Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Abgabe und Zugang von Willenserklärungen

Beschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 2 BGB)

Beschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 2 BGB)

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 16-jährige M hat von Vermieter V eine Garage gemietet, in der sie alte Mofas repariert. V will die Garage für sein neues Auto nutzen. Da er weiß, dass M minderjährig ist, händigt V der M eine an ihre Eltern (E) gerichtete Kündigung aus und bittet M um Übergabe an die E.

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Einordnung des Falls

Beschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung wird in dem Moment wirksam, in dem V sie der M aushändigt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Willenserklärung, die gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen abgegeben wird, wird erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB). Ausnahme: Ist die WE für den beschränkt Geschäftsfähigen lediglich rechtliche vorteilhaft oder hat der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, wird die Willenserklärung schon mit Zugang beim beschränkt Geschäftsfähigen wirksam (§ 131 Abs. 2 S. 2 BGB). M ist als 16-Jährige gem. § 106 BGB nach Maßgabe der §§ 107-113 BGB beschränkt geschäftsfähig. Gesetzlicher Vertreter der M sind ihre Eltern (§ 1629 BGB). Die Kündigung des V ist für M rechtlich nachteilig. Sie muss den Eltern zugehen, um wirksam zu werden.
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2. Indem V die M mit der Übermittlung der Kündigung an die Eltern beauftragt hat, könnte er M als Erklärungsbotin eingesetzt haben. Würde die Kündigung dann erst wirksam werden, wenn M sie an ihre Eltern übermittelt?

Ja, in der Tat!

Erklärungsbote ist, wer vom Erklärenden mit der Übermittlung der Erklärung an den Empfänger beauftragt wurde. Das Risiko, dass die Erklärung nicht oder nicht richtig weitergeleitet wird, trägt der Erklärende. Hinweis: M könnte nach der Verkehrsauffassung auch als Empfangsbotin der E anzusehen sein, wenn sie auf Grund ihrer Reife und Fähigkeiten dazu imstande ist, die Willenserklärung weiterzugeben. Dabei sind aber der Sinn und Zweck des § 131 BGB (Minderjährigenschutz) zu beachten. Der Empfangsbote hat die Funktion einer personifizierten Empfangseinrichtung. Daher ist Zugang erst anzunehmen, wenn nach den gewöhnlichen Umständen mit der Weitergabe des Schriftstücks vom Empfangsboten an den Empfänger gerechnet werden kann.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BAR

barkerdeus

11.1.2020, 21:06:45

Das die 16 Jährige M in keinem Fall eine Empfangsbotin sein soll, scheint mit inkorrekt. Nach Schubert in Münchener Kommentar, § 164, Rn. 82 ist

Empfangsbote

nur eine Person, die zum Empfang einer an den Geschäftsherrn gerichtete WE geeignet und ermächtigt ist. [...] Bei den Angehörigen des Haushalts gilt das stets für den Erwachsenen, bei Minderjährigen hängt es vom Alter und Entwicklungsstand der Person ab. Im vorliegenden Fall hat die 16 Jährige M, sogar die geistige Reife, mit Erlaubnis ihrer Eltern, eine Garage zu Mieten und darin Fahrzeuge zu reparieren. Dies lässt indes auf eine ausreichende Geistige Reife schließen. Weiterhin befindet sie sich nicht mehr am Anfang der beschränkten Geschäftsfähigkeit, sondern geht auf deren Ende zu. Hiernach sollte sie Empfangsbotin sein können.

Marilena

Marilena

16.1.2020, 12:03:48

@barkerdeus Vielen Dank für den Hinweis! Habe ich in den Aufgabentext zur zweiten Antwort mitaufgenommen.

LO

Lorbeerbekränzte🦩

24.3.2021, 12:10:42

Vielleicht könnte man das auch noch in die Frage einbauen, dass diese Ansicht nur eine Ansicht ist und nicht zwingend, damit man die Frage nicht falsch beantwortet wenn man die M als Empfangsbotin sieht.

Gustav

Gustav

11.1.2022, 17:40:33

@[Marilena](2706) Dann müsste konsequenterweise auch die Frage geändert werden, so ergibt das keinen Sinn. Laut Antworttext sind nämlich beide Antwortmöglichkeiten zulässig.

MUS

MusterschüLAW

29.11.2023, 22:02:59

Bitte bei Eltern noch das E ergänzen, damit klar ist, wer E ist.

LELEE

Leo Lee

2.12.2023, 16:25:09

Hallo MusterschüLaw, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben nun im Aufgabentext die Eltern entsprechend mit „E“ bezeichnet :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LUC1502

luc1502

31.12.2023, 15:28:09

Servus, wenn die M in der Garage ein selbstständiges Erwerbsgeschäft betreiben würde und die übrigen Vss. des §112 BGB erfüllt sind, dann würde die Kündigung ihr gegenüber sofort wirksam sein, oder? Denn Rechtsfolge des §112 BGB ist ja, dass sie in diesem Bereich als geschäftsfähig gesehen wird und konsequenterweise würde dann auch für den §131 II BGB gelten, sodass man die M aus dem Anwendungsbereich der Norm herausnehmen müsste und sie diesbzgl. als "Normalo" behandeln müsste u. dementsprechend die Kündigung mit der Übergabe an M sofort wirksam wäre. Das würde natürlich auch damit zusammenhängen, ob man "die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt" eng oder weit versteht.

Shark

Shark

25.9.2024, 10:48:36

Muss die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters des beschränkt geschäftsfähigen bezüglich des Zugangs mit Abgabe gegenüber dem Minderjährigen oder bezüglich der Rechtsfolge der Willenserklärung bestehen?

STE

Stella2244

24.10.2024, 17:36:10

was passiert wenn M die Erklärung nicht weitergibt? ist es einfach Ansichtsache ob man sie als Empfangs- oder Erklärungsbote betrachtet?

LELEE

Leo Lee

27.10.2024, 09:18:37

Hallo Stella2244, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Sollte M die Erklärung einfach nicht weitergeben, ergibt sich folgendes: Wenn man wie hier eine Erklärungsbotin bejaht, dann darf der V nicht blind darauf vertrauen, dass die Nachricht zugegangen ist. Dann trägt er die Gefahr, bis die Nachricht tats. weitergeleitet wird. Wenn also die Erklärungsbotin M die Nachricht nicht weiterleitet, dann hat der V "Pech" und die Nachricht ist nie zugegangen. Man könnte aber auch - außer bei gegenteiligen Angaben im SV - eine Empfangsbotin bejahen, da man bei 16 Jahren durchaus argumentieren könnte, dass M geeignet und auch ermächtigt sein wird. D.h. du hast völlig Recht mit deinem Gefühl, dass es darauf ankommt, welche Ansicht vertreten wird (typisch Jura!) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

STE

Stella2244

28.10.2024, 14:06:49

Vielen Dank :)

M0NAC0

M0NAC0

25.10.2024, 13:44:58

Vielleicht habe ich jetzt zu lange gesessen und bin Matsch im Kopf, aber wenn M Mieterin ist und der Vermieter eine Kündigung gerichtet an die Eltern der M richtet, erklärt er dann nicht die Kündigung gegenüber der falschen Partei? Die Eltern sind ja nicht Vertragspartner und aus dem Sachverhalt geht auch nicht hervor, dass der Vermieter M bittet eine an M gerichtete Kündigung ihren Eltern zu übergeben...

Paulah

Paulah

25.10.2024, 15:55:44

Die Eltern sind die gesetzlichen Vertreter der minderjährigen M, § 1629 BGB

M0NAC0

M0NAC0

26.10.2024, 17:21:59

Das ist mir durchaus bewusst mir geht es darum, dass so wie ich es auch bereits beschrieben habe, aus dem SV nicht hervorgeht, dass es sich um eine an M gerichtete Kündigung handelt, die sie ihren Eltern übergeben soll.

Paulah

Paulah

26.10.2024, 18:18:27

In § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB heißt es "Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so g e n ü g t d i e A b g a b e g e g e n ü b e r e i n e m E l t e r n t e i l." Oder habe ich deine Frage falsch verstanden?

M0NAC0

M0NAC0

26.10.2024, 20:50:12

Ja hast falsch verstanden du aber tbh ich hab keine lust es ein drittes mal zu schreiben

schwemmely

schwemmely

28.10.2024, 10:30:46

@[M0NAC0](152480) Hei ich glaube, ich weiß, was du damit meinst (haha) Also grds. erschließt sich für mich die Antwort zu deine Frage aus dem Wortlaut § 131 Abs. 2 BGB (2) 1 D a s G l e i c h e g i l t, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. ->es bezieht sich also auf Abs. 1, dh. in Abs. 1 muss die WE an den gesetzlichen Vertreter !gerichtet sein!, auch wenn der Geschäftsunfähige Vertragspartei ist, damit die WE zugehen kann bzw. wirksam wird. Das wird bei nachteiligen WE auch auf beschränkt Geschäftsfähige übertragen. Die Kündigung muss also an die Eltern gerichtet werden, damit sie M ggü. auch wirksam werden kann. Hier wurde M als Erklärungsbotin ("bitte sag deine Eltern, dass der Mietvertrag der Garage gekündigt werden soll") eingesetzt. ->damit wird Abs. 2 auch erfüllt, wenn sie es dann ihnen gesagt hat. ("ich soll euch sagen, dass mir die Garage gekündigt werden soll") Es geht hier einfach darum, dass M zwar Vertragspartei ist, aber vor dem Hintergrund des Minderjährigenschutzes sie dennoch nicht direkt bei nachteiligen WE wie der Kündigung (= Aufhebung des Mieterrechts der M) adressiert werden kann (es sei denn S. 2, dass eine Einwilligung vorliegt). ->für Wirksamwerden/rechtliche Entfaltung der Kündigung benötigt es also den Zugang bei den Eltern nach § 131 Abs. 2 BGB und deswegen werden die gesetzlichen Vertreter (hier di Eltern nach § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB) adressiert Bitte korrigiert mich, falls ich an der Erklärung was falsch sein sollte ;) Ich hoffe, dass das deine Frage beantwortet hat ;) LG

M0NAC0

M0NAC0

28.10.2024, 10:43:57

Danke für die Zeit und Mühe :)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

31.10.2024, 11:48:51

Hallo @[M0NAC0](152480), ich denke, auch ich ahne, was Du hier meinst, und kann nachvollziehen, dass Dich das etwas irritiert. Inhaltlich hat @[schwemmely](114183) schon einen interessanten Erklärungsansatz geliefert. Ich würde es noch pragmatischer sehen: Klar ist, dass M Vertragspartei ist. Ebenso klar ist aber, dass eine Kündigung wegen § 131 II 1 BGB für die Wirksamkeit auch die Eltern E erreichen muss. Man kann durchaus darüber diskutieren, ob unser Sachverhalt nicht hätte präziser und absolut zweifelsfrei gefasst werden können. Ich wäre an dieser Stelle aber recht nachsichtig. Selbst wenn V hier ausdrücklich einen (tatsächlich nicht bestehenden) Mietvertrag mit den Eltern kündigen würde, dürfte sich das (jedenfalls in der Praxis) häufig als eine wirksame Kündigung des Mietvertrags mit M und Mitteilung an die Eltern auslegen lassen (

objektiver Empfängerhorizont

, §§ 133, 157 BGB). Ob man dafür auf den

Empfängerhorizont

der M oder der E abstellt bzw abstellen muss, dürfte keinen Unterschied machen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

M0NAC0

M0NAC0

31.10.2024, 13:30:28

In der Klausur würde ich auch einfach annehmen, dass in der Kündigung wörtlicher Bezug zu M hergestellt wurde, man könnte den SV aber auch so verstehen, dass in der Kündigung einfach Sinngemäß steht "hiermit Kündigen wir Ihren Mietvertrag der Garage" und eben kein Bezug zu M hergestellt wurde. Ohne weitere Auslegung die man in beide Richtungen laufen lassen könnte, wäre damit aber die Kündigung ggü. der falschen Person erklärt worden. Das sollte sich mit den vorherigen Ausführungen aber decken. Ich wollte diese Ansicht einfach mal mit Anderen teilen und sehen ob ich evtl. einfach nur auf dem Schlauch stand. Deswegen vielen Dank an die obigen Ausführungen! :)

CO

cornelius.spans

3.11.2024, 19:33:32

Hi, wenn hier beide Antworten richtig sind, (ja) M ist Erklärungsbotin und (nein) M ist Empfangsbotin, könnte man doch beide Antwortmöglichkeiten als zulässige Antwort freigeben? Alternativ die Frage eben präzisieren und um eine weitere im Sinne von "Könnte M auch als Empfangsbotin angesehen werden?" ergänzen. Vlt. ist das ja was? LG

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

6.11.2024, 14:04:18

Hallo @[cornelius.spans](264551), danke für den Hinweis. Die von dir angesprochene Frage stellt ausdrücklich auf die Übergabe des Schriftstückes durch den Erklärenden an M und die damit verbundene Beauftragung ab. Insofern ist M Erklärungsbote des Erklärenden. Der Hinweis, dass M alternativ als Empfangsbotin ihrer Eltern angesehen werden könnte, ist hier eher als Vertiefungshinweis zu sehen, für den konkrete Fall würde man wohl noch mehr Angaben dazu im Sachverhalt benötigen. Ich habe das in der Erklärung jetzt deutlicher gemacht. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

6.11.2024, 14:13:25

Hallo @[cornelius.spans](264551), danke für deinen Hinweis. Ich habe die Fragestellung etwas umformuliert. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team


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