Fall zur Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Ablassen von Luft aus einem Fahrradreifen: examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration zum Fall zur Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Ablassen von Luft aus einem Fahrradreifen: Eine Person entlässt aus dem Hinterreifen eines Fahrrads die Luft.
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Klassisches Klausurproblem

T möchte O ärgern. Er entlässt die Luft aus dem Hinterreifen des Fahrrads des O. Da O auf das Fahrrad täglich angewiesen ist, ist es mit einer funktionsfähigen Luftpumpe ausgestattet.

Einordnung des Falls

Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Ablassen von Luft aus einem Fahrradreifen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T durch Öffnen des Ventils das Fahrrad zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB)?

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Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Handlungsmodalität der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) ist das Zerstören. Eine Sache ist zerstört, wenn sie auf Grund der Einwirkung in ihrer Existenz vernichtet oder so wesentlich beschädigt ist, dass sie ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren hat.Durch das Öffnen des Ventils und das Entlassen der Luft hat T zwar auf das Fahrrad körperlich eingewirkt, aber dadurch wurde es weder in seiner Existenz vernichtet, noch so wesentlich beschädigt, dass es seine Brauchbarkeit völlig verloren hätte. Der Reifen kann erneut mit Luft befüllt und so die Funktionsfähigkeit des Fahrrads wieder hergestellt werden. T hat das Fahrrad nicht zerstört.

2. Ist das Fahrrad des O für T eine fremde Sache (§ 303 Abs. 1 StGB)?

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Ja, in der Tat!

Taugliche Tatobjekte der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) sind fremde Sachen. Unter den strafrechtlichen Sachbegriff fallen alle körperlichen Gegenstände, beweglich oder unbeweglich. Auch die aus mehreren Einzelsachen zusammengesetzte Sacheinheit ist taugliches Tatobjekt, an dem die Tathandlungen zu messen sind. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht oder herrenlos ist.Der Hinterreifen ist ein körperlicher Bestandteil des Fahrrads, also einer zusammengesetzten Sacheinheit. Da sich das Fahrrad nicht im Alleineigentum des T befand, stellte es eine für ihn fremde Sache dar.

3. Hat T durch Öffnen des Ventils das Fahrrad beschädigt (§ 303 Abs. 1 StGB)?

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Nein!

Die h. M. versteht unter Beschädigen jede Einwirkung auf eine Sache, durch die ihre stoffliche Unversehrtheit nicht unerheblich verletzt (Substanzverletzung) oder ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht unerheblich beeinträchtigt wird (Brauchbarkeitsminderung).Mangels Substanzverletzung kommt es darauf an, ob das Öffnen des Ventils zu einer erheblichen Brauchbarkeitsminderung geführt hat. Hier liegt es nahe, eine erhebliche Brauchbarkeitsminderung zu verneinen, da O mithilfe der Pumpe die Fahruntüchtigkeit ohne große Mühe beseitigen kann (anderes Ergebnis vertretbar).

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