Strafrecht

BT 4: Brandstiftungsdelikte

Besonders schwere Brandstiftung, § 306b StGB

Verdeckungs- oder Ermöglichungsabsicht betreffend einer anderen Straftat (Nr. 2) - Ermöglichungsalternative

Verdeckungs- oder Ermöglichungsabsicht betreffend einer anderen Straftat (Nr. 2) - Ermöglichungsalternative

23. April 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T fordert €40.000 von A. Falls A nicht bezahle, werde er das Haus des A in Brand setzten. A glaubt es handle sich um einen schlechten Scherz und lehnt entrüstet ab. Als sich A im Urlaub befindet, zündet T das Haus an, um so seiner Forderung mehr Nachdruck zu verleihen.

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Einordnung des Falls

Verdeckungs- oder Ermöglichungsabsicht betreffend einer anderen Straftat (Nr. 2) - Ermöglichungsalternative

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T das Haus des A angezündet hat, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB macht sich strafbar, wer fremde Gebäude oder Hütten in Brand setzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört. Ein Wohnhaus stellt einen umschlossen, mit dem Grund und Boden verbundenen Raum dar, es handelt sich somit um ein Gebäude. Da das Haus im Alleineigentum des A stand, war es für T auch fremd.
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2. Indem T das Haus des B angezündet hat, hat er sich auch wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Ja!

Gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 Fall 4 StGB macht sich strafbar, wer eine Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, in Brand setzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört. Das Haus ist eine Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, da sie von A zumindest vorübergehend tatsächlich als Ort privater Lebensführung benutzt wird. Dass A sich zum Tatzeitpunkt im Urlaub befand, ändert daran nichts.

3. T hat sich wegen besonders schwerer Brandstiftung (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB) strafbar gemacht, wenn er den „Tatbestand des § 306a Abs. 1 StGB“ verwirklicht hat und „in der Absicht gehandelt hat, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken“.

Genau, so ist das!

§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist eine Qualifikation zu § 306a StGB. § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB schärft die Strafe, wenn der Täter in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen (1. Variante) oder zu verdecken (2. Variante). Absicht verlangt dabei ein zielgerichtetes Wollen. Da es allein auf den subjektiven Tatbestand ankommt, spielt es keine Rolle, ob der Täter beabsichtigte Straftat tatsächlich begehen wird oder versuchen wird.

4. Für § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist erforderlich, dass eine andere Straftat ermöglicht werden soll.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Absicht des Täters muss sich auf die Ermöglichung einer anderen Straftat richten. Erforderlich ist dabei nach h.M., dass diese nicht in Tateinheit mit der Brandstiftung zusammenfällt, die Tathandlungen also nicht im Wesentlichen deckungsgleich sind. Die Brandlegung soll den A nach der vorangegangenen Drohung weiter einschüchtern und diesen zur Zahlung an T bewegen. Dabei handelt es sich um eine „andere“ Tat in Form einer Erpressung (§ 253 Abs. 1 StGB). Auf diese Frage kommt es insbesondere beim Verhältnis zwischen § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB und Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB) an. Denn hier ist das Beschädigen durch Brandlegung bereits selbst die strafbare Tathandlung. Mehr zu dieser Thematik findet du hier

5. Ermöglichungsabsicht i.S.d. § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB liegt immer bereits dann vor, wenn der Täter neben der Brandstiftung ein anderes Delikt begehen möchte.

Nein!

Welche Anforderungen an die Ermöglichungsabsicht zu stellen sind, ist umstritten. Die Lit. fordert eine restriktive Auslegung. Es bedürfe einer funktionalen Beziehung zwischen der Brandstiftung und der ermöglichten Straftat. Voraussetzung sei, dass der Täter durch die Brandlegung die damit verbundenen spezifischen Auswirkungen, wie Flucht, Verwirrung oder Panik, zur Begehung der Straftat ausnutzt. Nach dem BGH ist allein die erhöhte Verwerflichkeit der Tat entscheidend, die sich aus der Bereitschaft des Täters ergibt, Unrecht mit weiterem Unrecht zu verknüpfen.

6. Nach Ansicht der Lit. hat T durch die Brandlegung eine andere Straftat ermöglicht (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Lit. fordert eine funktionale Beziehung zwischen der Brandstiftung und der ermöglichten Straftat. Voraussetzung ist, dass der Täter durch die Brandlegung die damit verbundenen spezifischen Auswirkungen, wie Flucht, Verwirrung oder Panik, zur Begehung der Straftat ausnutzt.Die Brandlegung soll zwar den A einschüchtern und diesen zur Zahlung bewegen, also eine Erpressung (§ 253 Abs. 1 StGB) ermöglichen. T will dafür jedoch nicht die akut durch die Brandlegung ausgelösten Umstände ausnutzen, sondern lediglich die entstehende Drohkulisse. Nach dieser Ansicht hätte T die Qualifikation des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht erfüllt.Nach dieser Ansicht rechtfertigt der drastisch erhöhte Strafrahmen des § 306 Abs. 2 StGB (nicht unter fünf Jahre) eine restriktive Auslegung des Merkmals „ermöglichen“.

7. Nach Ansicht des BGH hat T durch die Brandlegung eine andere Straftat ermöglicht (§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Nach dem BGH ist allein die erhöhte Verwerflichkeit der Tat entscheidend, die sich aus der Bereitschaft des Täters ergibt, Unrecht mit weiterem Unrecht zu verknüpfen.Folgt man der Ansicht des BGH, handelte T in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen. Für diese Ansicht spricht, dass der Gesetzgeber das im früheren § 307 Nr. 2 StGB enthaltene Wort „ausnutzen“ durch das Wort „ermöglichen“ ersetzt hat. Die Formulierung orientiere sich nun an §§ 211, 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB, die das „Ermöglichen“ ebenfalls weiter verstehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Klima-Kleber

Klima-Kleber

9.4.2023, 21:50:16

Welche andere Straftat wollte T denn verdecken?

FABIA

Fabian

28.6.2023, 16:24:10

Keine, allerdings wollte er eine

Erpressung

gemäß §253 ermöglichen

IS

IsiRider

13.2.2024, 11:33:12

Oder

Nötigung

?

AS

as.mzkw

23.9.2024, 10:04:43

@[IsiRider](24300) Ist in

§ 253 StGB

enthalten, wird also mitverwirklicht und tritt auf Konkurrenzebene daher zurück.

AG

agi

13.10.2024, 23:03:08

@[as.mzkw](244917) müsste man nicht trotzdem beides prüfen und je nach Ergebnis es im Wege der Konkurrenz lösen?

BE

Bioshock Energy

13.9.2024, 10:57:27

Laut der Juracademy ist es nach Auffassung der Rechtsprechung jedoch erforderlich, dass es sich bei der zu ermöglichenden Straftat um eine „andere“ Straftat handelt. Dies wird verneint, wenn die Straftat in Tateinheit mit der besonders schweren Brandstiftung steht und die Tathandlungen, die zur Verletzung der jeweils geschützten Rechtsgüter führen, im Wesentlichen deckungsgleich sind. Vorliegend beruhen die

Nötigung

und/oder

Erpressung

als Beabsichtigte Nachtat doch auf der selben Tathandlung, verletzen das selbe Tatobjekt und schützen das selbe Rechtsgut. Hier wird dennoch "eine andere Tat" bejaht. Kann mir jemand erklären wieso?

AG

agi

13.10.2024, 22:59:18

Ein Bsp. für keine andere Tat sind ja der §265 und/oder § 263 III Nr.5 StGB. Weil in allen drei Fällen das

In Brand setzen

ausschlaggebend für die Tathandlung ist. Vorliegend ist die

Nötigung

/

Erpressung

eine andere Tat (diese wurde bereits zuvor versucht) und die In Brandsetzung eine andere.

ACADE

AcademicWeapon

5.2.2025, 17:58:56

Ist es für das Vorhaben eine andere Straftat zu ermöglichen nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB

unerheblich

, dass der T hier den A erst erpresst, und dann als der A nicht darauf eingeht erst DANACH die Brandstiftung begeht? Wie kann man das mit dem Wortlaut vereinbaren "der Täter handelt in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen"? Ich würde es verstehen, wenn der T erst ein Haus des A in Brand gesetzt hätte und ihn dann mit der

Drohung

erpressen würde, dass er ein weiteres Haus des A

in Brand setzen

würde.


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