+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D stiehlt Es Fahrrad. D nutzt das Rad vorübergehend und beschädigt das Vorderrad.
Einordnung des Falls
Normalfall Schadensersatz und Nutzungsherausgabe im EBV
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E hat gegen D einen Herausgabeanspruch (§ 985 BGB).
Genau, so ist das!
Der Anspruch aus § 985 BGB setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist.
E war Eigentümer des Fahrrads und dieses durch den Diebstahl des D auch nicht verloren. D ist unmittelbarer Besitzer. Ein Besitzrecht (§ 986 BGB) liegt nicht vor.
2. E könnte von D Schadens- und Nutzungsersatz nach den §§ 987 ff. BGB auch verlangen, wenn er keinen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hätte.
Nein, das trifft nicht zu!
Die Ansprüche aus §§ 987 ff. BGB setzen immer eine Vindikationslage (= Eigentümer-Besitzer-Verhältnis) voraus. Diese besteht, wenn der Eigentümer zum anspruchsbegründenden Zeitpunkt einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB (=Vindikationsanspruch) hat.
3. Es kommen verschiedene Anspruchsgrundlagen für den Schadensersatz in Betracht.
Ja!
(1) Sofern E bereits eine Klage gegen D erhoben hat, könnte ein Anspruch aus § 989 BGB bestehen.
(2) War D bösgläubig, kommt ein Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB in Betracht.
(3) Entstehen E wegen der verzögerten Herausgabe durch D weitere Schäden, kommt eine Verzugshaftung aus §§ 990 Abs. 2, 280 Abs. 2, 286 ff. BGB in Betracht.
(4) Über die Verweisung in § 992 BGB sind zudem auch deliktische Ansprüche (§§ 823 ff. BGB) denkbar.
4. Es kommen verschiedene Anspruchsgrundlagen für den Nutzungsersatz in Betracht.
Genau, so ist das!
(1) Sofern E bereits eine Klage gegen D erhoben hat oder D bösgläubig ist, hat er gezogene Nutzungen herauszugeben (§ 987 Abs. 1 BGB) oder Wertersatz für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen zu leisten (§ 987 Abs. 2 BGB).
(2) Auch beim Nutzungsersatz ist die deliktische Haftung (§§ 823 ff. BGB) über die Verweisung in § 992 BGB möglich.
(3) War D unverklagt und gutgläubig (was vorliegend freilich nicht der Fall ist), könnte er dennoch für sog. Übermaßfrüchte nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts haften (§§ 993 Abs. 1 Hs. 1, 812 ff. BGB).
5. Gibt D das Fahrrad an einen Dritten weiter, kann E gegenüber diesem keinen Schadens- oder Nutzungsersatz fordern.
Nein, das trifft nicht zu!
(1) Vermietet D das Fahrrad beispielsweise an einen gutgläubigen Dritten weiter, kann sich dessen Haftung auf Schadensersatz unter Umständen aus §§ 989, 991 Abs. 2 BGB ergeben.
(2) Gewährt D einem Dritten die Nutzung des Fahrrades unentgeltlich, ist der Dritte dem E nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts zum Nutzungsersatz verpflichtet (§§ 988, 812 ff. BGB).