Zivilrecht
Deliktsrecht
§ 823 Abs. 1 BGB
Produzentenhaftung: Limonadenflaschen-Fall (Prüfpflicht und Qualitätssicherung)
Produzentenhaftung: Limonadenflaschen-Fall (Prüfpflicht und Qualitätssicherung)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A hat sich eine Limonade des Herstellers H gekauft. Die Limo befindet sich in einer Mehrweg-Glasflasche. Als A sie öffnen möchte, explodiert sie wegen Mikrorissen im Glas. A wird verletzt. H verteidigt sich damit, dass die Risse auch nach Abfüllen entstanden sein könnten.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Produzentenhaftung: Limonadenflaschen-Fall (Prüfpflicht und Qualitätssicherung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat eine Rechtsgutsverletzung erlitten (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Verletzungshandlung des H ist in einem Unterlassen zu sehen.
Genau, so ist das!
3. H hat eine Verletzungshandlung begangen, indem er es unterlassen hat, die Flaschen nach ihrer Abfüllung auf Mikrorisse zu untersuchen.
Ja, in der Tat!
4. H hat dieses Verhalten auch zu verschulden.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Danger
6.2.2021, 18:35:51
Ist nicht auch auf ein Abstellen auf positives Tun = Inverkehrbringen des fehlerhaften Produkts, möglich?
Lukas_Mengestu
9.12.2021, 18:33:57
Hallo Danger, da könnte man letztlich auch darüber nachdenken und guten Gewissens bejahen, ohne dass sich am Ergebnis etwas ändert. Denn im Falle aktiven Tuns würde die Problematik auf die Ebene des Vertretenmüssens verlagert. Der BGH hat den Schwerpunkt der
Vorwerfbarkeitindes im Unterlassen gesehen und dies insoweit bereits bei der
Verletzungshandlungthematisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
K. Dilper
2.12.2021, 13:39:10
In der letzten Frage müsste es "zu vertreten" heißen.
Lukas_Mengestu
2.12.2021, 14:28:48
Hallo K.Dilper, da wir uns hier im Deliktsrecht befinden, wo eine Haftung Verschulden (=
Vorsatz+Fahrlässigkeit) voraussetzt, passt dieser Begriff hier. Das Vertretenmüssen wird dagegen im Kontext der vertraglichen Schadensersatzansprüche gebraucht. Schau Dir gerne auch die folgende Aufgabe zur Abgrenzung an: https://applink.jurafuchs.de/9tPoVop1Elb Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
L.Goldstyn
28.5.2024, 18:57:21
Liebes Jurafuchs-Team, soweit ich mich erinnern kann, muss der Geschädigte nach der Rechtsprechung des BGH die Punkte „Rechtsgutsverletzung“, „Produktfehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens“ und „Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Produktfehler“ beweisen, damit vermutet wird (=
Beweislastumkehr), dass das Inverkehrbringen eines mangelhaften Produkts auf dem Verschulden des Herstellers beruht. Jedoch wird der Nachweis, dass der Produktfehler schon im Zeitpunkt des Inverkehrbringens vorliegt, wird nur in Ausnahmefällen (Nachweis eines Konstruktionsfehlers oder identischer Fehler bei Produkten derselben Charge) gelingen. In aller Regel ist ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB deshalb abzulehnen. Unter anderem deswegen wurde das ProdHaftG eingeführt, das in § 1 Abs. 4 S. 2 ProdHaftG für Ansprüche aus § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG vorsieht, dass der Hersteller die Beweislast trägt, wenn streitig ist, ob der Fehler vor oder nach dem Inverkehrbringen entstanden ist. Ist das so korrekt? Falls ja, ergeben sich daraus Änderungen für die Beantwortung der Fragen?
Lukas_Mengestu
28.5.2024, 19:52:10
Hallo L.Goldstyn, sehr gute Frage! Im Grundsatz hast Du völlig Recht. Die Beweislasterleichterungen greifen in erster Linie im Hinblick auf die Frage, ob der Hersteller seinen Verkehrssicherungspflichten bei Konstruktion, Fabrikation und Instruktion genüge getan hat. Der Geschädigte bleibt im Grundsatz aber dafür beweislastpflichtig, dass das Produkt fehlerhaft war, der Fehler zum Verletzungsschaden geführt hat UND der Fehler bereits bei Inverkehrgabe bestand (und das Produkt nicht z.B. erst nachträglich beschädigt wurde). In der hier zugrundeliegenden Limonaden-Entscheidung hat der BGH aber klargestellt, dass den Hersteller vor der Inverkehrgabe auch Prüfpflichten treffen können, um die Qualität und Funktion seines Produktes sicherzustellen. Sind diese bei einem Produkt notwendig und werden vom Hersteller unterlassen, dann wird auch bezüglich der Frage, ob das Produkt bei der Inverkehrgabe fehlerhaft war, die Beweislast zu seinen Lasten umgekehrt. Im zugrunde liegenden Originalfall war diese Tatsachenfrage vom Berufungsgericht noch nicht geklärt worden, weshalb der BGH diesbezüglich zurückverwies. Mangels entsprechender Angaben kannst Du für unseren Fall aber zugrunde legen, dass diese notwendig und nicht erfolgt sind. Ich hoffe, dadurch ist es noch etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team