Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Abgabe und Zugang von Willenserklärungen

Beschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 2 BGB) – lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft

Beschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 2 BGB) – lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

J ist 15 Jahre alt und hat vor Kurzem seinen Mofa-Führerschein gemacht. T übergibt J ein schriftliches Kaufangebot. Darin bietet er J sein altes Piaggio Ciao (Baujahr 1975) zum Preis von €500 an.

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Einordnung des Falls

Beschränkte Geschäftsfähigkeit des Empfängers (§ 131 Abs. 2 BGB) – lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Angebot wird in dem Moment wirksam, in dem T es J übergibt.

Genau, so ist das!

Im Grundsatz gilt: Wird eine WE gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen abgegeben, wird sie erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB). Hiervon bestehen zwei Ausnahmen: Die gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen abgegebene WE wird bereits mit Zugang bei diesem selbst wirksam, wenn sie (1) ihm lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt oder (2) der gesetzliche Vertreter die Einwilligung erteilt hat (§ 131 Abs. 2 S. 2 BGB). Das Angebot bringt J lediglich einen rechtlichen Vorteil: Er wird nicht verpflichtet, erlangt aber die Möglichkeit der Annahme. Das Angebot ist mit Übergabe an J wirksam geworden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jaassmiiin_

Jaassmiiin_

25.12.2019, 16:10:07

Versteh ich nicht

Osman

Osman

25.12.2019, 21:14:30

In anderen Worten: Die WE des T ist hier ausnahmsweise nicht unwirksam, weil den J alleine aus diesem Umstand (Empfang eines Angebots) keine Verpflichtungen trifft. Wenn er das Angebot ablehnt kommt kein Vertrag zustande. Nimmt er das Angebot an, stellt sich die Frage, ob seine (J‘s) Annahme wirksam ist. Diese wiederum ist grundsätzlich unwirksam, weil der J durch die Annahme in schuldrechtlicher Beziehung zu T stehen würde, was nicht nur vorteilhaft für den J ist. Wenn die Eltern aber in die Annahme einwilligen, so wäre auch hier eine Ausnahme des Grundsatzes gegeben und die Annahme des J wäre wirksam.

GEL

gelöscht

27.3.2020, 06:59:47

@Freiheit oder Knast - die Antwort ist so nicht ganz korrekt. Zunächst muss zwischen Einwilligung und Genehmigung unterschieden werden. Die Einwilligung liegt zeitlich vor einer gedachten WE (hier Kaufangebot), die Genehmigung danach. Abgesehen von diesen beiden Möglichkeiten bestünde auch noch die des § 110 BGB (Taschengeldparagraph), der eine Einwilligung oder Genehmigung der Eltern entbehrlich machen würde.

REA

Rea

12.7.2020, 21:37:41

Hier muss das Trennungs- und Abstraktionsprinzip beachtet werden. Demnach ist das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (der Kaufvertrag nach 433 BGB schwebend unwirksam, da die Zahlungs des Kaufpreises für den Minderjährigen ein nachteiliges Rechtsgeschäft ist) aber das Verfügungsgeschäft (

Übereignung

des Mofas nach 929 BGB ist ein reiner Vorteil für den Minderjährigen und somit ist dieses Rechtsgeschäft wirksam) Sofern die gesetzlichen Vertreter dem Kaufvertrag nicht zustimmen, hat der ursprüngliche Mofabesitzer nach 812 BGB einen Anspruch auf Herausgabe aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

12.7.2020, 21:50:32

Hallo Rea, danke für deinen grundsätzlich absolut richtigen Kommentar. Bitte beachte jedoch, dass es hier nicht um die Wirksamkeit des Kaufvertrages oder der dinglichen Einigung geht, sondern um den Zugang des Angebots auf Abschluss eines Kaufvertrages und auf dingliche Einigung. Da Angebote nach § 145 BGB nur den Rechtskreis des Mini erweitern, indem sie ihm neue Möglichkeiten für Geschäftsabschlüsse gewähren, sind Angebote grundsätzlich rechtlich vorteilhaft, auch wenn sie sich auf einen rechtlich nachteiligen Vertrag beziehen. Indem Fall bräuchte der Mini dann für die Annahme (

§ 147 BGB

) die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.

REA

Rea

12.7.2020, 22:00:16

Stimmt, das hätte ich noch dazu schreiben können. Wobei ich schon der Meinung bin, dass meine voran gegangene Erklärung hilfreich ist, um den reinen „Vorteil des Angebots“ für Minderjährigen zu verdeutlichen. Deine Ergänzung werde ich jedoch in meinen zukünftigen Beurteilungen aufnehmen. Vielen Dank dafür :-)

FSler

FSler

25.10.2022, 02:22:10

Sehr sehr gutes Beispiel. Vielen Dank!

Trallaballahopsasa

Trallaballahopsasa

7.1.2023, 13:27:07

Eine Verständnisfrage, ist durch das wirksame Angebot eine Pflicht aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 entstanden und ist dadurch der lediglich rechtliche Vorteil nicht zu verneinen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

10.1.2023, 13:13:13

Hallo Trallaballahosasa, allein mit einem Angebot entstehen noch keine Pflichten für den Empfänger, insbesondere stellt dies noch keine Vertragsverhandlungen dar. Durch das Angebot erhält J lediglich die Möglichkeit es anzunehmen oder nicht. Es bleibt also bei dem rechtlichen Vorteil. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SI

sinaaaa

16.3.2023, 09:51:26

warum ist das Angebot wirksam? Er hat keinen rechtlichen Vorteil weil er 500 € an den Verkäufer zahlen muss. Dies stellt doch einen Nachteil da

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.3.2023, 10:01:04

Hallo sinaaaa, hier musst Du ein wenig aufpassen und spitzfindig sein. Nicht das Angebot des T begründet einen rechtlichen Nachteil, denn dadurch erwirbt J primär nur die Möglichkeit den Kaufvertrag zu schließen. Dies stellt für sich noch keinen rechtlichen Nachteil dar. Dieser besteht allenfalls in der Annahmeerklärung des J, da durch diese ein Kaufvertrag begründet würde, der ihn zur Zahlung der €500 verpflichten würde (§ 433 Abs. 2 BGB). Aus diesem Grund kann das Angebot J zwar wirksam zugehen, er kann es nur nicht ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter annehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SI

sinaaaa

16.3.2023, 12:09:22

Also hatte ich Recht? Es stellt keinen Vorteil dar deswegen muss er seine gesetzlichen Vertreter um Zustimmung fragen und erst dann ist es wirksam.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.3.2023, 15:18:20

Hi Sinaaaa, das Angebot des T ist wirksam und zwar bereits in dem Moment, in dem J es erhält. Lies Dir hierzu vielleicht noch einmal den ersten Maßstabstext durch :-) Grundsatz: Eine Willenserklärung wird wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Ausnahme 1: Bringt die Willenserklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil, genügt der Zugang beim beschränkt Geschäftsunfähigen. Das KaufANGEBOT ist von dem KaufVERTRAG zu unterscheiden. Der Kaufvertrag verpflichtet J zur Zahlung eines Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB). Das bloße Angebot dagegen eröffnet J lediglich die Möglichkeit einen solchen abzuschließen. Es steht J frei, dieses Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Es belastet ihn also nicht. Anders ist das bei rechtlich nachteilhaften Erklärungen wie zB einer Kündigungserklärung. Damit eine solche gegenüber dem 15-jährigen J wirksam wird, müsste sie seinem gesetzlichen Vertreter zugehen. Ist es so jetzt klarer? Beste Grüße, Lukas

SER

Seriouz0G

11.5.2023, 12:02:56

Wäre es hier ggf. sinnvoll zu erwähnen, dass die h.M. § 131 II ohnehin nur auf einseitige Rechtsgeschäfte, die gegenüber einem Minderjährigen vorgenommen werden, anwendet?


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