Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Anfechtbarkeit eines gewährten Darlehens bei Täuschung durch Dritte
Anfechtbarkeit eines gewährten Darlehens bei Täuschung durch Dritte
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D möchte ein Darlehen bei der B-Bank aufnehmen, braucht aber einen Bürgen. Er überredet seinen Freund F, für ihn zu bürgen. Dabei täuscht D den F über sein Einkommen. F schließt daraufhin einen Bürgschaftsvertrag mit B. Als F die Täuschung erkennt, möchte er die Bürgschaft anfechten.
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Einordnung des Falls
Anfechtbarkeit eines gewährten Darlehens bei Täuschung durch Dritte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. D hat F durch eine Täuschung zur Abgabe der Bürgschaftserklärung "bestimmt" (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
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2. Die Täuschung des F durch D ist B nur zuzurechnen, wenn B sie kannte oder kennen musste. D ist im Verhältnis zu B "Dritter" (§ 123 Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
3. F kann die Bürgschaftserklärung gegenüber B wegen eines Irrtums über das Einkommen des D anfechten (§ 119 Abs. 1 BGB).
Nein!
4. B kannte die Täuschung des D oder musste sie kennen. B muss sich die Täuschung des D zurechnen lassen (§ 123 Abs. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. F kann die Bürgschaftserklärung gegenüber B wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) anfechten.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
gelöscht
27.11.2019, 14:24:20
Ich glaube in diesem Fall sind ein paar Dinge durcheinander geraten. Erst wird von D dann von H gesprochen. Laut Text täuscht D den F vorsätzlich und in der letzten Frage wird von Irrtum gesprochen.
Christian Leupold-Wendling
28.11.2019, 10:51:20
Hi, vielen Dank für das Feedback!! Die Personenbezeichnung haben wir korrigiert (und zur leichteren Verständlichkeit die Personen im Bild auch gekennzeichnet). Wir haben den Fall didaktisch auch etwas verbessert. Inhaltlich ist er korrekt: Man muss die Frage der arglistigen Täuschung durch D (relevant für Anfechtung nach § 123 BGB) und die Frage eines Irrtums des F, der für eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB erforderlich wäre, auseinanderhalten. Das sollte jetzt aber deutlicher werden.
Rüsselrecht 🐘
16.7.2021, 21:40:27
Ahoi 😎 ganz hat das mit der Sortierung der Personen noch nicht funktioniert. In der vierten Frage, ob F die Willenserklärung gegenüber B anfechten kann und die Zurechnung eines Dritten nach § 124 II angesprochen wird, wird F statt D als Dritter bezeichnet. Der Dritte ist aber D.
Wendelin Neubert
23.7.2021, 16:37:25
Danke Fantomaus. Vollkommen richtig. D ist hier Dritter i.S.d. 123 Abs. 2 BGB. Haben wir entsprechend korrigiert! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
PB_14
22.3.2020, 10:37:29
Kann man hier nicht davon ausgehen, dass die B-Bank Kenntnis haben müsste. Im Normalfall holt sich die Bank doch eine Vermögensauskunft ein. Somit hätte sie bei sorgfältigem Handeln erkennen müssen, dass D den F getäuscht hat, indem er eine andere Auskunft gab, oder?
Christian Leupold-Wendling
22.3.2020, 22:25:44
Danke für den Beitrag. Sorgfältiges Handeln kann man uE nicht einfach unterstellen. Die Prüfungstiefe hängt von der Bank und dem Verhältnis der Bank zum Darlehensnehmer ab (z.B. denkbar, dass Kredit im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung gewährt wird).
Nina*
5.5.2020, 11:38:24
PB_14 Mein erster Gedanke war auch, dass B doch eigentlich Kenntnis von den Einkommensverhältnissen des D haben müsste. Hat sie wahrscheinlich auch. Damit hat sie aber noch keine Kenntnis davon, was D dem F erzählt hat, also von der Täuschung an sich. Oder?
UnbekannterNutzer
7.2.2021, 13:44:56
Ist F hier vollkommen schutzlos?
Vulpes
7.2.2021, 16:06:19
Naja, wenn F die Forderung der Bank bezahlt geht die Forderung der Bank gegen den D gem. § 774 I BGB auf ihm über. Jetzt muss der F sich mit dem D rumschlagen um sein Geld wieder zu bekommen. Das ist m. E. auch sachgerecht, weil die Bank auf solche Situationen keine Lust hat und deswegen eigentlich keinen Kredit geben würde es sei denn ein Dritter erklärt sich bereit das Ausfallrisiko gem § 765 BGB zu übernehmen. Der F war so blöd und hat sich dazu bereit erklärt; irgendwie selber Schuld oder?
Eigentum verpflichtet 🏔️
7.2.2021, 22:45:34
Ja, die Bürgschaft ist einer der gefährlichsten Verträge, meist wird sie auch noch selbstschuldnerisch erklärt (ohne Einrede der Vorausklage, § 771), sodass der Gläubiger gleich gegen den Bürgen vorgehen kann, der mit seinem vollen Vermögen haften muss! Deswegen gilt ja auch die Schriftform der Bürgschaftserklärung (Warnfunktion, § 766), wobei wegen des hohen Risikos auch die rechtspolitische Forderung nach dem Erfordernis einer notariellen Beurkundung für Verbraucher/innen laut wird.
ANY
2.3.2021, 14:00:50
Warum ist keine Anfechtung wegen
Eigenschaftsirrtums möglich?
Marilena
2.3.2021, 14:11:54
Danke für die Frage! Bei der Bürgschaft kann für den Gläubiger die Kreditwürdigkeit des Bürgen eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Person sein und den Gläubiger zur Anfechtung der Bürgschaft, eventuell auch der Kreditzusage an den Schuldner berechtigen. Eine Irrtumsanfechtung des Bürgen, der sich über die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners irrt, ist dagegen grundsätzlich ausgeschlossen (RGZ 134, 126 (129); BGH WM 1956, 885 (889); HK-BGB/Staudinger § 765 Rn. 13; Jauernig/Stadler § 765 Rn. 9; Staudinger/Singer, 2017, Rn. 89; aA RGZ 158, 166 (170); Enneccerus/Nipperdey BGB AT II 1046 Fn. 22.). Da die Bürgschaft die Funktion hat, der Sicherung der Hauptschuld zu dienen, gehören die Eigenschaften des Hauptschuldners und insbesondere dessen Vermögensverhältnisse zum Risiko des
Marilena
2.3.2021, 14:12:46
Bürgen. Mithin bezieht sich die Bürgschaft gerade nicht auf die für die Erfüllung der Hauptschuld bedeutsamen Eigenschaften des Hauptschuldners (Flume BGB AT II § 24, 4 (490); vgl. auch BGH NJW 1965, 438 f.; ebenso OLG Brandenburg BeckRS 2009, 7255 für die Bestellung einer Grundschuld zur Sicherung einer fremden Darlehensschuld).
Marilena
2.3.2021, 14:13:52
Ich hoffe das beantwortet Deine Frage. Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena
Blackpanther
13.4.2022, 13:36:04
Danke für die klärende Antwort! Die Frage hatte ich mir auch gestellt, weil noch wenige Kapitel zuvor die Kreditwürdigkeit als verkehrswesentliche Eigenschaft von Personen bejaht wird. Vielleicht könntet ihr das zum besseren Verständnis noch in die Erklärung aufnehmen oder noch eine zusätzliche Frage zum
Eigenschaftsirrtumhinzufügen.
Dogu
8.7.2023, 10:52:28
@[Marilena](2706) ich würde mich dem Vorschlag von @[Blackpanther](163646) anschließen. Hier sollte am Ende noch kurz § 119 II BGB erläutert werden.
NickFischer
5.4.2023, 11:18:41
Hi. Ist § 123 II 2 BGB anwendbar und wenn nein, warum nicht? Ich habe Probleme, diesen Satz zu verstehen. LG
Sambajamba10
11.1.2024, 21:21:57
@[NickFischer](207197) Hey, § 123 II 2 ist nicht anwendbar, weil die WE gerichtet auf Abschluss des Bürgschaftsvertrag ja nur der Bank (Erklärungsempfänger) unmittelbar ein Recht gibt, den Bürgen F zur Verantwortung zu ziehen, während der Hauptschuldner D (ein anderer) aus dem Bürgschaftsvertrag keine Rechte unmittelbar bekommt.
Tomˑ
9.2.2024, 14:38:33
Im Kapitel wird an anderer Stelle die Zahlungs- und Kreditfähigkeit als verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB eingeordnet. Zwar wurde dieser Ansicht auch dort im Forum entgegengehalten, dass ein solches "Merkmal" einer Person möglichweise gar nicht dauerhaft anhaftet und es sich in diesem Fall bereits nicht um eine "Eigenschaft" i.S.d. Norm handelt. Gleichwohl frage ich mich, warum das Vorliegen eines solchen (ausnahmsweise nicht unerheblichen)
Motivirrtums in dieser Aufgabe nicht zumindest angesprochen wird. Gruß
Leo Lee
10.2.2024, 18:34:36
Hallo Tom, vielen Dank für deine sehr gute Frage! Bzgl. der Dauerhaftigkeit der Kreditwürdigkeit: In der Tat lässt sich ein andere Ansatz hören; leider lassen sich in den einschlägigen Kommentaren (MüKo und BeckOK-BGB) leider keine Ausführungen hierzu finden (wir recherchieren hier etwas tiefer und melden uns sodann bei dir!). Zu deiner eigentlichen Frage: Hier ist der Irrtum des Bürgen über die Zahlungsfähigkeit des Hauptschuldners deshalb ein unbeachtlicher
Motivirrtum, weil die Zahlungsfähigkeit des Hauptschuldners gerade da BÜRGENTYPISCHE RISIKO darstellt. Sprich, der Bürgschaftsvertrag wird deshalb geschlossen, weil der Hauptschuldner „nicht glaubwürdig“ genug ist bzgl. seiner Zahlungsfähigkeit. Wenn jetzt gesagt würde, dass der Bürge wegen seines Irrtums über die Zahlungsfähigkeit anfechten darf, würde man den gesamten Sinn des Bürgschaftsvertrag konterkarieren (denn Sinn und Zweck ist es gerade, dass der Bürge das Risiko durch die geminderte Zahlungsfähigkeit des Hauptschuldners „deckt“)! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüster § 119 Rn. 139 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo