EU-Rechtswidrigkeit der Pkw-Maut
19. Mai 2025
5 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Bundesrepublik Deutschland möchte eine Pkw-Maut für die Nutzung deutscher Bundesautobahnen einführen. Gleichzeitig soll die Maut für Halter inländischer Fahrzeuge durch eine Senkung der Kfz-Steuer kompensiert werden. Die Republik Österreich hält dies für europarechtswidrig.
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Einordnung des Falls
EU-Rechtswidrigkeit der Pkw-Maut
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Republik Österreich kann die Unionsrechtswidrigkeit der Pkw-Maut mittels des Vertragsverletzungsverfahrens (Art. 258, 259 AEUV) rügen.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Art. 18 Abs. 1 AEUV normiert ein umfassendes Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit, das unmittelbare sowie mittelbare Diskriminierungen erfasst.
Ja!
3. Eine Diskriminierung scheidet von vornherein aus, da die Halter inländischer Fahrzeuge nicht mit den Haltern ausländischer Fahrzeuge vergleichbar sind. Es fehlt die sogenannte Vergleichsgröße.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Zusammen beurteilt begründen die Maßnahmen der Pkw-Maut einerseits und der Steuerentlastung für deutsche Pkw-Halter anderseits eine Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV).
Ja, in der Tat!
5. Art. 18 AEUV enthält ein absolutes Diskriminierungsverbot. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit scheidet aus.
Nein!
6. Das Ziel der deutschen Bundesregierung zur „Änderung des Systems der Infrastrukturfinanzierung“ hin zum „Benutzerprinzip“ kann die Ungleichbehandlung vorliegend rechtfertigen.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Neben dem Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit berührt die Pkw-Maut den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV).
Ja, in der Tat!
8. Ob eine Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen (Art. 34 AEUV) vorliegt, beurteilt sich nach der „Dassonville-Formel“ und der „Keck-Formel“.
Ja!
9. Nach der "Dassonville-Formel" stellt die Pkw-Maut zusammen mit der Steuererleichterung für deutsche Pkw-Halter eine Maßnahme gleicher Wirkung wie Einfuhrbeschränkungen dar.
Genau, so ist das!
10. Beschränkungen des freien Warenverkehrs können gerechtfertigt sein.
Ja, in der Tat!
11. Die Pkw-Maut ist nach der "Keck-Formel" lediglich eine Verkaufsmodalität und damit keine Maßnahme gleicher Wirkung wie Einfuhrbeschränkungen. Sie verstößt somit nicht gegen Art. 34 AEUV.
Nein!
12. Eine Rechtfertigung der Beschränkung des freien Warenverkehrs besteht in der von Deutschland beabsichtigten „Änderung des Systems der Infrastrukturfinanzierung“ hin zum „Benutzerprinzip“.
Nein, das ist nicht der Fall!
13. Die Pkw-Maut beschränkt auch den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) in unzulässiger Weise.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Lulu 🐙
22.11.2019, 11:14:01
Super Aufbereitung! Vielleicht könnte man die einzelnen Fällen vom EuGH auch noch in einer Europarechts-Lektion zusammenfassen, damit sie in der App prominenter sind 🇪🇺

Christian Leupold-Wendling
18.12.2019, 23:14:28
Lulu, super Idee!! Machen wir. Wir launchen übrigens in Kürze auch einen Europarechtskurs 😉
Waterink
20.5.2020, 10:31:23
Hallo, wäre der Eingriff in die
Warenverkehrsfreiheitgemäß Art 36 AEUV gerechtfertigt, wenn auch deutsche Fahrzeughalter je nach Benutzung bezahlen müssten, der Wechsel in der Infrastrukturfinanzierung also tatsächlich stattfände?
gelöscht
13.6.2020, 07:31:13
Hallo Waterink - ja, wäre er, da die faktische Bevorteilung über die Kfz Steuer deutscher Autofahrer entfiele. Es gäbe da Möglichkeiten eine wirklich verusachungsgerechte Besteuerung hinzubekommen. Das aktuell geplante Stufenmodell, wonach die Kfz Steuer stufenweise nach CO2 Ausstoß erfolgen soll, ist wieder nicht verursachungsgemäß. Denn wie viel CO2 ein Fahrzeug tatsächlich ausstößt, hängt von seiner faktischen Benutzung und nicht hauptsächlich von der Motorgröße ab. Daher wäre es sachgerechter, die Kfz Steuer abzuschaffen, die fehlenden Einnahmen durchschnittlich auf die Kraftstoffpreise aufzuschlagen und Pendler je mach verwendetem Fahrzeug über die Steuererklärung zu entlasten. Das ist wohl eher ein politisches Problem ☺
versuchterfahrlässigermord
3.3.2025, 18:26:49
Warum wird hier direkt auf das allgemeinere Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV gegangen und nicht zunächst auf die speziellere
Warenverkehrsfreiheitbzw. die ebenfalls einschlägige
Dienstleistungsfreiheit?