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Das Lüth-Urteil zur mittelbaren Grundwirkung von Grundrechten (BVerfG 15.1.1958): examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs

Das Lüth-Urteil zur mittelbaren Grundwirkung von Grundrechten (BVerfG 15.1.1958): examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration zum Lüth-Urteil zur mittelbaren Grundwirkung von Grundrechten (BVerfG 15.1.1958): Der Vorsitzende des Hamburger Presseklubs Lüth ruft zum Boykott des Films „Unsterbliche Geliebte“ von Veit Harlan auf

Der Vorsitzende des Hamburger Presseklubs Lüth (L) ruft zum Boykott des Films „Unsterbliche Geliebte“ von Veit Harlan (H) auf. Grund des Boykottaufrufs ist Hs Rolle bei der Judenverfolgung. Daraufhin verklagt H den L erfolgreich auf Unterlassung der Äußerungen aus § 826 BGB.

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Einordnung des Falls

In dieser Entscheidung begründet das BVerfG die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte zwischen Privaten. Kernaussage: „Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich aber auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt. Im bürgerlichen Recht entfaltet sich der Rechtsgehalt der Grundrechte mittelbar durch die privatrechtlichen Vorschriften.“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Sind die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat? Sind sie daneben auch Ausdruck einer objektiven Wertordnung?

Ja!

Die Grundrechte sind primär Abwehrrechte des Bürgers gegen staatliche Eingriffe. Sie verleihen dem einzelnen Bürger abwehrfähige Rechtspositionen gegenüber staatlichem Handeln und schützen ihn dadurch (Schutzfunktion der Grundrechte). Das BVerfG hat im Lüth-Beschluss erstmals deutlich herausgestellt, dass das Grundgesetz nicht als wertneutrale Ordnung zu verstehen ist. Vielmehr errichtet der Grundrechtsabschnitt eine objektive Wertordnung. Dadurch kommt die Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck. Was uns heute selbstverständlich erscheinen mag, war zur Zeit des Lüth-Beschlusses von 1958 Gegenstand höchst kontroverser Diskussionen.
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2. Haben die Grundrechte Einfluss im Privatrecht?

Genau, so ist das!

Durch ihren Charakter als objektive Wertordnung statuieren die Grundrechte eine verfassungsrechtliche Grundentscheidungen, die für alle Bereiche des Rechts gilt. Die Grundrechte als Wertsystem beeinflussen „selbstverständlich auch das bürgerliche Recht; keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu [ihnen] stehen, jede muß in [ihrem] Geiste ausgelegt werden.“ Deshalb müssen die Grundrechtsbestimmungen eine Ausstrahlungswirkung im Zivilrecht besitzen. Wiederum ist die historische Kontextualisierung des Lüth-Beschlusses wichtig. So wurden 1958 Meinungen postuliert, die teilweise den Einfluss der Grundrechte auf das Privatrecht (vollständig) ablehnten.

3. Wirkt sich der Einfluss der Grundrechte im Privatrecht insbesondere über die zivilrechtlichen Generalklauseln aus?

Ja, in der Tat!

Insbesondere zivilrechtliche Generalklauseln sind die Einbruchsstellen für die Wirkung der Grundrechte. Beispielsweise sind bei der Auslegung, was Treu und Glaube nach § 242 BGB ist, die Grundrechte zu berücksichtigen. Ferner ist für die Bestimmung, was die guten Sitten im Sinne von § 826 BGB sind, ein grundrechtlicher Auslegungsmaßstab beachtlich. Grund hierfür ist, dass diese Vorschriften "Prinzipien [enthalten], die aus Gründen des gemeinen Wohls auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen verbindlich sein sollen und deshalb der Herrschaft des Privatwillens entzogen sind." Die Grundrechte sind daher bei der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe heranzuziehen.

4. Gelten die Grundrechte im Zivilrecht unmittelbar?

Nein!

Insbesondere Hans Carl Nipperdey hat die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte geprägt. Danach könnte sich der Einzelne bei Beeinträchtigungen seiner Freiheitssphäre auch gegenüber Privaten auf die Grundrechte berufen. Privatperson A hätte direkt gegen Privatperson P einen grundrechtlichen Anspruch. Dagegen spricht jedoch der Wortlaut von Art. 1 Abs. 3 GG, der lediglich "Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung" der Grundrechtsbindung unterwirft. Darüber hinaus ist einzelnen Grundrechten (Art. Art. 1 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 3 S. 2, 48 Abs. 1 u. 2 GG) eine unmittelbare privatrechtliche Wirkung zu entnehmen, was den Ausnahmecharakter verdeutlicht. Ein weiteres Gegenargument ist die grundrechtlich geschützte Privatautonomie. Ferner verletzt die unmittelbare Geltung der Grundrechte auch den Vorrang des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Privatrechts.

5. Hat das BVerfG im Lüth-Beschluss die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht begründet? Muss der Zivilrichter bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmal "gute Sitten" in § 826 BGB die Meinungsfreiheit des L berücksichtigen?

Genau, so ist das!

Auf Günter Dürig geht die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte zurück. Danach bleiben die zivilrechtlichen Vorschriften für die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten maßgeblich. Allerdings sind die Grundrechte als objektive Wertordnung durch den Zivilrichter bei der Auslegung und Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe in Generalklauseln (bspw. §§ 242, 138, 826 BGB) zu berücksichtigen. Grund hierfür ist, dass der Zivilrichter öffentliche Gewalt ausübt und über Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist. Für die Beurteilung, ob der Boykottaufruf eine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB darstellt, ist die Auslegung relevant. Dabei muss das Gericht die Grundrechte von L und H berücksichtigen. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte ist heute ganz hM.

6. Prüft das BVerfG die Verletzung einfachen Rechts?

Nein, das trifft nicht zu!

Im Lüth-Beschluss prägte das BVerfG die bis heute gängige Formel, dass das BVerfG keine Superrevisionsinstanz ist. Der verfassungsgerichtliche Prüfungsumfang erstreckt sich daher nicht auf die Verletzung einfachen Rechts, sondern ist auf die verfassungsrechtliche Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung beschränkt. Das BVerfG prüft daher nur, "ob das ordentliche Gericht die Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte [...] zutreffend beurteilt hat". Das BVerfG begründet dies mit dem Sinn der Verfassungsbeschwerde, die garantiert, dass "alle Akte der gesetzgebenden, vollziehenden und richterlichen Gewalt auf ihre „Grundrechtmäßigkeit“ nachprüfbar sein sollen (§90 BVerfGG)". Die spätere Rechtsprechung des BVerfG konkretisierte diese Grundgedanken mit der Formel der "Verletzung spezifischen Verfassungsrechts".

7. Stellt der Boykottaufruf vorliegend ein Werturteil dar, weshalb der Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) eröffnet ist?

Ja!

Eine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst das Werturteil. Unter einem Werturteil versteht man alle Äußerungen, die durch ein subjektives Element der Stellungnahme oder des Dafürhaltens gekennzeichnet sind, ohne dass es auf die Qualität oder Richtigkeit der Äußerung ankommt. Durch den Boykottaufruf bringt L ersichtlich seine ablehnende Haltung gegenüber Hs Film zum Ausdruck. Dem Boykottaufruf ist daher ein wertendes Element immanent. Hintergrund des Boykottaufrufs war Veit Harlans Rolle als Regisseur des NS-Propagandafilms "Jud Süß", der für die Judenverfolgung mitursächlich war. Zwar wurde Harlan in einem späteren Prozess freigesprochen, jedoch kritisierte Erich Lüth die Urteilsbegründung als "moralische Verdammung", weshalb Harlan nicht als Repräsentant des deutschen Films angesehen werden dürfe.

8. Erfasst der Schutzbereich der Meinungsfreiheit nur das Äußern der Meinung, nicht die von ihr ausgehende geistige Wirkung?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das BVerfG arbeitete im Lüth-Beschluss deutlich heraus, dass die Meinungsfreiheit auch das "geistige Wirken durch die Meinungsäußerung schützt". Dies erklärt sich aus dem Sinn der Meinungsäußerung: Das geäußerte Werturteil ist gerade darauf gerichtet, eine geistige Wirkung auf die Umwelt zu erzeugen. Die Wirkung der Äußerung auf andere ist daher unabdingbar, um meinungsbildend und überzeugend zu wirken. Inwiefern ein Boykottaufruf friedlich ist, wenn wirtschaftlicher Druck ausgeübt wird, klärte die später Judikatur des BVerfG in der Blinkfüer-Entscheidung 1969.

9. Liegt darin ein Eingriff, wenn das zivilgerichtliche Urteil auf Unterlassung des Boykottaufrufs die Bedeutung der Meinungsfreiheit außer Acht gelassen hat?

Ja, in der Tat!

Das Tatbestandsmerkmal der guten Sitten in § 826 BGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Auslegung muss das Gericht die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte berücksichtigen (mittelbare Drittwirkung der Grundrechte). Indem das Gericht die Meinungsfreiheit des L aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG bei der Auslegung verkannt hat, griff es in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit des L ein.

10. Kann die Meinungsfreiheit durch allgemeine Gesetze nach Art. 5 Abs. 2 GG eingeschränkt werden?

Ja!

Die Meinungsfreiheit enthält nach Art. 5 Abs. 2 GG einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Die Auslegung der "allgemeinen Gesetze" war zur Zeit des Lüth-Beschlusses höchst umstritten. Bereits seit dem ähnlichen Art. 118 Abs. 1 S. 1 WRV standen sich Vertreter der Sonderrechtslehre und Abwägungslehre gegenüber.

11. Darf nach der Sonderrechtslehre ein allgemeines Gesetz kein Sondergesetz darstellen, also sich gegen bestimmte Meinungen richten? Ist danach § 826 BGB ein allgemeines Gesetz?

Genau, so ist das!

Die insbesondere von Kurt Häntzschel geprägte Sonderrechtslehre definiert allgemeine Gesetze in einem formellen Sinne. Ein Gesetz ist demnach dann allgemein, wenn es kein Sondergesetz darstellt, also sich nicht gegen bestimmte Meinungen richtet. Das Gesetz muss Meinungsneutralität aufweisen. § 826 BGB schützt alle Rechte und Güter gegen sittenwidrige Angriff und richtet sich daher nicht gegen eine bestimmte Meinung.

12. Ist nach der Abwägungslehre entscheidend, ob das Gesetz einem Rechtsgut dient, das im Einzelfall gegenüber der Meinungsfreiheit Vorrang genießt? Kann § 826 BGB danach ein allgemeines Gesetz sein?

Ja, in der Tat!

Unter anderem Rudolf Smend prägte die Abwägungslehre. Dabei wird eine materielle Abwägung zwischen dem Rechtsgut des einschränkenden Gesetzes und der Meinungsfreiheit vorgenommen. Gesetze, die eine Meinung explizit beschränken, können demnach bei materialer Überwertigkeit ein allgemeines Gesetz darstellen. § 826 BGB schützt das Rechtsgut der guten Sitten. Diese können im Einzelfall die Meinungsfreiheit überwiegen.

13. Das BVerfG hat im Lüth-Beschluss die Sonderrechtslehre mit der Abwägungslehre kombiniert (Kombinationslehre). Ist danach § 826 BGB ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG?

Ja!

Das BVerfG führte beide Lehren zusammen: unter einem allgemeinen Gesetz sind alle Gesetze zu verstehen, „die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswertes, der gegenüber die Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat.“ Nach allen Ansichten ist § 826 ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG. In der Klausur empfiehlt es sich, den Streitstand knapp darzustellen, um Hintergrundwissen zu zeigen. Oftmals ist allerdings der Streitentscheid entbehrlich. Im Wunsiedel-Beschluss entwickelte das BVerfG die Dogmatik zu Art. 5 Abs. 2 GG weiter.

14. Ist die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) für eine funktionierende Demokratie nur von untergeordneter Relevanz?

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Lüth-Beschluss hat das BVerfG die immense Bedeutung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG herausgestellt. Nach dem BVerfG ist „das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung garantiert den für die freiheitlich-demokratische Grundordnung lebenswichtigen Diskurs. Die Meinungsfreiheit besitzt deshalb im Grundrechtsgefüge konstitutive Bedeutung.

15. Ergibt sich aus der Bedeutung der Meinungsfreiheit die Wechselwirkungslehre? Muss danach die einschränkende Norm ihrerseits im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden?

Ja, in der Tat!

Wegen der überragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie, darf die Meinungsfreiheit nicht "jeder Relativierung durch einfaches Gesetz" durch Art. 5 Abs. 2 GG überlassen werden. Vielmehr muss das einschränkende Gesetz seinerseits im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden. Es findet daher eine Wechselwirkung zwischen der Meinungsfreiheit und dem einschränkenden Gesetz statt. Im Ergebnis erkannte das BVerfG im Lüth-Beschluss eine Verletzung von Ls Meinungsfreiheit durch das zivilgerichtliche Unterlassungsurteil. Der Lüth-Beschluss ist in verfassungsdogmatischer Perspektive ein Meilenstein der Rechtsprechung, der die Offenheit des demokratischen Diskurses nachhaltig gesichert hat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CHU

chu

4.12.2023, 08:40:56

Liebs Jurafuchs-Team, bei einer der Antworten zu dieser Aufgabe befindet sich ein Kasten "Erklärung", der nur mit dem Platzhaltertext "(Reichweite SB") befüllt ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.12.2023, 16:54:17

Danke chu, das haben wir korrigiert! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Whale

Whale

25.6.2024, 10:13:09

Hey, wie genau würde das denn in meiner Prüfung aussehen. So ungefähr? Der unbestimmte Rechtsbegriff der guten Sitten ist im Lichte der Grundrechte auszulegen. Dieses Prinzip ist aus Gründen des Gemeinwohls der Herrschaft des Privatrechts entzogen und soll eine verbindliche Gestaltung der privaten Rechtsbeziehungen bewirken. Hier könnte V in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit durch das die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte nicht beachtende Urteil verletzt worden sein.


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