Beschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 2 BGB)


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Die 16-jährige M hat von Vermieter V eine Garage gemietet, in der sie alte Mofas repariert. V will die Garage für sein neues Auto nutzen. Da er weiß, dass M minderjährig ist, händigt V der M eine an ihre Eltern (E) gerichtete Kündigung aus und bittet M um Übergabe an die E.

Einordnung des Falls

Beschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung wird in dem Moment wirksam, in dem V sie der M aushändigt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Willenserklärung, die gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen abgegeben wird, wird erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB). Ausnahme: Ist die WE für den beschränkt Geschäftsfähigen lediglich rechtliche vorteilhaft oder hat der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, wird die Willenserklärung schon mit Zugang beim beschränkt Geschäftsfähigen wirksam (§ 131 Abs. 2 S. 2 BGB). M ist als 16-Jährige gem. § 106 BGB nach Maßgabe der §§ 107-113 BGB beschränkt geschäftsfähig. Gesetzlicher Vertreter der M sind ihre Eltern (§ 1629 BGB). Die Kündigung des V ist für M rechtlich nachteilig. Sie muss den Eltern zugehen, um wirksam zu werden.

2. Indem V die M mit der Übermittlung der Kündigung an die Eltern beauftragt hat, hat er M als Erklärungsbotin eingesetzt. Die Kündigung geht zu, wenn M sie tatsächlich an ihre Eltern übermittelt.

Ja, in der Tat!

Erklärungsbote ist, wer vom Erklärenden mit der Übermittlung der Erklärung an den Empfänger beauftragt wurde. Das Risiko, dass die Erklärung nicht oder nicht richtig weitergeleitet wird, trägt der Erklärende. Hinweis: M könnte nach der Verkehrsauffassung auch als Empfangsbotin der E anzusehen sein, wenn sie auf Grund ihrer Reife und Fähigkeiten dazu imstande ist, die Willenserklärung weiterzugeben. Dabei sind aber der Sinn und Zweck des § 131 BGB (Minderjährigenschutz) zu beachten. Der Empfangsbote hat die Funktion einer personifizierten Empfangseinrichtung. Daher ist Zugang erst anzunehmen, wenn nach den gewöhnlichen Umständen mit der Weitergabe des Schriftstücks vom Empfangsboten an den Empfänger gerechnet werden kann.

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BAR

barkerdeus

11.1.2020, 21:06:45

Das die 16 Jährige M in keinem Fall eine Empfangsbotin sein soll, scheint mit inkorrekt. Nach Schubert in Münchener Kommentar, § 164, Rn. 82 ist Empfangsbote nur eine Person, die zum Empfang einer an den Geschäftsherrn gerichtete WE geeignet und ermächtigt ist. [...] Bei den Angehörigen des Haushalts gilt das stets für den Erwachsenen, bei Minderjährigen hängt es vom Alter und Entwicklungsstand der Person ab. Im vorliegenden Fall hat die 16 Jährige M, sogar die geistige Reife, mit Erlaubnis ihrer Eltern, eine Garage zu Mieten und darin Fahrzeuge zu reparieren. Dies lässt indes auf eine ausreichende Geistige Reife schließen. Weiterhin befindet sie sich nicht mehr am Anfang der beschränkten Geschäftsfähigkeit, sondern geht auf deren Ende zu. Hiernach sollte sie Empfangsbotin sein können.

Marilena

Marilena

16.1.2020, 12:03:48

@barkerdeus Vielen Dank für den Hinweis! Habe ich in den Aufgabentext zur zweiten Antwort mitaufgenommen.

LO

Lorbeerbekränzte🦩

24.3.2021, 12:10:42

Vielleicht könnte man das auch noch in die Frage einbauen, dass diese Ansicht nur eine Ansicht ist und nicht zwingend, damit man die Frage nicht falsch beantwortet wenn man die M als Empfangsbotin sieht.

Gustav

Gustav

11.1.2022, 17:40:33

@[Marilena](2706) Dann müsste konsequenterweise auch die Frage geändert werden, so ergibt das keinen Sinn. Laut Antworttext sind nämlich beide Antwortmöglichkeiten zulässig.

MUS

MusterschüLAW

29.11.2023, 22:02:59

Bitte bei Eltern noch das E ergänzen, damit klar ist, wer E ist.

LELEE

Leo Lee

2.12.2023, 16:25:09

Hallo MusterschüLaw, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben nun im Aufgabentext die Eltern entsprechend mit „E“ bezeichnet :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LUC1502

luc1502

31.12.2023, 15:28:09

Servus, wenn die M in der Garage ein selbstständiges Erwerbsgeschäft betreiben würde und die übrigen Vss. des §112 BGB erfüllt sind, dann würde die Kündigung ihr gegenüber sofort wirksam sein, oder? Denn Rechtsfolge des §112 BGB ist ja, dass sie in diesem Bereich als geschäftsfähig gesehen wird und konsequenterweise würde dann auch für den §131 II BGB gelten, sodass man die M aus dem Anwendungsbereich der Norm herausnehmen müsste und sie diesbzgl. als "Normalo" behandeln müsste u. dementsprechend die Kündigung mit der Übergabe an M sofort wirksam wäre. Das würde natürlich auch damit zusammenhängen, ob man "die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt" eng oder weit versteht.


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