben konnte. Deshalb überträgt er die Grundschuld dann als Nichtberechtigter an den gutgläubigen I. Ich hoffe, das ist jetzt nicht strubbelig erklärt.

MEG

Megx

20.11.2024, 09:11:24

Ok also geht es im Kern erstmal um die Übertragung des Briefs. Ich glaube jetzt habe ich es kapiert, Dankeschön! :)

ajboby90

ajboby90

13.1.2025, 18:26:39

@[Megx](216108) das bedeutet einfach nur, dass ein Übertragungstatbestand bis auf den Punkt der Berechtigung (hilfsweise Gutgläubigkeit) erfüllt ist. Einen Übertragunserfolg gab es deshalb aber erstmal nicht.

ALE

Aleton

26.10.2025, 19:02:13

Aber muss I selbst eine öffentlich beglaubigte

Abtretung

serklärung abgeschlossen haben damit 1

155 BGB

Anwendung findet? Oder findet § 1

155 BGB

auch dann Anwendung, wenn der letzte in der Kette keine öffentlich beglaubigte

Abtretung

serklärung ausgeführt hat? Hab das nicht so aus dem Sachverhalt entnehmen können. Wenn es doch drin stand vllt. kann mir einer mal zeigen wo es drin stand damit ich es nächstes Mal erkenne. :D

Foxxy

Foxxy

26.10.2025, 19:03:17

Nein. § 1

155 BGB

verlangt die öffentliche Beglaubigung nur für die Legitimationskette des

Zedenten

(hier G) bis zurück zum Buchgläubiger; die

Abtretung

an I muss lediglich §

1154 BGB

genügen (schriftliche

Abtretung

und Übergabe des Briefs), nicht öffentlich beglaubigt sein. Im Sachverhalt steht der maßgebliche Hinweis: G ist durch öffentlich beglaubigte

Abtretung

serklärungen als Grundschuldgläubiger legitimiert. Das beschreibt die lückenlose Legitimationskette nach § 1155. Zusätzlich nötig sind Briefbesitz und Gutgläubigkeit von I sowie keine entgegenstehenden Vermerke; ob I gutgläubig ist, geht aus deinem Sachverhalt nicht hervor.

MrMoney64

MrMoney64

30.10.2025, 21:29:35

ist es hier ein

gutgläubiger zweiterwerb

und davor haben wir einen gutgläubigen erwerb der buchgrundschuld geprüft? wieso hier zweiterwerb statt erwerb?

Foxxy

Foxxy

30.10.2025, 21:30:53

Weil hier nicht über das Grundbuch, sondern „aus dem Brief“ von einem Nicht-Eingetragenen erworben wird. Den gutgläubigen Erwerb der Buchgrundschuld prüfst du, wenn der Erwerb vom im Grundbuch Eingetragenen erfolgt und auf §

892 BGB

gestützt werden kann. Hier steht aber weiterhin E im Grundbuch; I erwirbt von G, der nur durch Briefbesitz und eine lückenlose Kette öffentlich beglaubigter

Abtretung

en legitimiert ist. Deshalb kommt nur der gutgläubige Zweiterwerb der

Briefgrundschuld

nach §§ 1192 Abs. 1, 1

155 BGB

in Betracht („Zweiterwerb“ = Erwerb im Wege der

Abtretung

eines Briefrechts). Voraussetzung ist u.a. die Gutgläubigkeit des I; ob I gutgläubig war, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor.

MrMoney64

MrMoney64

30.10.2025, 21:30:57

@[Foxxy](180364)@[Foxxy](180364)

Foxxy

Foxxy

30.10.2025, 21:32:12

Weil I nicht vom im Grundbuch eingetragenen Gläubiger erwirbt, sondern „aus dem Brief“ von einem Nicht‑Eingetragenen.

Gutgläubiger Erwerb

der Buchgrundschuld stützt sich auf §

892 BGB

und setzt den Erwerb vom Eingetragenen voraus. Hier bleibt E eingetragen, I bekommt die

Abtretung

und den Brief aber von G; daher kommt nur der gutgläubige Zweiterwerb im Briefverkehr nach §§ 1192 Abs. 1, 1

155 BGB

in Betracht. „Zweiterwerb“ meint die

Abtretung

eines bereits eingetragenen Briefrechts über einen (nicht eingetragenen) Zwischenmann unter Vorlage einer lückenlosen Kette öffentlich beglaubigter

Abtretung

en und Übergabe des Briefs. Ob I gutgläubig war, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

MrMoney64

MrMoney64

30.10.2025, 21:33:26

Und wieso gibt es dann den zweiterwerb einer buchgrundschuld ? @[Foxxy](180364)

Foxxy

Foxxy

30.10.2025, 21:34:36

@[MrMoney64](261146) Zweiterwerb meint die

Abtretung

eines bereits bestellten Rechts (Gegenteil: Ersterwerb = Bestellung). Den gibt es auch bei der Buchgrundschuld: Übertragung durch

Abtretung

und Eintragung (§§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 3,

398 BGB

); gutgläubig möglich, wenn vom Eingetragenen erworben wird, gestützt auf §

892 BGB

. Hier wird aber nicht vom Eingetragenen, sondern „aus dem Brief“ von einem Nicht‑Eingetragenen erworben. Deshalb scheidet der gutgläubige Bucherwerb nach § 892 aus; in Betracht kommt nur der gutgläubige Zweiterwerb im Briefverkehr nach §§ 1192 Abs. 1, 1

155 BGB

(Briefbesitz, lückenlose Kette öffentlich beglaubigter

Abtretung

en, kein Widerspruch/Unrichtigkeitsvermerk, Gutgläubigkeit des I). Die

Bösgläubigkeit

des G schadet nicht; entscheidend ist die Gutgläubigkeit des I, die dem Sachverhalt nicht entnommen werden kann.


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