Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§§ 80, 80a VwGO)

§§ 80, 80a: Rechtsschutzbedürfnis - Keine offensichtliche Unzulässigkeit der Hauptsache

§§ 80, 80a: Rechtsschutzbedürfnis - Keine offensichtliche Unzulässigkeit der Hauptsache

22. Februar 2025

1 Kommentar

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Waffenfan W ist der Trunksucht verfallen. Die zuständige Behörde B widerruft deswegen am 01.05. Gs Waffenerlaubnis (§ 45 Abs. 2 S. 1 WaffG). Am 15.06. erhebt W hiergegen Anfechtungsklage und Eilantrag gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO.

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Einordnung des Falls

§§ 80, 80a: Rechtsschutzbedürfnis - Keine offensichtliche Unzulässigkeit der Hauptsache

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Enthält § 45 Abs. 5 WaffG eine Ausnahme von diesem Grundsatz?

Ja, in der Tat!

Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten nach dem Grundsatz des § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung, soweit nicht eine Ausnahme nach § 80 Abs. 2 VwGO vorliegt. § 45 Abs. 5 WaffG ist eine Ausnahmeregelung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO. B hat nach § 45 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 WaffG Ws Erlaubnis widerrufen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diese Maßnahme haben nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 5 WaffG keine aufschiebende Wirkung.e
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2. Die Zulässigkeit von Ws Antrag setzt – unter anderem – voraus, dass G ein (allgemeines) Rechtsschutzbedürfnis hat.

Ja!

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung, die für jeden verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelf gilt. Der Kläger bzw. Antragsteller benötigt ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an dem angestrebten Rechtsschutzziel. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis entfällt jedenfalls dann, wenn der Antragsteller sein Ziel auf einfachere und effektive (außergerichtliche) Weise erlangen kann. Es kann auch entfallen, wenn der Rechtsschutzsuchende sein angestrebtes Rechtsschutzziel nicht oder nicht mehr erreichen kann.

3. Gs Rechtsschutzbedürfnis könnte entfallen, wenn seine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat. Prüft das Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vollumfänglich die Zulässigkeit und die Begründetheit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache?

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Rahmen des Eilantrags prüft das Gericht die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Zulässigkeit und Begründetheit) nur summarisch. Es ist gerade Sinn und Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes, Rechtssicherheit zu schaffen, bis sämtliche (teils sehr komplexe) Rechtsfragen in der Hauptsache abschließend geklärt werden. Die Zulässigkeit (und die Begründetheit) der Hauptsache ist also grundsätzlich keine Voraussetzung für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung. Es wäre demnach grundsätzlich unschädlich für Ws Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO, wenn bei seinem Rechtsbehelf in der Hauptsache eine Zulässigkeitsvoraussetzung nicht vorliegt. In der Klausur im ersten Examen entspricht die „summarische Prüfung“ einer vollumfänglichen gutachterlichen Prüfung, weil der Sachverhalt bereits „ausermittelt“ ist.

4. Die Zulässigkeit der Hauptsache ist grundsätzlich keine Voraussetzung für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung. Könnte ausnahmsweise etwas anderes gelten, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich unzulässig ist?

Ja, in der Tat!

Das Gericht prüft die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur summarisch. Die Zulässigkeit (und die Begründetheit) der Hauptsache ist also grundsätzlich keine Voraussetzung für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung. Etwas anderes muss gelten, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich unzulässig ist. Wenn bereits bei Einlegung des Eilantrags offensichtlich ist, dass die Hauptsache unzulässig ist, besteht kein Anlass für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung. Ein gerichtliches Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz wäre überflüssig. Oder anders gesagt: Der Antragssteller hat kein Rechtsschutzbedürfnis.

5. Ws Rechtsschutzbedürfnis könnte fehlen, wenn seine Klage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Hat W die Anfechtungsklage fristgerecht erhoben (§ 74 Abs. 1 VwGO)?

Nein!

Die Zulässigkeit (und die Begründetheit) der Hauptsache ist grundsätzlich keine Voraussetzung für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung. Etwas anderes muss gelten, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich unzulässig ist. Du prüfst also die Zulässigkeit und Begründetheit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache inzident i.R.d. Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO unter dem Aspekt des „Rechtsschutzbedürfnis“. Für die Anfechtungsklage gilt eine Monatsfrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) B hat den Widerruf der Waffenerlaubnis am 01.05. bekannt gegeben. Zum jetzigen Zeitpunkt (15.06.) kann W nicht mehr fristgerecht Anfechtungsklage erheben, da die Monatsfrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) bereits am 01.06. abgelaufen ist. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass Gründe vorliegen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO rechtfertigen. Die Anfechtungsklage des W ist unzulässig. Auch ein Widerspruch könnte nicht mehr fristgerecht erhoben werden, denn für diesen gilt auch eine Monatsfrist (§ 70 Abs. 1 VwGO).

6. Ws Eilantrag ist unzulässig.

Genau, so ist das!

Ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ist – mangels Rechtsschutzbedürfnis – unzulässig, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich unzulässig ist. Die Anfechtungsklage des W ist offensichtlich unzulässig, da sie verfristet ist. Da W sein Rechtsschutzziel nicht mehr erreichen kann, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis und sein Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO ist unzulässig. Für das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses ließe sich auch argumentieren, dass der Eilantrag des W rechtsmissbräuchlich wäre. Die hier dargestellte Auffassung ist die h.M.. Eine Mindermeinung verlangt die Zulässigkeit der Hauptsache, während eine andere Auffassung differenziert: Nur beim Fehlen bestimmter Zulässigkeitsvoraussetzungen soll der Eintritt der aufschiebenden Wirkung nicht möglich sein.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AN

annie_kx

16.2.2025, 14:32:06

Bei einer Frage fehlt die erklärung :(


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