Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Mord, § 211 StGB

Arglosigkeit – Vorangegangene verbale Auseinandersetzung

Arglosigkeit – Vorangegangene verbale Auseinandersetzung

22. November 2024

4,7(41.397 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

A und B haben bei ihrem sonntäglichen politischen Stammtisch eine hitzige Auseinandersetzung. A bezeichnet B als "Intelligenzverweigerer". B schreibt A am Montagabend, er freue sich dennoch auf den kommenden Stammtisch. Als B das Lokal betritt, begrüßt ihn der A und erschießt ihn ohne Vorwarnung.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Arglosigkeit – Vorangegangene verbale Auseinandersetzung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. "Heimtückisch" (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB) tötet nur, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt.

Genau, so ist das!

Das objektive Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt der Täter, der die Arg- und die darauf beruhende Wehrlosigkeit des Opfers in feindseliger Willensrichtung bewusst zur Tötung ausnutzt. Die Ratio dahinter: Ein Täter, der die Arg-und Wehrlosigkeit eines anderen in hinterhältiger Weise zu einem Überraschungsangriff ausnutzt, um das Opfer so daran zu hindern, sich zu verteidigen oder zu fliehen, geht besonders verwerflich und gefährlich vor. Dies rechtfertige eine höhere Strafandrohung (lebenslange Freiheitsstrafe).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. B war "arglos", als A ihn erschossen hat.

Ja, in der Tat!

Arglos ist, wer sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (= Zeitpunkt des Versuchs (§ 22 StGB)) keines Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht. Die verbale Auseinandersetzung vor einer Woche könnte die Arglosigkeit des B entfallen lassen, wenn er mit einem erheblichen Angriff vonseiten des A gerechnet hätte. B freut sich jedoch auf den kommenden Stammtisch. Mithin berührte die verbale Auseinandersetzung die Arglosigkeit des B nicht.

3. B war "wehrlos", als A ihn erschossen hat.

Ja!

Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit zur Verteidigung außerstande oder in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit stark eingeschränkt ist. Die Wehrlosigkeit muss gerade auf der Arglosigkeit beruhen. B war aufgrund seiner Arglosigkeit nicht in der Lage, dem Angriff des A entgegenzutreten oder sich in sonstiger Weise zu verteidigen.

4. A handelte in "feindseliger Willensrichtung".

Genau, so ist das!

Die Rechtsprechung hat den Tatbestand der Heimtücke durch das Merkmal der "feindseligen Willensrichtung" (oft auch: "feindliche Willensrichtung") eingeschränkt. An einer solchen feindseligen Willensrichtung kann es nur dann fehlen, wenn die Tat dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht (etwa bei Tötungen aus Mitleid und bei missglücktem Mitnahmesuizid). Es sind keine Hinweise ersichtlich, die auf das Fehlen der feindseligen Willensrichtung hinweisen.

5. A hatte Vorsatz bezüglich der heimtückischen Ausführung der Tötung (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen (Umkehrschluss aus § 16 StGB). Das Mordmerkmal der "Heimtücke" ist ein tatbezogenes, objektives Mordmerkmal. Zusätzlich ist erforderlich, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit erkennt und diese zur Tatbegehung ausnutzt (Ausnutzungsbewusstsein als subjektives Merkmal der Heimtücke). A war bewusst, dass der B arg- und wehrlos das Lokal betreten würde und er hat diese Situation bewusst für die Tatausführung ausgenutzt. Teilweise wird das Ausnutzungsbewusstsein statt im subjektiven im objektiven Tatbestand geprüft - beides ist vertretbar.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

21.3.2020, 23:31:17

Ging es bei der feindlichen Willensrichtung nicht um den Vertrauensbruch, den man aufgrund einer zwischenmenschlichen Beziehung zu dem Täter hat?

Marilena

Marilena

22.3.2020, 08:21:42

Liebe Isabell, Danke für Deine Frage! Du spielst dabei auf das Kriterium des „

verwerflich

en Vertrauensbruchs“ an, das von der Literatur stammt. Zu den normativen Einschränkungsmöglichkeiten der Heimtücke kommen wir noch in weiteren Fällen. Lieben Gruß Marilena

Isabell

Isabell

24.3.2020, 20:06:41

Hey Alles klar. Dann hab ich das durcheinander geworfen 😅 Dankeschön!


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen