+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Behörde B erteilt A eine Beseitigungsverfügung, wonach A ihren illegal errichteten Anbau abreißen muss. A kommt dieser Aufforderung nicht innerhalb der festgelegten 3-Monats-Frist nach, weswegen ihr B formell rechtmäßig ein Zwangsgeld in Höhe von 75.000 Euro androht. A hält dies für rechtswidrig.
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Einordnung des Falls
Ermessensüberschreitung (Fall 1)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes richtet sich nach dem jeweils geltenden verwaltungsrechtlichen Zwangsvollstreckungsgesetz.
Genau, so ist das!
Bundesrechtlich ist die Zwangsvollstreckung im VwVG geregelt. Die Länder können aber eigene Gesetze erlassen. Von dieser Möglichkeit haben einige Bundesländer Gebrauch gemacht (z.B. Bayern), andere verweisen nur auf die Gültigkeit der bundesrechtlichen Regelungen (z.B. Berlin). Im Regelfall richtet sich die Vollstreckung auf Verwaltungsakte, also auf die zwangsweise Durchsetzung der Erfüllung eines bereits erlassenen Verwaltungsakts (vgl. § 6 Abs. 1 VwVG). In Ausnahmefällen kann ein Verhalten des Bürgers auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt erzwungen werden (§ 6 Abs. 2 VwVG). Die zwangsweise Durchsetzung der Abrissverfügung mit Hilfe des Zwangsgeldes richtet sich nach dem VwVG.
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2. Die formell rechtmäßige Androhung des Zwangsgeldes müsste auch materiell rechtmäßig sein. Die Voraussetzungen ergeben sich aus § 6 Abs. 1 VwVG.
Ja, in der Tat!
Die materielle Rechtmäßigkeit der Androhung des Zwangsgeldes (= Verwaltungsakts) setzt voraus, dass diese materiell rechtmäßig ist. Rechtsgrundlage hierfür ist § 6 Abs. 1 VwVG (bzw. entsprechende landesrechtliche Vorschriften). Danach muss der Verwaltungsakt, der zwangsweise durchgesetzt werden soll, unanfechtbar geworden sein. Ist dies nicht der Fall, ist die zwangsweise Durchsetzung auch dann möglich, wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung gem. § 80 VwGO entfalten würde, der Verwaltungsakt also sofort vollstreckbar ist. Nach drei Monaten ist die Anfechtungsfrist des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO abgelaufen. Die zu vollstreckenden Abrissverfügung ist bestandskräftig. Wäre die Verfügung nichtig, würde keine Bestandskraft eintreten. Dafür gibt es hier jedoch keine Anhaltspunkte.
3. Grundsätzlich kommt die Androhung eines Zwangsgeldes als Zwangsmittel in Betracht.
Ja!
Die möglichen Zwangsmittel ergeben sich aus § 9 Abs. 1 VwVG. Danach kommt (1) eine Ersatzvornahme, (2) Zwangsgeld und (3) unmittelbarer Zwang in Betracht. B durfte grundsätzlich ein Zwangsgeld für den Fall, dass A der Abrissverfügung nicht nachkommt, festlegen. 4. Die Höhe des Zwangsgeldes kann durch die Behörde komplett frei festgelegt werden. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig.
Nein, das ist nicht der Fall!
Die Vorschriften des VwVG sehen zunächst ein grundsätzliches Ermessen der Behörden dahingehend vor, welches Zwangsmittel sie auswählen. Weiterhin ist im Fall der Festlegung eines Zwangsgeldes die Höhe des Betrags gesetzlich nicht genau festgelegt. Allerdings gibt § 11 Abs. 3 VwVG einen gesetzlichen Rahmen vor. Danach darf das Zwangsgeld nicht über 25.000 Euro betragen. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens kann die Behörde das Zwangsgeld nach pflichtgemäßen Ermessen für jeden konkreten Einzelfall neu festlegen. Überschreitet die Behörde diesen Rahmen, liegt ein Fall von Ermessensüberschreitung vor. B hat hier ein Zwangsgeld in Höhe von 75.000 Euro festgelegt und überschreitet damit die gesetzlich vorgesehene Höchstgrenze. Sie handelte damit ermessensfehlerhaft. Die Androhung des Zwangsgeldes ist rechtswidrig. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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