Zivilrechtliche Nebengebiete
Arbeitsrecht
Begründung und Mängel des Arbeitsverhältnisses
Fragerecht des Arbeitgebers – Generell unzulässige Frage (Schwangerschaft)
Fragerecht des Arbeitgebers – Generell unzulässige Frage (Schwangerschaft)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Lawra (L) ist schwanger. Sie bewirbt sich in einem Labor, in dem an Corona-Viren geforscht wird. Forscherin F befragt die L nach einer etwaigen Schwangerschaft, da Schwangere nicht ins Labor dürfen. L behauptet wahrheitswidrig, nicht schwanger zu sein.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Fragerecht des Arbeitgebers – Generell unzulässige Frage (Schwangerschaft)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Müssen Bewerberinnen sämtliche Fragen der Arbeitgeber wahrheitsgemäß beantworten?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Kann F den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die mit einer Schwangerschaft verbundenen Ausfallzeiten stellen eine organisatorische Belastung des Arbeitgebers dar, weswegen er ein Interesse an dieser Information hat.
Ja!
4. F erleidet im Hinblick auf das Entgelt, dass sie L während ihrer Schwangerschaft zahlen muss, obwohl L nicht im Labor arbeiten darf, einen finanziellen Nachteil.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Die Frage nach der Schwangerschaft stellt eine unmittelbare Benachteiligung schwangerer Bewerberinnen wegen ihres Geschlechts dar (§ 3 Abs. 1 AGG).
Ja, in der Tat!
6. Ist die Benachteiligung gerechtfertigt (§ 8 Abs. 1 AGG), weil L aufgrund ihrer Schwangerschaft von Anfang an nicht im Labor arbeiten kann (§ 11 Abs. 2 S. 1 MuSchG)?
Nein!
7. Darf F die L nach ihrer Schwangerschaft fragen?
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
FML
2.3.2022, 18:45:43
Gibt es hierzu evtl auch Fundstellen von deutschen Arbeitsgerichten? Das wurde mir im Rep noch anders beigebracht.
Lukas_Mengestu
3.3.2022, 00:02:10
Hallo FML, inwiefern wurde euch denn etwas Abweichendes im Rep beigebracht? Das BAG hat früher in der Tat einmal vertreten, dass die Frage nach der Schwangerschaft zulässig sei, wenn für die Arbeitnehmerin von vorneherein ein Beschäftigungsverbot eingegriffen hätte (BAG, Urt. v. 01.07.1993 - 2 AZR 25/93). Davon hat es sich später aber ausdrücklich distanziert (BAG, Urt. v. 06.02.2003 - 2 AZR 621/01) und festgestellt, dass die Frage nach der Schwangerschaft regelmäßig unzulässig sei - selbst dann wenn von Anfang an ein Beschäftigungsverbot greift. Denn jedenfalls nach Ablauf des Mutterschutzes stünde die Bewerberin voll zur Verfügung. Da diese Rechtsprechungsänderung nun bald 20 Jahre alt ist, haben wir die frühere Rechtsprechung in der Aufgabe nicht gesondert angeführt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
FML
3.3.2022, 12:58:13
Vielen Dank für die Antwort. So wie es aussieht hatte ich die alte Rechtsprechung im Kopf. Ich habe die Diskussion darüber bildlich vor Augen, finde derzeit meine alten Unterlagen aber nicht mehr. Vermutlich hat sich da etwas beim lernen falsch abgespeichert.
Roxxi
1.5.2022, 20:45:04
Ich finde die erste Frage etwas verwirrend. Prinzipiell "darf" F ja fragen, ob L schwanger ist. Sie muss nur nicht drauf antworten bzw. darf auch lügen. Oder ist es wirklich explizit verboten diese Frage als solche zu stellen ? Danke :)
Lukas_Mengestu
2.5.2022, 09:57:16
Hallo KatzenKing, vielen Dank für Deinen Hinweis. Im Ergebnis sehen wir dies in diesem Kontext allerdings etwas anders. Bloß weil der Arbeitgeber es mal "versuchen" kann, heißt dies nicht, dass dies rechtlich gesehen zulässig ist und er dies auch "darf". Vielmehr ist die Frage schlechthin unzulässig. Aus diesem Grund besteht für die Bewerberin das Recht zu lügen, da es sich aufgrund der unzulässigen Frage nicht um eine rechtswidrige Täuschung handelt. Ist es so verständlicher? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Roxxi
2.5.2022, 10:02:36
Hi Lukas, ja, vielen Dank :)!. LG KK
Yinan Zou
3.1.2023, 21:35:09
Schwangere dürfen das Labor nicht betreten. Wenn sie ihre Schwangerschaft verheimlicht oder lügt und im Labor arbeitet, wer ist dann für die daraus resultierenden Schäden verantwortlich?
Lukas_Mengestu
4.1.2023, 14:34:38
Hallo Yinan Zou, den Arbeitgeber trifft in diesem Fall kein Verschulden. Denn er kann seine Schutzpflichten nur erfüllen, wenn ihm die Schwangere über ihre Schwangerschaft informiert. Allerdings unterfallen die Schwangere sowie ihr ungeborenes Kind (§ 12 SGB VII) der Unfallversicherung. Diese ist verschuldensneutral ausgestaltet (§ 7 Abs. 2 SGB VII). Das heißt, auch wenn L entgegen eines gesetzlichen Verbots im Labor arbeitet und hierdurch Schäden erleidet, sind sie und ihr Kind versichert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Nico
3.7.2023, 15:27:16
Liebes Jurafuchs-Team, mein erster Kommentar, daher zunächst ein großes Lob für die smarten Lektionen, tollen Zeichnungen und eure mühevollen und hilfreichen Antworten. In dem Fall ist bei der Erklärung zur Umlage U2 statt § 7 AAG versehentlich § 7 AGG verlinkt worden. Vielleicht könntet ihr das noch korrigieren. Liebe Grüße
Lukas_Mengestu
24.8.2023, 15:57:02
Lieber Nico, erst einmal vielen lieben Dank für das tolle Lob! Mit etwas Verspätung haben wir das nun hier behoben. Viel Spaß und Erfolg wünsche ich Dir weiterhin! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
FW
16.10.2024, 13:18:17
Hi, wenn ich mich als schwangere Frau nur deshalb bewerbe, um in den Genuss des Mutterschaftsurlaubs zu kommen und nach der Schwangerschaft - also dann, wenn ich wirklich arbeiten muss - direkt wieder kündige, dann stellt das doch offensichtlich Rechtsmissbrauch dar, oder nicht?