Schadensersatz, § 989 BGB

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kunstliebhaberin K wurde eines ihrer Gemälde gestohlen. Kurz darauf sieht sie es bei B. Da B es nicht herausgibt, verklagt K sie auf Herausgabe. B ignoriert die zugestellte Klage. Kurz darauf verursacht B grob fahrlässig einen Brand, der das Gemälde zerstört. B dachte, sie sei die Eigentümerin.

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Einordnung des Falls

Schadensersatz, § 989 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat B das Gemälde gutgläubig erworben (§§ 929 S. 1, 932 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Der gutgläubige Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers, (5) kein Abhandenkommen. Ein gutgläubiger Erwerb scheidet jedenfalls deshalb aus, da das Gemälde der K abhandengekommen ist (§ 935 Abs. 1 BGB). In der Klausur solltest Du regelmäßig dennoch (zumindest kurz) die übrigen Voraussetzungen prüfen. Dadurch zeigst Du, dass Du systematisch arbeiten kannst. Der Weg ist bekanntlich das Ziel.
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2. K kann von B Schadensersatz nach §§ 989, 990 BGB verlangen, da B bösgläubig war.

Nein!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe, (3) Bösgläubigkeit, (4) Verschulden des Anspruchsgegners und (5) ein Schaden beim Anspruchssteller. K war Eigentümerin und B Besitzerin ohne Recht zum Besitz, es bestand also eine Vindikationslage. Allerdings ist nicht erkennbar, dass B zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs bösgläubig war. Auch das bloße Behaupten der K, das Gemälde gehöre ihr, führt nicht zur (nachträglich eingetretenen) Bösgläubigkeit der B. Ein Schadensersatz nach §§ 989, 990 BGB kommt daher nicht in Betracht.

3. K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 989 BGB haben.

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 989 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe, (3) Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs, (4) Verschulden des Anspruchsgegners und (5) ein Schaden beim Anspruchssteller.

4. Der Herausgabeanspruch war rechtshängig (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO).

Ja, in der Tat!

Die Rechtshängigkeit tritt ein, sobald der Eigentümer die gerichtliche Klage auf Herausgabe der Sache (§ 985 BGB) gegen den Besitzer erhebt und diese dem Besitzer zugestellt wird. Durch die Klagezustellung ist der Besitzer ausreichend gewarnt und haftet daher verschärft. K hatte zu dem Zeitpunkt des Untergangs die Klage erhoben. Der Herausgabeanspruch war somit rechtshängig.

5. Die sonstigen Voraussetzungen des § 989 BGB liegen vor.

Ja!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 989 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe, (3) Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs, (4) Verschulden des Anspruchsgegners und (5) ein Schaden beim Anspruchssteller.Eine Vindikationslage bestand zum Zeitpunkt des Brandes. Das Gemälde ist durch diesen zerstört worden. Da B grob fahrlässig handelte, hat sie den Untergang auch zu verschulden (§ 276 Abs. 1 BGB). Der K ist dadurch auch ein Schaden entstanden. Ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 989 BGB besteht mithin.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Richi

Richi

16.6.2023, 15:08:10

Könnte man hier nicht aber annehmen, dass die B, nachdem ihr die Klage zugestellt wurde, zumindest dazu angeregt sein müsste, kritisch zu hinterfragen, ob an der Klage etwas dran sei und dementsprechend auch über die Möglichkeit nachdenken, dass das Bild abhandengekommen ist (und sie daher kein Eigentum daran erwerben konnte)? So könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass B doch bösgläubig war und §§ 989, 990 BGB prüfen, oder wäre das nicht vertretbar?

SE.

se.si.sc

16.6.2023, 19:20:09

Deine Grundidee ist nicht ganz verkehrt. Wir müssen allerdings zunächst beachten, dass der Maßstab hier ein hoher ist: Weil B höchstens nachträglich (und nicht schon bei Besitzerwerb) "bösgläubig" geworden sein könnte, reicht

grob fahrlässige Unkenntnis

nach § 990 I 1 BGB nicht mehr, sondern wir brauchen positive Kenntnis nach § 990 I 2 BGB. Das ist eine ziemlich hohe Hürde, für die die Beweislast auch noch beim Anspruchsteller liegt. Es genügt nicht allein die Kenntnis der Tatsachen, die das fehlende

Besitzrecht

der B belegen, sondern B muss grds auch noch die richtigen rechtlichen Schlüsse daraus ziehen (vgl BeckOK-BGB, § 990 Rn 24). Allein eine erhobene Herausgabeklage des Eigentümers mit wechselseitigem Vortrag der Parteien iRd Prozesses soll nach der Rspr für eine solche positive Kenntnis noch nicht reichen (BGH NJW 1993, 389, 392). Das mag im Einzelfall mal anders sein, allerdings dürften dann ziemlich strenge Anforderungen, daran zu stellen sein, wie substantiiert der Anspruch in der Klageschrift dargelegt wird und wie lückenlos sich die Beweislage darstellt.

EVA

evanici

16.9.2023, 14:03:38

Ist das dargestellte Prüfungsschema beim gutgläubigen Erwerb tatsächlich so möglich? Also der Rechtsschein wird dann einfach bei der Übergabe eingebaut?

CR7

CR7

21.1.2024, 14:50:14

Das kommt auf den Schwerpunkt des Falles an. Hier lag es offensichtlich vor, dass ein gutgläubiger Erwerb nicht stattfand, so dass man die wesentlichen Punkte kurz abhandeln kann, daher auch der Klausurhinweis.


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