Gutgläubiger Zweiterwerb der Briefgrundschuld
9. November 2025
33 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

E überträgt G formwirksam eine tatsächlich nicht bestehende Briefgrundschuld. Im Grundbuch bleibt E als Gläubiger eingetragen. G weiß, dass die Briefgrundschuld nicht besteht. Trotzdem überträgt G die Grundschuld an I und übergibt den Grundschuldbrief. G ist durch öffentlich beglaubigte Abtretungserklärungen als Grundschuldgläubiger legitimiert.
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Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. I hat die Grundschuld nach § 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1, 398ff. BGB erworben.
Nein!
2. Das BGB kennt die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs der Briefgrundschuld.
Genau, so ist das!
3. I Hat die Briefgrundschuld nach §§ 1192 Abs. 1, 1155, 398ff. BGB erworben.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Ben
1.8.2022, 09:38:07
Lukas_Mengestu
1.8.2022, 09:58:03
Hallo Ben, herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für Deine Nachfrage. Im vorliegenden Fall spielt § 1154 Abs. 3 BGB keine Rolle, da sich dieser allein auf die Situation bezieht, dass es keinen Hypotheken/Grundschuldbrief gibt, sondern eine reine
Buchhypothek/-grundschuld besteht. Dass §
1154 BGBaber insgesamt auch auf die Grundschuld anwendbar ist, obwohl die Norm nur von der
Abtretungder Forderung spricht, ergibt sich aus dem Verweis in § 1192 Abs. 1 BGB. Trotz des Wortlauts setzt §
1154 BGBkeine Akzessorietät voraus (anders als zB §§ 1137-1139) und ist damit nicht hypothekentypisch. Aus diesem Grund wird die Norm auch auf die Grundschuld angewandt. Statt der Forderung wird indes die Grundschuld abgetreten (vgl. MüKoBGB/Lieder, 8. Aufl. 2020, BGB § 1154 Rn. 51; § 1192 RdNr. 3f.). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Ben
1.8.2022, 12:50:34
Ich finde wirklich den gesamten Abschnitt 7 über Grundschulden sehr gekünstelt. Kann mir die strikte Anwendung in der Praxis nur sehr schwer vorstellen, wenn es z.B. um einen "senilen Opa" geht (der geschäftsunfähig ist), der sich irgendeine Grundschuld oder Hypothek hat aufdrücken lassen, die dann gutgläubig weiterveräußert wird. Mich interessiert die Rechtsprechung dazu, habe aber momentan keine Zeit mich dazu zu belesen, weil ich diese Woche 4 Klausuren schreibe. Jedenfalls vielen Dank für die Antwort.
Ben
1.8.2022, 12:52:17
Verstehe natürlich dass es hier nur um die
sachenrechtliche Ebene geht, aber eventuelle Ansprüche, die einen dann gegen den finanziellen Ruin verteidigen könnten, sind ja unter Umständen auch schwer durchsetzbar wenn es um die Beweislast usw. geht.
Nils
13.7.2023, 14:17:12
Juratiopharm
9.11.2023, 15:06:10
Er kann die
Duldung der Zwangsvollstreckungverlangen, wobei dem Eigentümer ein Anspruch aus § 280 I gegen G zusteht.
Nocebo
21.7.2024, 14:52:45
In der §§-Kette fehlt §
892 BGB, auf den § 1
155 BGBja lediglich verweist. Erst dieser regelt selbst den gutgläubigen Erwerb.
hardymary
19.12.2024, 12:20:08
wie kann man offensichtlich so falsch so lange die normenketten stehen lassen?? @[Jurafuchs](137809)
benjaminmeister
16.3.2025, 18:10:43
Stimme den Vorpostern soweit zu: Es fehlt bei der ersten Übertragung nicht nur die Informationen, dass die Briefübergabe erfolgt ist (außer man liest in "formwirksam" auch die Übergabe rein), trotzdem könnte man das klarstellen), sondern auch, dass bei der zweiten Übertragung die Übertragungserklärung die Schriftform gewahrt hat.
Linder
12.7.2025, 21:39:43
Normkette ist immer noch falsch!
nmew
20.7.2025, 14:18:58
Dito!
Megx
19.11.2024, 11:47:59
Wie ist der erste Satz dieses Sachverhalts zu verstehen? Ich dachte durch formwirksame Übertragung der eigentlich nicht bestehenden GS erwirbt G gutgläubig die GS, aber im folgenden wird er als Nichtberechtigter bezeichnet. Was ist also genau passiert, als E die GS formwirksam an G übertragen hat? Hat er ihm nur den Brief gegeben? Ich verstehe das nicht 😭
Paulah
19.11.2024, 14:04:02
Formwirksam bedeutet nicht unbedingt rechtswirksam. G weiß, dass die
Briefgrundschuldnicht besteht und kann damit nicht gutgläubig erwerben.
Megx
19.11.2024, 17:23:36
Aber inwiefern wurde die GS denn dann übertragen? Wenn der gutgläubige Erwerb ausscheidet, dann wurde ja nichts übertragen. 🙈
Paulah
19.11.2024, 22:49:22
Die
Briefgrundschulderlischt, wenn sie nur eine Forderung gesichert hat, die getilgt ist. E muss also jemandem einen Kredit gewährt haben, der abbezahlt wurde, trotzdem hat E hier noch den Brief gehabt. Er ist auch noch im Grundbuch als Gläubiger eingetragen. Der Schulder hat es also versäumt, eine Löschungsbewilligung vorzunehmen. Diesen Brief hat E dann an G übertragen. G ist aber dann Nichtberechtigter, weil er weiß, dass die Grundschuld nicht besteht und nicht gutgläubig erwerben konnte. Deshalb überträgt er die Grundschuld dann als Nichtberechtigter an den gutgläubigen I. Ich hoffe, das ist jetzt nicht strubbelig erklärt.
Megx
20.11.2024, 09:11:24
Ok also geht es im Kern erstmal um die Übertragung des Briefs. Ich glaube jetzt habe ich es kapiert, Dankeschön! :)
ajboby90
13.1.2025, 18:26:39
@[Megx](216108) das bedeutet einfach nur, dass ein Übertragungstatbestand bis auf den Punkt der Berechtigung (hilfsweise Gutgläubigkeit) erfüllt ist. Einen Übertragunserfolg gab es deshalb aber erstmal nicht.
Aleton
26.10.2025, 19:02:13
Aber muss I selbst eine öffentlich beglaubigte
Abtretungserklärung abgeschlossen haben damit 1
155 BGBAnwendung findet? Oder findet § 1
155 BGBauch dann Anwendung, wenn der letzte in der Kette keine öffentlich beglaubigte
Abtretungserklärung ausgeführt hat? Hab das nicht so aus dem Sachverhalt entnehmen können. Wenn es doch drin stand vllt. kann mir einer mal zeigen wo es drin stand damit ich es nächstes Mal erkenne. :D
Foxxy
26.10.2025, 19:03:17
Nein. § 1
155 BGBverlangt die öffentliche Beglaubigung nur für die Legitimationskette des
Zedenten(hier G) bis zurück zum Buchgläubiger; die
Abtretungan I muss lediglich §
1154 BGBgenügen (schriftliche
Abtretungund Übergabe des Briefs), nicht öffentlich beglaubigt sein. Im Sachverhalt steht der maßgebliche Hinweis: G ist durch öffentlich beglaubigte
Abtretungserklärungen als Grundschuldgläubiger legitimiert. Das beschreibt die lückenlose Legitimationskette nach § 1155. Zusätzlich nötig sind Briefbesitz und Gutgläubigkeit von I sowie keine entgegenstehenden Vermerke; ob I gutgläubig ist, geht aus deinem Sachverhalt nicht hervor.
MrMoney64
30.10.2025, 21:29:35
ist es hier ein
gutgläubiger zweiterwerbund davor haben wir einen gutgläubigen erwerb der buchgrundschuld geprüft? wieso hier zweiterwerb statt erwerb?
Foxxy
30.10.2025, 21:30:53
Weil hier nicht über das Grundbuch, sondern „aus dem Brief“ von einem Nicht-Eingetragenen erworben wird. Den gutgläubigen Erwerb der Buchgrundschuld prüfst du, wenn der Erwerb vom im Grundbuch Eingetragenen erfolgt und auf §
892 BGBgestützt werden kann. Hier steht aber weiterhin E im Grundbuch; I erwirbt von G, der nur durch Briefbesitz und eine lückenlose Kette öffentlich beglaubigter
Abtretungen legitimiert ist. Deshalb kommt nur der gutgläubige Zweiterwerb der
Briefgrundschuldnach §§ 1192 Abs. 1, 1
155 BGBin Betracht („Zweiterwerb“ = Erwerb im Wege der
Abtretungeines Briefrechts). Voraussetzung ist u.a. die Gutgläubigkeit des I; ob I gutgläubig war, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor.
MrMoney64
30.10.2025, 21:30:57
@[Foxxy](180364)@[Foxxy](180364)
Foxxy
30.10.2025, 21:32:12
Weil I nicht vom im Grundbuch eingetragenen Gläubiger erwirbt, sondern „aus dem Brief“ von einem Nicht‑Eingetragenen.
Gutgläubiger Erwerbder Buchgrundschuld stützt sich auf §
892 BGBund setzt den Erwerb vom Eingetragenen voraus. Hier bleibt E eingetragen, I bekommt die
Abtretungund den Brief aber von G; daher kommt nur der gutgläubige Zweiterwerb im Briefverkehr nach §§ 1192 Abs. 1, 1
155 BGBin Betracht. „Zweiterwerb“ meint die
Abtretungeines bereits eingetragenen Briefrechts über einen (nicht eingetragenen) Zwischenmann unter Vorlage einer lückenlosen Kette öffentlich beglaubigter
Abtretungen und Übergabe des Briefs. Ob I gutgläubig war, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.
MrMoney64
30.10.2025, 21:33:26
Und wieso gibt es dann den zweiterwerb einer buchgrundschuld ? @[Foxxy](180364)
Foxxy
30.10.2025, 21:34:36
@[MrMoney64](261146) Zweiterwerb meint die
Abtretungeines bereits bestellten Rechts (Gegenteil: Ersterwerb = Bestellung). Den gibt es auch bei der Buchgrundschuld: Übertragung durch
Abtretungund Eintragung (§§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 3,
398 BGB); gutgläubig möglich, wenn vom Eingetragenen erworben wird, gestützt auf §
892 BGB. Hier wird aber nicht vom Eingetragenen, sondern „aus dem Brief“ von einem Nicht‑Eingetragenen erworben. Deshalb scheidet der gutgläubige Bucherwerb nach § 892 aus; in Betracht kommt nur der gutgläubige Zweiterwerb im Briefverkehr nach §§ 1192 Abs. 1, 1
155 BGB(Briefbesitz, lückenlose Kette öffentlich beglaubigter
Abtretungen, kein Widerspruch/Unrichtigkeitsvermerk, Gutgläubigkeit des I). Die
Bösgläubigkeitdes G schadet nicht; entscheidend ist die Gutgläubigkeit des I, die dem Sachverhalt nicht entnommen werden kann.


