Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Ablassen von Luft aus einem Fahrradreifen
Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Ablassen von Luft aus einem Fahrradreifen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T möchte O ärgern. Er entlässt die Luft aus dem Hinterreifen des Fahrrads des O. Da O auf das Fahrrad täglich angewiesen ist, ist es mit einer funktionsfähigen Luftpumpe ausgestattet.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Ablassen von Luft aus einem Fahrradreifen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat T durch Öffnen des Ventils das Fahrrad zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist das Fahrrad des O für T eine fremde Sache (§ 303 Abs. 1 StGB)?
Ja, in der Tat!
3. Hat T durch Öffnen des Ventils das Fahrrad beschädigt (§ 303 Abs. 1 StGB)?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Manu1511
26.11.2019, 12:47:05
Kleine Anmerkung abseits der Juristerei - sofern O kein Transformer ist, glaube ich nicht, dass O einen Hinterreifen besitzt. Es müsste im Sachverhalt noch „des Fahrrads“ eingebaut werden.
Christian Leupold-Wendling
28.11.2019, 11:37:04
:) Hm... Warum sollte man keinen Besitz an einem Hinterreifen haben können? Grammatikalisch (und rechtlich) geht das, scheint es uns. Aber wir haben den Sachverhalt trotzdem geändert (für Dich!!!). Lieben Gruß
GingerCharme
27.4.2020, 17:40:45
Worin wird jetzt der Unterschied zum Auto gesehen? Einfach darin, dass ein Autoreifen weniger leicht wieder aufzupumpen ist als ein Fahrradreifen? Es war zwar eine andere Ansicht vertretbar, aber mir wurde nicht ganz klar wieso es hier anders bewertet wurde, denn die tatsächliche Beisichführung einer Pumpe kann dem Täter ja nicht zu Gute kommen im Sinne von "eine Fahrradpumpe hat man in der Regel dabei". LG
Schaafrichter Johannes
27.4.2020, 19:10:23
Es kommt aber auf die tatsächlichen Umstände an, wie du ja auch geschrieben hast. Eine konkrete Gefährdung ist im Straßenverkehr bspw. höher bestraft als eine rein
abstrakte Gefahr. Anders etwa bei Werkzeugen, bei denen es je nach vertretener Ansicht und Tatbestand auf die konkrete Verwendung oder auf die generelle Eignung bzw. den gewöhnlichen Einsatz abgestellt wird. Das ist also schon unterschiedlich und vom Gesetzgeber auch so veranlagt. Kommt es auf die konkreten Umstände an, steht der Opferschutz im Vordergrund. Typisiert der TB verschiedene Merkmale, steht die Schuld des Täters im Vordergrund; es wird ihm vorgeworfen, ein Haus in Brand gesteckt zu haben, bei dem er davon ausgehen musste, dass es bewohnt wird und Personen zu Schaden kommen.
GingerCharme
27.4.2020, 21:50:33
Also wäre demnach der Auto-Fall auch keine Sachbeschädigung, wenn (Fall in der Realität quasi gar nicht denkbar) das Opfer eine Pumpenvorrichtung (wie man sie an Tankstellen findet) dabei hat, welche genug Luft enthält und der Reifen mühelos und schnell aufgepumpt werden kann? Ergibt sich dies denklogisch an Gesetzesstellung und Systematik der Delikte oder kann man das griffig irgendwo her ableiten?
🦊LEXDEROGANS
27.4.2020, 23:10:41
@GingerCharme, stimme Ihnen völlig zu, dass das Ganze etwas merkwürdig ist und sich erst Recht nicht aus dem Gesetzeswortlaut ergibt! Letztendlich kommt es wieder auf das schöne Wort „(un)erheblich“ an (vgl. Kindhäuser LPK-StGB, 3. Aufl., § 303 Rn. 8), welches sich im hiesigen Fall m. E. u. a. anhand des Zeitaufwand bestimmt: Wie lange dauert es, das Fahrzeug aufzupumpen? Hinzu kommt, dass (ähnlich wie beim Fall des Abschneidens einer Locke des angebeteten Fräuleins und der Frage nach § 223) das Luft-Entweichen-Lassen bei Fahrrädern sozial wohl eher noch als Scherz aufgefasst wird als bei einem Kfz.
Kai
13.6.2023, 10:37:08
Hat der T dann Tatentschluss bzgl. der Sachbeschädigung? Oder kommt es für den Tatentschluss entscheidend darauf an, ob er sich darüber im klaren war ob oder ob nicht der Reifen problemlos wieder aufgepumpt werden konnte?
Klima-Kleber
13.6.2023, 12:34:56
sofern Pumpe wahrgenommen, ist TE m.E. zu verneinen.
Magnum
31.10.2024, 11:59:14
Verlangt das Zerstören in Bezug auf die völlig Aufhebung der Brauchbarkeit, dass diese nicht reversibel ist?
Sebastian Schmitt
3.11.2024, 09:49:54
Hallo @[Magnum](172647), der Begriff der "(Ir-)Reversibilität" ist keiner, den man im Zusammenhang mit der Sachbeschädigung üblicherweise liest. Dementsprechend können wir festhalten, dass die (Ir-)Reversibilität für uns grds kein geeignetes Abgrenzungskriterium ist, weil es weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach den Definitionen für die Begriffe des § 303 StGB eine Rolle spielt. Rein tatsächlich wird eine Zerstörung iSd § 303 I StGB natürlich oft irreversibel sein. Die Frage ist allerdings auch, welchen Maßstab man an die Irreversibilität anlegen wollte. Zerschlage ich eine fremde Vase in viele Teile und sind alle diese Teile noch vorhanden, könnte ein Experte die Vase mit einem Spezialkleber und in mühsamer Kleinarbeit möglicherweise wieder recht originalgetreu zusammensetzen (reversibel?). Zerstört hätte ich sie aber trotzdem. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Ruben Huße
9.11.2024, 14:30:47
Könnte hier nicht auch eine Sachbeschädigung an der Luft vorliegen ?? Diese wird schließlich sachenrechtlich durch das Einsperren in den Reifen zu einem eingentumsfähigen Gegenstand. Durch das Freilassen liegt somit so gesehen ein Vernichten der Substanz vor.
Leo Lee
10.11.2024, 09:21:40
Hallo Ruben Huße, vielen DAnk für die sehr gute und wichtige Frage! Das ist in der Tat ein sehr interessanter Gedanke der mMn nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Allerdings besteht bei 303 das Problem, dass unter "Sache" (wie bei Diebstahl) die Luft selbst als unkörperlicher Gegenstand kein
Tatobjektsein kann. D.h. die Sache, die mit Luft befüllt ist, kann zwar beschädigt werden, allerdings die Luft selbst nicht. Eine anderweitige Auslegung würde Probleme nach sich ziehen, da wir hier dann zu Lasten des Täters eine Analogie vornehmen und damit gegen das Analogieverbot verstoßen würden, Art. 103 II GG. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Wieck-Noodt § 303 Rn. 8 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo